Gemeinsam mit den Stadtstaaten Bremen und Hamburg belegt Baden-Württemberg die Spitzenplätze. Der jetzt vorgestellte Barmer Morbitäts- und Sozialatlas gibt einen Überblick über die Belastung durch bestimmte Krankheiten in bestimmten Alters- und Berufsgruppen, aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Landkreisen.
Große regionale Unterschiede
Wie häufig eine bestimmte Krankheit in Deutschland vorkommt, ist demnach je nach Bundesland sehr unterschiedlich. Herzkrankheiten kommen zum Beispiel in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt beinahe eineinhalbmal so häufig vor, wie im Bundesdurchschnitt. In Baden-Württemberg dagegen sind es 15 Prozent weniger und in Hamburg sogar 25 Prozent weniger.
Beispielsweise lässt sich zeigen, dass der Anteil der Herzkranken in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt um bis zu 40 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt. Die gesündesten Herzen dagegen finden wir wiederum in Hamburg, in Bremen, in Baden-Württemberg, aber auch in Bayern.
In Baden-Württemberg sind Herzkrankheiten im Landkreis Tübingen am seltensten und im Neckar-Odenwald-Kreis am häufigsten. Dagegen ist der Missbrauch von Alkohol und Drogen im Landkreis Freudenstadt am höchsten und im Ostalbkreis am niedrigsten. Herzerkrankungen sind bei jungen Menschen relativ selten, steigen dann bei über 65-Jährigen.

Daten dienen auch der besseren Versorgung von Patientinnen und Patienten
Der Morbiditäts- und Sozialatlas des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung schafft nach der Einschätzung von Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER, eine ganz wichtige Basis, um das Gesundheitswesen und die Krankheitslast besser verstehen zu können und damit die Versorgung von Patientinnen und Patienten verbessern zu können.
Versorgungslücken oder Defizite werden, so Straub, durch diese Daten transparent und können dabei helfen, das Gesundheitswesen nach vorne zu entwickeln. Mit dem Atlas könne man zum ersten Mal bundesweit auf der Basis von anonymisierten Versicherten-Daten die Krankheitslast in der Bevölkerung abbilden.
Letztendlich beantwortet der Gesundheits- und Sozialatlas, wie gesund oder wie krank die Bevölkerung in Deutschland ist. Diese Daten lassen sich in interaktiven Grafiken recherchieren.

Haushaltseinkommen und Bildung beeinflussen Gesundheit
Die Morbidität hängt auch vom Einkommen ab. Die höchste Morbidität gibt es bei der Gruppe der Sozialhilfeempfänger, die niedrigsten bei den Studierenden, dicht gefolgt von den Auszubildenden. Aber sie ist auch klar bildungsabhängig. So lässt sich an den Daten ablesen, dass bei Menschen ohne Schulabschluss die Morbidität mehr als doppelt so hoch ist, wie mit Abitur oder Fachabitur.
Aus epidemiologischen Studien wissen wir, dass der soziale Status der Menschen starken Einfluss auf Gesundheit und Lebenserwartung hat.
Studie dient als Grundlage für betriebliche Gesundheitsprogramme
Erfasst werden in der Studie auch die jeweiligen Berufsgruppen. So kann man beispielsweise recherchieren, dass in keiner Branche eine größere Krankheitslast an Kopfschmerzen oder Migräne zu sehen ist als im Gesundheits- und Sozialwesen.
Diese Erkenntnisse, so Straub, dienen als Basis, um passgenaue Angebote für das betriebliche Gesundheitsmanagement zu entwickeln. Und diese beziehen sich nicht nur auf Faktoren wie Ernährung oder Bewegung, Kraft, Beweglichkeit, Koordination. Immer wichtiger werden dabei, so Straub, auch Entspannungstechniken. Das zielgerichtete Training könne dabei helfen, Stress zu reduzieren und damit auch die Krankheitslast an Kopfschmerzen und Migräne.

Stessabbau als wichtiger Faktor der Gesundheitsvorsorge
Bei Frauen ist der Anteil der von Migränekopfschmerz Betroffenen dreimal höher als bei Männern und nimmt die Zahl mit zunehmendem Alter zu, hat ihren Höhepunkt in der Altersgruppe der 50 bis 59-jährigen Frauen und nimmt dann sukzessive wieder ab. Das dürfte nach Einschätzung von Christoph Straub mit der Belastung im Berufsleben zu tun haben, auch in der Familienphase mit Kindern. Die Stressoren würden eben zu mehr Kopfschmerz und mehr Migräne führen.

Die Corona-Pandemie habe gezeigt, so Straub, wie wichtig es sei, genügend Daten zu haben. So würden wir „zwar sehr viele Ressourcen im Gesundheitswesen einsetzen, aber ziemlich wenig darüber wissen, ob es einen guten Match gibt zwischen eingesetzter Ressource und Krankheitslast. Um das aufzulösen, brauchen wir mehr Daten.“