Risse, die im Beton über Jahre hinweg entstehen, können gefährlich werden, wenn Häuser drohen einzustürzen. (Foto: IMAGO, IMAGO / YAY Images)

Mikrobiologie

Bakterien zur Betonsanierung

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Hellmuth Nordwig (Foto: Hellmuth Nordwig)
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Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Bauwerke korrodieren mit der Zeit, bekommen Risse und können zur Gefahr werden. Forschende wollen nun unter anderem Bakterien züchten, die die Risse im Beton sanieren können.

Bakterien spachteln Risse zu

Brücken, Parkdecks oder Hochhäuser – sie alle sind aus Stahlbeton. Viele dieser Bauwerke kommen in die Jahre und müssen für viele Milliarden saniert oder gleich neu gebaut werden. Denn mit der Zeit bekommt der Beton Risse, Wasser dringt ein und der Stahl, der alles zusammenhält, kann korrodieren.

Im Extremfall stürzt ein Gebäude sogar ein wie jüngst in Florida. Wie praktisch wäre es da, wenn Risse im Beton von selbst heilen könnten. Forschende in München arbeiten schon länger an den unterschiedlichsten Rezepten dafür - und wollen dafür beispielsweise Bakterien nutzen.

Neubau der Autobahnbrücke Neuenkamp über den Rhein.  (Foto: IMAGO, IMAGO / Jochen Tack)
Parallel zur bereits existierenden Autobahnbrücke Neuenkamp wird eine neue gebaut. Auch hier wird Stahlbeton verwendet.

Ungewöhnliche Sanierungs-Methoden gab es schon früher

Schon die Chinesische Mauer ist aus einer Art Beton erbaut worden und bereits den Maurern von damals war klar: Risse im Beton sind unausweichlich. Auch damals wurden schon ungewöhnliche Baumethoden angewandt.

So nutzten die Erbauer Reis, welchen sie in den Mörtel mit hineingekippt hatten. Dieser hielt die Feuchtigkeit und gab sie nach und nach über die Jahre hinweg frei. Somit verschlossen sich die Risse automatisch, quasi eine Sanierungs-Selbstheilung, ein Grund für die lange Beständigkeit der Mauer.

Beim Bau der Chinesischen Mauern wurde Reis in das betonartige Baumaterial gemischt, damit sich Risse über Jahre hinweg automatisch reparieren und sanieren. (Foto: IMAGO, IMAGO / agefotostock)
Schon beim Bau der Chinesischen Mauern wurde Reis in das betonartige Baumaterial gemischt, damit sich eventuelle Risse über Jahre hinweg automatisch reparieren.

Mit Epoxidharz Risse sanieren

Heutzutage jedoch sind die Risse in den Bauwerken oft größer als dass die Reiskörner helfen könnten. Auch entsprechen sie nicht mehr den heutigen Baunormen. Christian Große, Professor am Centrum für Baustoffe der TU München, forscht jedoch an einer ähnlichen Methode.

Dabei würden in Betonalken mehrere Kapseln einbetoniert, welche Epoxidharz enthalten. Beim Aufbrechen des Betonkörpers zerbrechen auch die Epoxidharz-Röhrchen. Das Epoxid tritt somit aus und verschließt daraufhin die Risse, also auch eine Art der automatischen Sanierung.

Bakterien nutzen zur Betonsanierung

Frédéric Lapierre, seines Zeichens Bioverfahrenstechnicker an der Hochschule München, verfolgt einen weiteren Ansatz: Bakterien sollen den Beton kitten. Und zwar spezielle Einzeller, die in der Lage sind, Kalk zu bilden. Diese finde man laut Lapierre überall auf der Welt im Boden. Man komme sogar täglich mit ihnen in Kontakt und sie seien völlig ungefährlich, aber dafür umso nützlicher – wenn denn richtig kultiviert.

Kalkbildende Bakterien werden bereits bei Restaurationen eingesetzt und sollen auch für die automatische Sanierung von Rissen gezüchtet werden. (Foto: IMAGO, IMAGO / Independent Photo Agency Int.)
Kalkbildende Bakterien werden bereits bei Restaurationen eingesetzt und sollen auch für die automatische Sanierung von Rissen gezüchtet werden.

In einer Nährlösung lässt man die Einzeller wachsen und versorgt diese stets mit Nährstoffen. Hier können die Bakterien ein Enzym nutzen, welches hilft, Harnstoff zu spalten. Mit dem Zusatz von Kalzium kann daraus Kalk gebildet werden.

Die Bauingenieurin Brigitte Nagy an der Hochschule München hat damit schon erste Ergebnisse erzielt. Denn dieser Kalk konnte sich bereits auf realem Beton ablagern. Offen ist jedoch noch, ob der Beton dann auch ausreichend fest wird, um beispielsweise eine Brücke weitere Jahre nutzen zu können.

Noch einige offene Fragen

Auch praktische Aspekte sind weiterhin offen: Muss die Bakterienkultur und die Harnstoff-Kalzium-Lösung separat auf den Beton aufgetragen werden? Oder kann man ähnlich einem Zweikomponentenkleber die Komponenten zu Pasten verarbeiten und vor Ort anmischen?

Ein Handwerker spachtelt eine Mauer mit Rissen und Unebenheiten zu (Foto: IMAGO, Panthermedia)
Mit einem Spachtel kann die Spachtelmasse aufgetragen, verteilt und glattgestrichen werden. So ist es möglich, Risse zu beseitigen.

Zurzeit werden Risse im Beton noch meist von Hand mit Epoxidharz ausgespachtelt. Einbetonierte Epoxid-Kügelchen wären daher schon einmal ein Fortschritt in Richtung automatische Sanierung. Und im nächsten Zug kommen dann vielleicht die kalkbildenden Mikroorganismen – statt der Reiskörner wie vor hunderten von Jahren in China.