Corona-Pandemie

So funktioniert der Impfstoff von Astrazeneca

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Franziska Ehrenfeld
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Der Corona-Impfstoff der britisch-schwedische Arzneimittelkonzerns Astrazeneca gerät wegen möglicher Nebenwirkungen zunehmend in die Kritik. Jetzt werden nur noch Menschen ab 60 Jahren damit geimpft. Aber was unterscheidet dieses Vakzin von den mRNA-Impfstoffen?

Über den Impfstoff von Astrazeneca wurde und wird besonders viel berichtet. Auf der Basis einer Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) hatte die Bundesregierung die Corona-Impfungen mit Astrazeneca vorsorglich ausgesetzt. Das PEI hält nach Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung in Deutschland und Europa weitere Untersuchungen für notwendig. Laut der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) sei der Nutzen der Impfung aber in jedem Fall größer als mögliche Risiken.

Allerdings trifft das wohl nicht auf alle Altersgruppen und Geschlechter gleichermaßen zu: Neue Meldungen von Hirnvenenthrombosen haben deshalb dazu geführt, dass Menschen unter 60 Jahren in Deutschland nur noch in Ausnahmefällen mit dem Mittel geimpft werden.

Wie genau es um mögliche Risiken bezüglich Thrombosen und anaphylaktischen Schocks steht und wie es mit der Wirksamkeit aussieht – zum Beispiel auch gegen Virusmutanten – haben wir in diesem Artikel zusammengefasst:

Impfstoff von Astrazeneca funktioniert etwas anders

Der Impfstoff, den die Forscher der Universität Oxford gemeinsam mit dem schwedischen Unternehmen Astrazeneca entwickelt haben, basiert auf modifizierten Adenoviren, die bei Schimpansen Erkältungen auslösen, für den Menschen aber harmlos sind. In die DNA dieser umgebauten Schnupfenviren wird ein kleiner Teils des Erbguts des neuartigen Coronavirus integriert und dann mit der Impfung in die Körperzellen transportiert. Dieser Erbgutschnipsel löst eine Kette von Prozessen aus, an deren Ende die Zelle Spike-Proteine des Coronavirus selbst herstellt.

An diesem Virusbauteil kann das Immunsystem die Abwehr kompletter Viren trainieren. Wenn der geimpfte Mensch dann tatsächlich in Kontakt mit SARS-CoV-2 kommt, ist die körpereigene Abwehr schon vorbereitet. Diese Art Impfstoffe, die mit Hilfe eines Trägervirus funktionieren, nennt man Vektorimpfstoffe. Die Impfstoffe von Biontech und Moderna nutzen dagegen keine DNA-Schnipsel, sondern direkt mRNA-Moleküle, die bei der Astrazeneca-Technologie ein Teil der Prozesskette im Inneren der Zelle sind. Biontech und Moderna verwenden auch keinen Trägervirus, sondern transportieren die mRNA eingehüllt in Nano-Lipidtröpfchen ins Zellinnere.

Die Immunabwehr reagiert auf das Sars-CoV-2-Virus. (Foto: SWR)
Die Immunabwehr reagiert auf das Sars-CoV-2-Virus.

Irritationen um Wirksamkeitsstudie von Astrazeneca-Impfstoff

Die Resultate zur Wirksamkeit ihres Impfstoffkandidaten hat AstraZeneca im Fachblatt «The Lancet» veröffentlicht. Demnach ist der Impfstoff sicher und bietet nach Gabe zweier Dosen einen Schutz von etwa 70 Prozent vor der Erkrankung mit Covid-19.

Expertinnen und Experten kritisierten allerdings zunächst den Ablauf der Phase-3-Studie, in dem es zu Problemen gekommen war. Ein Teil der Probanden bekam bei der ersten Impfung wegen eines Versehens nur eine halbe Dosis gespritzt. Betroffen waren nur Menschen unter 55 Jahren und interessanterweise erreichte der Impfstoff in dieser Gruppe eine sehr hohe Schutzwirkung von etwa 90 Prozent. In der Gruppe jener Probanden, die zweimal die volle Dosis Impfstoff erhielten, lag die Schutzwirkung dagegen bei nur 62 Prozent. Astrazeneca hatte nach diesem Vorfall die Phase-3-Studie noch weitergeführt, um besseres Datenmaterial zu erhalten. Dies scheint nun vorzuliegen. Das Unternehmen hat pro Impfung die volle Dosis Impfstoff für die Zulassung beantragt.

In ihrer Zulassungsempfehlung hat die EMA zwei der vier Studiengruppen für die Entscheidung herangezogen. In diesen Gruppen wurde zwei Mal die volle Dosis verabreicht und der Impfstoff zeigte eine Wirkung von 59,5%.

Diskussion über Wirksamkeit des Astrazeneca-Impfstoffes bei älteren Menschen

Medien berichteten, der Impfstoff wirke bei Älteren nicht so gut. Es ist zumindest so, dass der Impfstoff bislang kaum an alten Menschen getestet wurde. Nur vier Prozent der Versuchsteilnehmerinnen waren über 70 Jahre alt. Und wenn man nur als erstes die halbe und dann die volle Dosis gespritzt hat, war sogar niemand dabei, der über 55 Jahre alt war. Da muss man noch weiter forschen.

Man kann nicht sagen, dass der Impfstoff deshalb bei alten Menschen schlechter wirkt. Das muss man einfach noch abwarten. Die EMA hat jetzt aber eine Zulassung auch für Ältere ab 65 empfohlen. Aus den bisherigen Daten schließen sie, dass der Impfstoff wahrscheinlich auch bei dieser Gruppe wirksam ist.

Astrazeneca hat der Europäischen Arzneimttelbehörde EMA wohl eine neue Studie vorgelegt, die die Wirksamkeit des Impfstoffes auch bei älteren Menschen belegen soll. (Foto: IMAGO, imago images/Eibner)
Astrazeneca hat der Europäischen Arzneimttelbehörde EMA wohl eine neue Studie vorgelegt, die die Wirksamkeit des Impfstoffes auch bei älteren Menschen belegen soll.

Obwohl das Mittel von Astrazeneca nach aktueller Studienlage weniger wirksam ist als die zwei Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna, kann der Vektorimpfstoff in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Grundsätzlich ist es wichtig, dass wir mehrere Impfstoffprodukte entwickeln gegen Covid-19. Weil wir brauchen verschiedene Hersteller und dann haben unterschiedliche Technologien oder Impfstoffprodukte durchaus verschiedene Eigenschaften.

Die Lagerungsfähigkeit macht den Unterschied...

Der britisch-schwedische Impfstoff von Astrazeneca ist – nach Angaben des Unternehmens – bei normaler Kühlschranktemperatur für mindestens sechs Monate haltbar. Das eröffnet ihm breite Einsatzmöglichkeiten in Ländern, in denen die dauerhafte Kühlung von Impfstoffen zum Problem werden kann.

Zum Vergleich: Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech benötigt für seinen Impfstoff extrem niedrige Lagertemperaturen: minus 70 Grad. Ist das Mittel aufgetaut, bleibt es noch fünf Tage lang bei Kühlschranktemperatur – also zwei bis acht Grad – einsatzfähig.

Der Impfstoff des US-Konzerns Moderna ist vergleichsweise lange bei normaler Kühlschranktemperatur lagerbar. Man gehe davon aus, dass das Vakzin 30 Tage bei Temperaturen von zwei bis acht Grad stabil bleibe, heißt es in einer Moderna-Mitteilung. Bei einer Temperatur von minus 20 Grad sei der Impfstoff bis zu sechs Monaten haltbar.

Kühlung des Biontech-Impfstoffs (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Pressebildagentur ULMER)
Im Gefrierschrank wird der Impfstoff von Biontech/Pfizer bei minus 80,5 Grad gelagert

...und der Preis auch.

Ein großer Unterschied zwischen den mRNA-Impfstoffen und dem Vektorimpfstoff von Astrazeneca besteht im Preis. Eine Dosis des Vektorpräparats kostet anscheinend ca. 2 Euro, während die mRNA-Impfstoffe pro Spritze mit ca. 15 Euro aufgerufen werden. Ein weiterer Grund dafür, dass der Vektorimpfstoff, trotz seiner etwas geringeren Wirksamkeit, wahrscheinlich in den ärmeren Regionen der Erde eher zum Zug kommen wird als eines der ohne Trägervirus arbeitenden mRNA-Vakzine.

Antikörper attackieren Virus (Foto: IMAGO, imago images/Science Photo Library)
Impfungen erfüllen letztlich den Sinn, das Immunsystem auf das SarsCoV-Virus zu trainieren.