Bisher ist weltweit noch kein Impfstoff mit dem mRNA-Prinzip zugelassen.  (Foto: IMAGO, imago images / Michael Weber)

Wege aus der Pandemie

Die beste Strategie zur Corona-Impfstoff-Verteilung

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)

Wenn es einen Impfstoff gegen Covid-19 gibt, dann werden die Impfdosen erstmal nicht reichen, um alle zu impfen. Wer soll dann zuerst geimpft werden?

Mathematische Simulation der wirksamsten Corona-Impfstrategie

Amerikanische Wissenschaftler*innen haben mit mathematischen Modellen simuliert, durch welche Impfstrategie die Corona-Pandemie am wirksamsten eingedämmt werden könnte. Sie entwerfen dazu mehrere Szenarien.

Szenario 1 - Ausreichend Impfstoff, dann zuerst junge Erwachsene impfen

Bei einer hohen Wirksamkeit des neuen Covid-Impfstoffes über 70% ist es nach der Modellierungsstudie ideal, zunächst die Altersgruppen zu impfen, die die höchsten Virus-Übertragungsraten zeigen. Das sind jüngere Erwachsene.

Junge Erwachsene sind die Haupt-Übertragungsgruppe für Corona.  Eine mögliche Strategie wäre es, sie zuerst gegen Covid-19 zu impfen. (Foto: IMAGO, imago images / Westend61)
Junge Erwachsene sind die Haupt-Übertragungsgruppe für Corona. Eine mögliche Strategie wäre es, sie zuerst gegen Covid-19 zu impfen.

Die Impfung derjenigen, die die meisten Kontakte haben, und die Übertragung voran treiben, führt zu einer deutlichen Verlangsamung der Epidemie und damit insgesamt zu weniger Todesfällen.

Der Impfschutz für Gruppen mit hoher Übertragungsrate schützt indirekt die Gruppen mit hohem Risiko und stellt daher die optimale Nutzung der Ressourcen dar, so die Forscher*innen aus Seattle.

Szenario 2 - Wenig Impfstoff, dann erst Hochrisikogruppen impfen

Aber wenn der Impfstoff nicht gleich für mindestens die Hälfte der Bevölkerung zur Verfügung steht, ist es besser, zuerst die Hochrisikogruppen zu impfen. Erst wenn genügend Impfstoff da ist, dann nutzt er am meisten, wenn er zuerst an die Gruppen mit hoher Übertragungsrate verteilt wird.

Grenzen der Simulation und Kompromiss

Doch auch die amerikanischen Modellierer kommen zu dem Schluss, dass die Verteilung des Impfstoffes auch ethische, politische und gesellschaftliche Faktoren berücksichtigen muss.

 Die Verteilung des Impfstoffes lässt sich nicht nur rein mathematisch angehen, sondern muss auch ethische, politische und gesellschaftliche Faktoren berücksichtigen. (Foto: IMAGO, imago images / Westend61)
Die Verteilung des Impfstoffes lässt sich nicht nur rein mathematisch angehen, sondern muss auch ethische, politische und gesellschaftliche Faktoren berücksichtigen.

Sie schlagen daher als praktikable Lösung vor, bei einer großen Verfügbarkeit von Impfstoffen zunächst die Hochrisikogruppen zu impfen und dann die Hochübertragungsgruppen.

Deutsches Positionspapier zur Impfstoffverteilung

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat gemeinsam mit dem Deutschen Ethikrat und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ein Positionspapier mit Rahmenbedingungen für die Impfstoffverteilung vorgelegt.

Zuallererst sollen danach jene Menschen geimpft werden, die das höchste Risiko haben, durch das Virus schwer zu erkranken oder zu sterben. Das sind Bewohner*innen von Senioren- und Altenpflegeheimen sowie Personen im Alter von über 80 Jahren.

Ein Positionspapier macht deutlich, in welcher Reihenfolge Menschen in Deutschland gegen Corona geimpft werden sollten.  (Foto: IMAGO, imago)
Ein Positionspapier macht deutlich, in welcher Reihenfolge Menschen in Deutschland gegen Corona geimpft werden sollten.

Außerdem müssten jene rasch geimpft werden, die Erkrankten beistünden und dadurch selbst ein erhöhtes Risiko einer Covid-19-Infektion trügen. Also zum Beispiel Beschäftigte im Gesundheitswesen.

Hinzu kommt, dass Menschen, die in «Bereichen der Daseinsvorsorge» Schlüsselfunktionen innehaben, ebenfalls prioritär geimpft werden sollen. Dazu zählen Beschäftigte bei der Polizei, in Gesundheitsämtern oder an Schulen.

Polizist*innen sollen ähnlich wie Beschäftigte in Gesundheitsämtern oder an Schulen bevorzugt gegen Corona geimpft werden. (Foto: IMAGO, imago images / JeanMW)
Polizist*innen sollen ähnlich wie Beschäftigte in Gesundheitsämtern oder an Schulen bevorzugt gegen Corona geimpft werden.

«Wir müssen das so machen, dass am Ende der größte Nutzen für die ganze Bevölkerung dabei herauskommt»

Das Verteilungskonzept kann aber im Detail erst festgelegt werden, wenn ein konkreter Impfstoff zugelassen ist und dessen möglicherweise spezifische Wirkung bei einzelnen Bevölkerungsgruppen bekannt ist.

Zuerst sollen Menschen geimpft werden, die das höchste Risiko haben durch das Virus schwer zu erkranken oder zu sterben. Dazu gehören Senior*innen.   (Foto: IMAGO, imago images / Westend61)
Zuerst sollen Menschen geimpft werden, die das höchste Risiko haben durch das Virus schwer zu erkranken oder zu sterben. Dazu gehören Senior*innen.

Keine Impfpflicht geplant

Wichtig auch: Es wird keine Impfpflicht geben. Die Impfung soll freiwillig in staatlichen Impfzentren unabhängig vom Versichertenstatus durchgeführt werden.

Um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und die Wirksamkeit weiter zu ermitteln, sollten die Impfungen bundesweit in einer zentralen Datenbank online erfasst werden.

Zuständig für die nationale Planung und Verteilung nach Einführung eines geeigneten Impfstoffs sind das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und die Bundesländer.

Impfung naher Kontaktpersonen als Strategie

Im Nationalen Pandemieplan des RKI findet sich eine weitere Priorisierungsgruppe: Menschen, die einen besonders großen Einfluss auf die Viruszirkulation haben. Die Gesellschaft für Virologie hat aber bereits in einer Stellungnahme klar gestellt: Es sei schwierig, diese Personengruppe zu definieren. Ein großer Teil der Infektionen sei zwar auf „Superspreader“ zurückzuführen, diese Menschen könne man aber nicht im Voraus identifizieren.

Ideal wäre es, mögliche Superspreader zu identifizieren und zu impfen, bevor sie andere infizieren. Das ist aber kaum möglich.  (Foto: IMAGO, imago images / Christian Ohde)
Ideal wäre es, mögliche Superspreader zu identifizieren und zu impfen, bevor sie andere infizieren. Das ist aber kaum möglich.

Die Gesellschaft für Virologie rät bei schwacher Wirksamkeit in einer besonders gefährdeten Personengruppe zu einer „Kokon-Strategie“. Damit ist die Impfung naher Kontaktpersonen gemeint, die dann als Überträger ausscheiden. Zum Beispiel betreuende Angehörige und medizinisches Personal in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern.

Bei der sogenannten „Kokon-Strategie“ werden nahe Kontaktpersonen von gefährdeten Menschen geimpft. Sie scheiden damit als mögliche Covid-Überträger aus. (Foto: IMAGO, imago images/Georg Ulrich Dostmann)
Bei der sogenannten „Kokon-Strategie“ werden nahe Kontaktpersonen von gefährdeten Menschen geimpft. Sie scheiden damit als mögliche Covid-Überträger aus.

Ideal wäre auch, wenn die Impfstoff-Verteilung regionale Fallzahlen berücksichtigte. Doch die Gesellschaft für Virologie merkt an, dass ein solches Vorgehen bei der Priorisierung politisch sicherlich nur schwer umsetzbar ist.