Corona-Pandemie

Diese Rolle spielen Reiserückkehrer bei der Ansteckung mit Corona

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INTERVIEW
Pascal Kiss
ONLINEFASSUNG
Ralf Kölbel

Derzeit kehren viele Menschen aus ihrem Urlaub zurück. Als "Souvenir" bringen sie möglicherweise auch das neue Coronavirus mit ins Land. Wie groß ist die Gefahr wirklich?

Sind die Reiserückkehrer für den Anstieg der Neuinfektionen in den letzten Wochen verantwortlich?

Zumindest teilweise – in den Zahlen des Robert-Koch-Instituts erkennt man durchaus, dass Urlauber*innen beziehungsweise Reiserückkehrer sich immer häufiger im Ausland anstecken. Genauer gesagt: Zumindest erkennen wir die Infizierten öfter. Und wir sehen da wirklich einen deutlichen Anstieg: Anfang Juli haben sich etwa zehn Prozent der in Deutschland positiv gemeldeten Infizierten im Ausland angesteckt. Mittlerweile sind es fast 40 Prozent.

Vor allem an Flughäfen landen viele Urlauber*innen aus Risikogebieten. Vor dem Test muss man erst mal ein entsprechendes Formular ausfüllen. (Foto: IMAGO, imago images/Ralph Peters)
Vor allem an Flughäfen landen viele Urlauber*innen aus Risikogebieten. Vor dem Test muss man erst mal ein entsprechendes Formular ausfüllen.



Die meisten haben sich im Kosovo, in der Türkei, in Kroatien und in Bulgarien angesteckt. Das RKI sagt übrigens, dass wahrscheinlich Familien mit Kindern und Jüngere (20- bis 24-Jährige) für einen Großteil der Fälle verantwortlich sind.

Wir beobachten also schon einen Anstieg – auch in Baden-Württemberg: Von allen bekannten Neuinfizierten haben sich dort seit Mitte Juni etwa 26 Prozent im Ausland angesteckt. Und mit Blick in die Vergangenheit sieht man hier auch ganz klar: Die Zahlen sind deutlich hochgegangen. Das hat das baden-württembergische Landesgesundheitsamt kürzlich bekannt gegeben.

An den Teststationen gibt es oft lange Warteschlangen. (Foto: IMAGO, imago images/Ralph Peters)
An den Teststationen gibt es oft lange Warteschlangen.

Stecken sich wirklich immer mehr Menschen im Ausland an?

Es spricht vieles dafür, dass sich in der Urlaubszeit viele Menschen im Ausland infizieren. Das erklärt auch den Anstieg an Infektionen in Deutschland. Allerdings wird hierzulande jetzt auch viel mehr und vor allem nach anderen Kriterien auf Corona getestet: Getestet wird jetzt zum ersten Mal eine ganze Gruppe, also auch Menschen, die nicht unbedingt Kontakt zu einer verdächtigen Person hatten, die sich vielleicht mit dem Coronavirus infiziert hat.

Allein in den letzten Wochen hat die Zahl der Tests um 30 Prozent zugenommen. Und weil wir da jetzt viel genauer hinschauen, erkennen wir natürlich auch mehr Infizierte. Das darf man bei den Zahlen nicht ganz vergessen.

Seit wir die Reiserückkehrer stärker testen, steigt auch der Anteil von positiven Tests – also mit Blick auf alle Coronatests, die wir machen:
Die Zahl der positiven Tests steigt schneller an als die Zahl der negativen Tests.

Wenn mehr Menschen systematisch getestet werden, gibt es natürlich auch mehr positive Testergebnisse auf Corona. (Foto: IMAGO, imago images/PanoramiC)
Wenn mehr Menschen systematisch getestet werden, gibt es natürlich auch mehr positive Testergebnisse auf Corona.

Welche Rolle spielen Feierende in Deutschland?

Vieles spricht dafür, dass vor allem jüngere Menschen für den Anstieg der letzten Wochen verantwortlich sind. Gerade jetzt stecken sich auffällig junge Menschen an – also die 5 bis 34-Jährigen. Bei den Älteren – also bei den Über-60-Jährigen lässt sich so ein Anstieg nicht beobachten.

Auch bei den Reiserückkehren sieht man, dass sich vermehrt jüngere Menschen anstecken. Aber das gleiche beobachten wir eben nicht nur bei den Urlaubern, sondern auch in Deutschland.

Grundsätzlich muss man sagen: Bei den Urlaubern ist nicht nur der Besuch in Risikoländer problematisch, sondern vielmehr das Verhalten: Im Urlaub nehmen es wahrscheinlich viele mit den Regeln nicht mehr genau.

Die wiedergewonnene Freiheit nutzen viele Menschen für einen Urlaub im Ausland. Doch was ist, wenn der Urlaubsort zum Risikogebiet erklärt wird. (Foto: IMAGO, imago images/nicepix.world)
Die wiedergewonnene Freiheit nutzen viele Menschen für einen Urlaub im Ausland. Doch was ist, wenn der Urlaubsort zum Risikogebiet erklärt wird.

Diese Rolle spielen Familienfeiern bei der Verbreitung des Virus

Das Robert-Koch-Institut betont seit Wochen, dass immer wieder größere Feiern im Familien- und Freundeskreis zu lokalen Ausbrüchen führen. Auch bei Veranstaltungen mit größeren Gruppen gibt es laut RKI wieder ein bisschen mehr Ausbrüche. Wir trauen uns wieder mehr und das geht eben zumindest manchmal schief. Stichwort: Superspreader-Events.

Das RKI empfiehlt daher momentan:

  • Größere Menschenansammlungen (vor allem innen) sollten möglichst vermieden werden


  • Wer feiern möchte, sollte sich nur auf den engsten Familien- und Freundeskreis beschränken


Bei der ganzen Diskussionen um die Urlauber aus Risikogebieten sollte nicht vergessen werden: Wir haben hier schon in Deutschland ganz ohne Urlauber genügend aktive Fälle für das Potential einer zweiten Welle!

Was sind Kriterien für die Risikogebiete?

Welches Land als Risikogebiet eingestuft wird, entscheidet nicht das das Robert-Koch-Institut – sondern das Bundesgesundheitsministerium, Innenministerium und das Auswärtige Amt ist beteiligt. Das gibt ja dann auch immer die Reisewarnung heraus.

Die Ministerien schauen da vor allem auf einen Grenzwert von Neuinfektionen, der nicht überschritten werden darf. Da geht es um die gemeldeten Neuinfektionen in den letzten 7 Tage. Gibt es in einer Region oder Staat in den letzten sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner, wird das Land als Risikogebiet eingestuft.

Für die Einstufung als Risikogebiet gibt es verschiedene Kriterien. Neben der Infektionsrate wird auch die Zuverlässigkeit der Informationen aus den jeweiligen Ländern mit einbezogen. (Foto: IMAGO, imago images/Christian Ohde)
Für die Einstufung als Risikogebiet gibt es verschiedene Kriterien. Neben der Infektionsrate wird auch die Zuverlässigkeit der Informationen aus den jeweiligen Ländern mit einbezogen.

Manchmal werden aber auch Regionen zu Risikogebieten, bei denen der Grenzwert nicht überschritten werden. So bewerteten die deutschen Behörden zum Beispiel auch die Hygieneregeln in den anderen Ländern und wie verlässlich die Informationen zu den Neuinfektionen sind. Gibt es hier zu große Zweifel, können auch Länder ohne Grenzwert-Überschreitung zum Risikogebiet werden. Oder einfach, weil sich hier jetzt auffällig viele Menschen anstecken.

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