Materialforschung

Forscher*innen entwickeln nachhaltiges Plastik aus Bakterien

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AUTOR/IN
Susanne Henn
ONLINEFASSUNG
Merle Janssen

Millionen Tonnen Kunststoff landen als Mikroplastik in der Umwelt. Eine Forschergruppe aus Tübingen konnte nun mit Hilfe von Cyanobakterien, auch bekannt als: Blaualgen, kompostierbares Bioplastik herstellen.

Kunststoff ist eigentlich extrem praktisch – vielseitig einsetzbar und lange haltbar. Aber genau das ist auch ein Problem: Plastik verrottet nicht. Rund 370 Millionen Tonnen Kunststoff werden derzeit jährlich produziert und bleiben uns auf ewig erhalten. Landet er im Recycling, ist das nicht problematisch, aber viel davon landet als Müll in der Umwelt und irgendwann als Mikroplastik in so ziemlich jedem Bereich unseres Lebens. Wir müssen weg vom klassischen Kunststoff.

Noch gibt es in wenigen Bereichen gute Alternativen. Da lässt eine Studie der Uni Tübingen aufhorchen. Einer Forschungsgruppe ist es dort gelungen, mit Hilfe von Cyanobakterien Bioplastik zu produzieren. Cyanobakterien, das sind jene unbeliebte Blaualgen, wegen denen im Sommer schon mal Badeverbote verhängt werden.

Cyanobakterien sind auch als Blaualgen bekannt. Es handelt sich um Bakterien, nicht um Algen. (Foto: IMAGO, imago images/Andreas Gora)
Cyanobakterien sind auch als Blaualgen bekannt. Es handelt sich um Bakterien, nicht um Algen.

Überschüssiger Kohlenstoff als Grundlage

Ein Stamm dieser Cyanobakterien ernährt sich über Fotosynthese und bildet dabei vielversprechende Vorräte - "Reservestoff mit plastikartigen Eigenschaften", nennt es Prof. Karl Forchhammer, der die Studie an der Uni Tübingen geleitet hat. Forchhammer erklärt, dass die Bakterien Kohlenstoff und Stickstoff aufnehmen. Wenn das Verhältnis nicht ausgewogen sei und sie zu viel Kohlenstoff bekommen, dann würden sie den als Polster deponieren. "Ähnlich wie wir Menschen bei unausgewogener Ernährung Fettpolster anlegen, so bilden sie Reservestoffe, die aber diese thermoplastischen Eigenschaften haben und als Kunststoff benutzt werden können."

Damit die Cyanobakterien diesen Stoff in großen Mengen produzieren, haben Forchhammer und sein Team die Bakterien genetisch etwas verändert und dann in einer wässrigen Lösung gezüchtet, in die sie ein paar Nährsalze und vor allem Kohlendioxid pumpten.

Der Charme ist, dass man CO2 mit Hilfe dieser Produktion in einen Kunststoff umwandeln kann.

Für ökologische Wegwerfprodukte verwenden

Und dadurch lässt sich auch noch das immer knapper werdende Erdöl sparen. Das Ergebnis: Aus einem Kilo so gezüchteter Bakterienmasse lassen sich 800 Gramm Kunststoff herauslösen. Allerdings lässt sich das laut Forchhammer nicht so vielseitig einsetzen wie das Original, sondern eher für "kurzlebige" Verpackungen etwa im Lebensmittelbereich. Da kann man schon aus hygienischen Gründen kaum auf Verpackung verzichten, die aber meistens sofort weggeworfen wird. Aber auch zu Tüten und Trinkhalmen lässt sich das Bioplastik problemlos verarbeiten.

Wenn es seinen Dienst getan habe, so Karl Forchhammer, schmeiße man es nicht in den gelben Sack, sondern in die Biotonne.

Es gibt Studien, die zeigen, dass es nach einem halben Jahr im Komposthaufen verschwunden ist. Das ist das einzige Bioplastik bisher, das so gut kompostierbar ist.

Bisher nur in kleinem Maßstab - jetzt sind Ingenieure gefordert

Klingt wie die Lösung eines großen Problems, doch es gibt - noch - ein Aber: Das Ganze spielte sich bisher nur in Kolben unter Laborbedingungen ab. Anlagen, um das Bioplastik in großem Stil kommerziell zu produzieren, können Forchhammer und sein Team nicht bauen: "Das ist eine andere Baustelle. Da müssen jetzt die Ingenieure ran und die Anlagen bauen." Forchhammer spricht von Pilotpojekten, die noch in den Kinderschuhen steckten.

Dass es funktionieren kann, davon ist Karl Forchhammer überzeugt: Riesige Becken, in denen Cyanobakterien emsig kompostierbares Bioplastik produzieren und gleichzeitig noch etwas für den Klimaschutz tun. Auch die Flächen für diese Anlagen, meint er, ließen sich finden. Oft stünde die Produktion von Bioprodukten, darunter Biodiesel und Palmöl, in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung - nicht so beim Bioplastik aus Tübingen.

Hier könnte man Flächen nutzen, die für nichts Anderes zu nutzen sind.

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