Können natürliche Dinge wie Pflanzen als Erfindung patentiert werden?

Streit über Patente auf Pflanzen und Saatgut

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Autor/in
Alice Thiel-Sonnen
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Katharina Fortenbacher-Jahn
Katharina Fortenbacher-Jahn, SWR Aktuelle Wirtschaft

Eine große Brauerei will sich Gerste und Bier patentieren lassen. Der Fall wirft die Frage auf, was Natur ist und was Erfindung. Wir erklären, warum das so umstritten ist.

Es ist mehr als nur ein Streit um gutes Bier. Demnächst soll das Europäische Patentamt über ein Patent auf Züchtungen von Braugerste entscheiden. Beantragt hat es die große dänische Brauerei Carlsberg. Ein aktueller Fall in einer seit Jahren hitzig geführten Debatte um Patente auf so natürliche Dinge wie Pflanzen, Tiere oder Saatgut. Wir erklären, warum sie so umstritten sind.

Eine Demonstrantin mit einer Brokkoli-Attrappe auf dem Kopf hält ein Plakat auf dem Free Brokkoli steht
Immer wieder demonstrieren unterschiedliche Gruppen vor dem Europäischen Patentamt gegen Patente auf Saatgut, Gemüsepflanzen und andere Lebensmittel.

Die Streitfrage: Was ist Natur, was ist erfinderische Leistung?

Die entscheidende Frage ist: Wo hört das Herkömmliche, Natürliche auf? Wo fängt das neu Erfundene, Patentierbare an? Darüber wird nicht nur beim Bier gestritten. Einige Beispiele für Patentanträge: Eine Paprika, die sich bei der Ernte leichter pflücken lässt. Eine Wassermelone, die keine Kerne enthält. Basilikum, das resistent gegen eine Pilzkrankheit ist. Oder Gerste, die das Bier besser schmecken lässt.

Die Voraussetzung für ein Patent ist: Es muss eine neue Erfindung sein, um darauf ein Patent zu bekommen. Einfach nur etwas, was in der Natur sowieso vorkommt, reicht da nicht. Denn ein Patent bedeutet schließlich einen gewissen Schutz - für die Forschung und für das Geld, das man in die Idee gesteckt hat.

Bei einer Demonstration vor dem Europäischen Patentamt hält ein Teilnehmer einen Luftballon mit der Aufschrift: Keine Patente auf Braugerste und Bier
Auch gegen die Patentierung speziell von Braugerste und Bier hat es Aktionen von Demonstranten gegeben.

Keine Patente auf herkömmlich gezüchtete Tiere und Pflanzen - aber Kritiker sehen Schlupflöcher

Diese klare Unterscheidung wurde vor Jahren eigens in Richtlinien und Gesetzen fest gezurrt. Patente auf Pflanzen und Tiere, die konventionell gezüchtet wurden, sind verboten. Was das gebraucht hat, ordnet die Patentkritikerin Verena Schmitt vom Umweltinstitut München ein:

"Das war ein sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung, doch es gibt nach wie vor genügend rechtliche Schlupflöcher, um dieses Verbot systematisch zu umgehen. Also im Klartext heißt das: Nach wie vor beantragen vorwiegend große Agrarkonzerne Patente auf herkömmlich gezüchtete Pflanzen und Tiere und nach wie vor erteilt das Patentamt derartige Patente."

Die patentierte kernlose Melone: Zufälliger Gartenfund oder erfinderische Leistung?

Das Umweltinstitut München ist mit mehreren anderen Organisationen Mitglied bei "Keine Patente auf Saatgut". Seit den 90er Jahren seien über 1500 Patentanträge eingereicht worden, berichtet Verena Schmitt. Über 200 Patente auf herkömmlich gezüchtete Pflanzen und Tiere seien erteilt worden.

Wenn die Pflanzen mit "im Wesentlichen biologischen Verfahren" gezüchtet wurden, dürfen sie eigentlich nicht patentiert werden. Aber diese rechtliche Vorgabe wird unterschiedlich ausgelegt.

Eine Hand hält eine Wassermelone hoch
Die BASF hat 2021 ein Patent auf eine herkömmlich gezüchtete kernlose Wassermelone erteilt bekommen.

Verena Schmitt erklärt das am Beispiel Wassermelone. Am Anfang stand eine Pflanze, die in einem Hausgarten gefunden wurde, die buschig wächst, nicht so viel Platz braucht und entsprechend mehr Ertrag bringt.

"Also diese genetische Veranlagung für diesen buschigen Wuchs ist zufällig entstanden. Und dann hat die Firma Nunhems von BASF die Pflanze lediglich mit gängigen Methoden so weiter gezüchtet, dass die Früchte der Pflanze keine Kerne mehr enthält. Also das war eine ausreichend erfinderische Leistung, dass eben diese Melone dann patentiert wurde."

Dagegen hat der Verein "Keine Patente auf Saatgut" Ende letzten Jahres Einspruch erhoben.

Sorge um Einfluss von Agrarkonzernen auf unsere Ernährung

Wenn Samen, Pflanzen oder Tiere patentiert werden, dann hat der Patentinhaber gewissermaßen den Daumen drauf. Dann können sie von anderen Landwirten, Forschern oder Gärtnern nicht ohne Weiteres genutzt werden. Beispielsweise könnten auch Brauereien dann Lizenzgebühren zahlen müssen, wenn sie eine bestimmte Gerste verwenden.

Patentkritiker befürchten, dass große Konzerne mit dieser Patentmacht immer mehr Einfluss auf unsere tägliche Ernährung bekommen.

Verena Schmitt vom Umweltinstitut München weist als Ernährungsreferentin auf eine weitere Sorge hin:

"Was man eben auch sehen kann, dass Patente sich quasi nicht nur auf die Pflanzen erstrecken und auch nicht nur auf das Saatgut, sondern auch auf die Ernte und auf die Lebensmittel, die aus der Pflanze hergestellt werden können."

Knapp 200.000 Unterschriften haben zahlreiche internationale Organisationen im vergangenen Jahr gesammelt und dem Europäischen Patentamt übergeben. Sie fordern ein Moratorium für Patente auf Pflanzen und Tiere. Es müsse rechtliche Klarheit geschaffen werden, was patentiert werden darf und was nicht.

Auf einem Schild neben zwei Kohlköpfen steht: Keine Patente auf Leben
Der Streit darüber, was natürlich ist, und was eine patentierbare Erfindung, schwelt seit vielen Jahren.

Dabei sind auch die nationalen Regierungen gefordert. Die 38 Mitgliedsländer des Europäischen Patentübereinkommens haben über den Verwaltungsrat Einfluss auf das Europäische Patentamt.

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Katharina Fortenbacher-Jahn, SWR Aktuelle Wirtschaft