Verhaltensforschung

Bienen stechen unterschiedlich rasch zu

Stand

Von Autor/in Anja Braun

Die Persönlichkeit von Bienen prägt ihr Stechverhalten: Während die einen noch zögern, stechen die anderen bereits zu. Das haben Forschende der Uni Konstanz herausgefunden.

Forschende des Exzellenclusters „Kollektives Verhalten“ der Universität Konstanz haben herausgefunden, dass Honigbienen unterschiedliche Vorlieben im Stechverhalten haben. Die Ergebnisse der aktuellen Studie legen nahe, dass die Persönlichkeit der einzelnen Bienen dabei eine große Rolle spielt.  

Honigbienen sind ein gut organisiertes Volk 

Im Schnitt leben rund 50.000 Tiere in einem Bienenstock zusammen. Im Laufe ihres Bienenlebens werden sie an mehrere Stationen eingesetzt - zum Beispiel zum Futter besorgen, Wasser holen, Kühlung zufächeln aber auch als Wächterbienen, um den Bienenstock gegen Feinde verteidigen.  

Ein Schwarm Bienen auf einem Bienenstock. Bienen haben ein unterschiedliches Stechverhalten.
Bienen zeigen ein faszinierendes soziales Verteidigungsverhalten: Wird eine Wächterbiene zum Stich gezwungen, setzt sie Alarmpheromone frei, die weitere Bienen zur Verteidigung herbeirufen.

Beim Stich wird ein Alarmduftstoff freigesetzt  

Kommt man nun einem Bienenstock zu nahe und wird dort von einer Verteidigungs-Biene gestochen, dann setzt sie ein Alarmpheromon frei. Diese Duftmarke signalisiert den anderen Wächterbienen Gefahr. Das zieht andere Bienen an und die stechen dann auch zu. Dadurch wird noch mehr Alarm-Duftstoff ausgeschüttet. Nun könnte man denken, dass diese Spirale sich immer weiter dreht, bis schließlich alle Bienen alarmiert sind und zum Stechen bereit.

"Aber das ist nicht so, die haben eine eigene Bremse. Sobald genug Bienen gestochen haben, hören sie auf zu stechen. Das ist aus Sicht der Bienen sinnvoll, denn jede Biene, die sticht, stirbt. Das heißt: zu viele Bienen, die stechen, würde den Bienenstock zu viele Individuen kosten.”, sagt Giovanni Galizia, Professor für Neurobiologie an der Uni Konstanz und Coautor der jüngsten Bienenstudie. Das zeigt, dass der Bienenschwarm sich durchaus sozial regulieren kann.  

Ein Schwarm Bienen mit einem Imker. Auch im Schwarm zeigen Bienen ein unterschiedliches Stechverhalten.
Jede Biene hat ihre eigene Persönlichkeit: Während einige bei Gefahr schnell zustechen, zeigen sich andere zurückhaltender in ihrem Verteidigungsverhalten.

Bienen haben ein ganz eigenes Stechverhalten  

Doch gerade am Stechverhalten der Bienen bei vermeintlicher Bedrohung des Bienenvolkes zeige sich, dass jede Biene eine eigene Identität hat, so Galizia:

"Die einen sind dann ein bisschen stärker im Stechen und die anderen sind weniger stechend. Das bedeutet, das Tier hat eine Individualität in der Art und Weise wie es sich verhält, wenn der Stock angegriffen wird.“ 

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Experimente mit universitätseigenen Bienen zeigen individuelles Verhalten  

Für diese Forschungsarbeit hat die Neurobiologin Morgane Nouvian gemeinsam mit der Doktorandin Kavitha Kannan gezielt Wächterbienen an den universitätseigenen Bienenstöcken in Konstanz eingefangen.

Mit verschiedene Experimenten in einer Bienenarea konnte Arbeitsgruppenleiterin Nouvian zeigen, „dass manche Bienen aggressiver sind und manche freundlicher. Sie haben also individuelle Charaktere, die offensichtlich ihr Abwehrverhalten beeinflussen. Die Persönlichkeit der einzelnen Bienen spielt für ihr Stechverhalten eine große Rolle.“

  

Ein Bienenschwarm fliegt in seinen Bienenstock. Auch im Schwarm stechen Bienen mit unterschiedlichem Stechverhalten.
Während Forscher zunächst von einer zentralen Steuerung des Stechverhaltens durch den Schwarm ausgingen, zeigten Experimente: Jede einzelne Biene besitzt eine individuelle Persönlichkeit, die ihr Verteidigungsverhalten bestimmt.

Bienen behalten ihre Individualität – auch im Schwarm  

Zu Beginn der Studie waren die Forschenden davon ausgegangen, dass jede Biene eigentlich von dem Schwarm kontrolliert wird. Also dass der Schwarm beschließt: jetzt müssen wir uns verteidigen und dann stehen alle Wächterbienen parat und sind bereit zum Zustechen.

Die Experimente zeigten jedoch, dass das nicht so läuft. Sondern dass die einzelne Biene eine Persönlichkeit hat, die sich in ganz unterschiedlichem Stechverhalten äußert. Und dass diese Schwarmintelligenz und die Vereidigung des Bienenvolkes aber trotzdem funktioniert. 

Eine Biene sticht einen Mann in den Arm. Jede Biene hat ein unterschiedliches Stechverhalten.
Bienen zeigen individuelle Persönlichkeiten: Manche Bienen sind konstant aggressiv, während andere durchgehend friedlich bleiben - unabhängig von äußeren Einflüssen.

Nette wie auch aggressive Bienen passen sich im Stechverhalten nicht an  

Neurobiologin Morgane Nouvian hat untersucht, inwieweit die Honigbienen ihr individuelles Stechverhalten in unterschiedlichen Situationen ändern. Und ob sie sich von dem Verhalten der restlichen Gruppe beeinflussen lassen. Dazu setzte das Team aggressive und auch freundliche defensiv gestimmte Bienen mehrfach einer Aggression – also einer vermeintlichen Bedrohung des Bienenstammes – aus. Doch die Bienen blieben bei ihrer Grundeinstellung: "Die netten Bienen haben nicht gestochen, egal wie oft wir sie getestet haben.“

Eigentlich hatten die Neurobiologen erwartet, dass die Bienen eine Art von durchschnittlichem Verhalten zeigen würden. Stattdessen fanden sie Bienen, die fast immer stechen und andere, die fast nie oder nie stechen. Das Fazit der Forschenden: Der Stech-Durchschnitt, den eine Bienenpopulation erreicht, kommt also ganz auf die Zusammensetzung dieser individuell unterschiedlichen Bienen an. 

Eine Biene sitzt auf eine Blume. Ihre Persönlichkeit beeinflusst ihr Stechen bzw. Stechverhalten stärker als äußere Einflüsse.
Auch im Experiment blieb die Individualpersönlichkeit dominant: Eine aggressive Biene änderte ihr Stechverhalten nicht, als sie in eine Gruppe friedlicher Artgenossen gesetzt wurde.

Persönlichkeit steht vor Schwarmanpassung

Die jeweilige Persönlichkeit hat also mehr Einfluss als der Drang zur Anpassung im Schwarm. Dies bestätigt ein weiteres Experiment, bei dem eine aggressive Biene in eine Gruppe von defensiv freundlichen Artgenossen gesteckt wurde, um zu schauen, ob sie sich in ihrem Stechverhalten anpassen würde.

Doch selbst die Gruppe der netten Bienen hatte keinen Einfluss auf das Stechverhalten. Die Bienen behielten ihre individuellen Stechvorlieben - egal in welches Gruppensetting sie gesetzt wurden.  

Ein Schwarm Bienen fliegt durch die Luft. Die Erklärung, für das unterschiedliche Stechverhalten könnte auch beim autonomen Fahren von Nutzen sein.
Bienenverhaltensforschung als Modell: Die Erforschung individueller Persönlichkeiten im Bienenschwarm könnte wichtige Impulse für moderne Anwendungen wie das autonome Fahren liefern.

Bienenforschung lässt Rückschlüsse zu für Regelungen des autonomen Fahrens 

Doch wie funktioniert ein Schwarm von 50.000 Bienen trotz der individuellen Ausprägung seiner einzelnen Individuen zum Beispiel in Hinsicht auf ihr Verteidigungsverhalten? Genau diese Frage macht Bienen zum spannenden Forschungsobjekt. Und macht die Ergebnisse auch für andere Bereiche interessant.

Neurobiologe Giovanni Galizia sieht zum Beispiel Anwendung in der Frage, wie wollen wir die Arbeit in unserer Gesellschaft verteilen oder ganz konkret: Wie kann man Verkehr regulieren beim autonomen Fahren? Wieviel muss ein Auto wissen von allen anderen Autos, die da drumherum fahren und wieviel Individualität dürfen wir den einzelnen Autos zugestehen?  So kann Grundlagenforschung an Bienen für die Anwendung in anderen Forschungsbereichen durchaus wichtig sein. 

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