Besuchsfenster im Altenheim. Hier freut sich eine Heimbewohnerin über den Besuch ihrer Tochter am neu eingerichteten Besuchsfenster im Erdgeschoss ihres  Pflegeheims. (Foto: IMAGO, imago images / Max Stein)

Lockerung der Corona-Vorsichtsmaßnahmen

Kreative Besucherregeln für Alten- und Pflegeheime

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Peter Kolakowski
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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)

Anfang Mai hat die Bund-Länder-Konferenz das strenge Besuchsverbot für Alten- und Pflegeheime aufgehoben. Nun soll die Risikogruppe unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen wieder Besuch empfangen dürfen.

Seniorinnen und Pflegebedürftige leiden während der Corona-Pandemie besonders unter der Kontaktsperre. Da sie zur Hochrisikogruppe für Covid-19 zählen, haben die Ämter zu Beginn der Krise den Umgang mit Außenkontakten sehr streng geregelt. Trotzdem hat das neue Corona-Virus in die Alten- und Pflegeheimen gefunden und dort zu vielen Infizierten und Toten geführt.

Ohne Kontakte werden Seniorinnen und Pflegebedürftige depressiv

Auf der anderen Seite mahnen Expertinnen und Pfleger, dass alte und kranke Menschen depressiv und regelrecht krank werden würden, wenn sie keinen Kontakt mehr zu ihren Angehörigen haben könnten. Deshalb hat die Bundesregierung nun den einzelnen Bundesländern den Spagat zwischen Schutz der körperlichen und der seelischen Gesundheit überlassen. Denn mit dem Beschluss der Bund-Länder-Konferenz vom 6. Mai soll jeder Bewohner eines Pflegeheims unter Einhaltung der Schutzmaßnahmen wiederkehrend Besuch einer definierten Person empfangen dürfen - sofern es in seiner Einrichtung keinen Corona-Fall gibt.

Nun sind wieder Besuche von Angehörigen möglich. Hier besucht eine Frau ihre Mutter zum ersten Mal seit der Corona Besuchssperre im St. Augustinus Altenheim in Emmerich. (Foto: IMAGO, imago images / Markus van Offern)
Nun sind wieder Besuche von Angehörigen möglich. Hier besucht eine Frau ihre Mutter zum ersten Mal seit der Corona Besuchssperre im St. Augustinus Altenheim in Emmerich.

Heimleitungen entscheiden, wie Besuche ausgestaltet werden

Nun versuchen die Senioren- und Pflegeheime Möglichkeiten zu schaffen, damit die Bewohner wieder Besucher empfangen können. Dabei liegt es im Ermessen der Heimleitungen, wie Besuche in Zeiten von Corona sicher ausgestaltet werden. Viele weisen extra Räume für die Besucherkontakte aus und teilen den einzelnen Besuchern dann genaue Zeiten zu. Andere wie das St. Vinzenzhaus in Gebhardshain oder das Pflegeheim St. Antonius in Triberg im Schwarzwald richten extra Besucherboxen ein.

Eine Far und ein Mann stehen vor einem kleinen Gehäude vor einem Gebäude (Foto: SWR)
Eine Besucherbox im Triberger Altersheim soll es Angehörigen ermöglichen, ihre Verwandeten im Heim zu sehen.

Gratwanderung zwischen Schutz und Kontaktbedürfnis

Die Bundesinteressenvertretung für alte und von Pflege betroffene Menschen in Bonn, kurz Biva, setzt sich für die Rechte und Interessen von Menschen in Pflegeeinrichtungen und deren Angehörigen ein. Die Leiterin der Rechtsabteilung, Ulrike Kämpchen, kennt die Gratwanderung, zwischen Schutz und Bedürfnis nach Kontakt abzuwägen und hier die richtigen Mittel zu finden.

Zu Beginn der Coronakrise haben Seniorenwohnanlagen und Pflegeheime die Besuchsbedingungen für Angehörige verschärft. (Foto: IMAGO, Imago images / penofoto)
Zu Beginn der Coronakrise haben Seniorenwohnanlagen und Pflegeheime die Besuchsbedingungen für Angehörige verschärft.

Menschen in einem Pflegeheim haben dort ihren Lebensmittelpunkt, sie sind dort nicht vorübergehend wie in einem Krankenhaus. Besuche sind Sozialkontakte. Wir haben zum einen sehr engagierte Leitungen, die schon vor Corona Epidemiepläne hatten, denn es gibt ja noch ganz viele andere Viren, die vorkommen können. Und wir haben Träger, die weniger vorbereitet sind.

Kreative Lösungen für Besuche in Alten- und Pflegeheimen

Wie Kontaktbeschränkungen organisiert werden können, zeigen unter anderen die Sozialbetriebe der Stadt Mönchengladbach. Der Geschäftsführer der städtischen Sozialholding, Helmut Walraffen, managt dort sieben städtische Pflegeeinrichtungen Sein Motto lautet: Nicht lange zögern - sondern umsetzen.

In der ersten Phase des strengen Kontaktverbotes führte Walraffen ein, dass Bewohnerinnen und Bewohner unter Begleitung des sozialen Dienstes mit ihren Angehörigen regelmäßig skypen konnten. Außerdem mieteten die Mönchengladbacher Sozialbetriebe große Baustellen-Container, die sie in die Innenhöfen der Pflegeeinrichtungen stellten.

Diese Container sind 2,50 m breit, 6 m lang, in der Mitte ist die Plexiglastrennung. Auf der einen Seite sind die Besucher, das sind bis zu zwei Personen, und auf der anderen Seite sind dann unsere Bewohnerinnen und Bewohner. So können soziale Kontakte ermöglicht werden. Als das Besuchsverbot kam, haben wir sofort überlegt, was gibt es an Alternativen. Und dann haben wir mitbekommen, dass in den Niederlanden Container von Festivals übrig sind. Da haben wir sofort zugeschlagen.

Container, Gondeln, Hebekräne - innovative Ideen der Träger

Die Miete eines solchen Containers kostet 1200 Euro. Das Geld wird vollständig aus staatlichen Corona- Mitteln bezahlt. Jeweils 20-minütige Besuche sind täglich zwischen 9 bis 18 Uhr möglich. Sie werden von jungen Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr organisiert und begleitet. Nach jedem Besuch wird der Container desinfiziert. Spontanbesuche sind aus organisatorischen Gründen nicht möglich.

Eine ähnliche Idee hatte ein Heim in Hückelhoven nahe Mönchengladbach. Dieses Heim hat kurzerhand eine ausrangierte Alpengondel vor den Eingang gestellt. In der können Besucher Platz nehmen und sich per Sprechanlage mit ihren Angehörigen im Eingangsbereich unterhalten.

Diese Lösungen erinnern an Besuche in Justizvollzugsanstalten. Mit Sprechanlage, aber zumindest mit der Möglichkeit visuell Kontakt zu haben. Als erste Maßnahme während des Kontaktverbotes waren das innovative Schritte.

Teilweise zeigen die Lösungen der Heimleitungen auch skurrile Züge. So wurden in einem Brüsseler Altenheim Angehörige mit einem Hebekran für Fensterputzer vor das Fenster des jeweiligen Bewohners gehievt. Dort konnten sich dann Bewohner und Besucher in einigen Metern Höhe zuwinken und auch unterhalten.

Eine 96 jährige Bewohnerin des Altenheims Johannes-Höver-Haus steht auf dem Balkon ihres Zimmers und kommuniziert auf Distanz mit ihren Angehörigen. (Foto: IMAGO, imago images / Norbert Schmidt)
Eine 96 jährige Bewohnerin des Altenheims Johannes-Höver-Haus steht auf dem Balkon ihres Zimmers und kommuniziert auf Distanz mit ihren Angehörigen.

Treffen im Freien wieder möglich

Seit dem 6. Mai ist es nun auch wieder möglich geworden, dass sich Besucher und Bewohnerinnen im Freien treffen, wenn die entsprechenden Schutzmaßnahmen getroffen werden. Ein großer Fortschritt, denn für manche Heimbewohnerinnen reicht der kontaktlose Besuch nicht aus, zum Beispiel wenn sie wegen einer Demenz nicht in der Lage sind, die Situation zu verstehen. Nun sind humanere Besuchsregelungen mit Kontakt unter Schutzmaßnahmen wieder möglich, doch es mangelt häufig am Personal, um diese umzusetzen.

Da muss man natürlich die Menschen rausbringen und entsprechend vorbereiten. Das Problem des Personalmangels und der Arbeitsverdichtung ist ein Problem, das wir schon lange haben. Das zeigt jetzt in dieser Krise sein hässliches Gesicht.

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