Ein guter Schulleiter braucht viel Humor (Foto: IMAGO, imago images / MiS)

ARD Themenwoche Bildung

Schulrektor werden, nein Danke

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Michael Gomolzig
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Anja Braun

Allein in Baden-Württemberg fehlen rund 200 Schulleiterinnen oder Schulleiter. Doch warum finden sich kaum noch Interessenten für den Rektorenjob?

Ein Schulleiter hat viele Aufgaben: er ist ein Manager, der eine Schule zu leiten hat, er muss daneben unterrichten und er ist als Rektor Prellbock gegenüber den Schülern, gegenüber seinem Kollegium, gegenüber der Schulaufsicht und natürlich auch gegenüber den Eltern, die ihren Frust über Unterrichtsausfälle, über schlechten Unterricht und schlechte Noten auf ihn laden. Letztlich muss er zwischen allen Beteiligten vermitteln, damit alle zufrieden sind. So beschreibt Michael Gomolzig den Job als Rektor, den er seit 26 Jahren inne hat:

Michael Gomolzig in seinem Rektorat in der Grundschule Geradstetten.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Michael Gomolzig in seinem Rektorat in der Grundschule Geradstetten.

Ich glaube, heute würde ich mich nicht mehr auf diese Stelle bewerben. Denn die eigentliche Aufgabe eines Schulleiters, eine Schule zu leiten, wird durch viele, viele Dinge erschwert, zum Teil sogar unmöglich gemacht.

Die Folge: Es finden sich immer weniger Bewerber oder Bewerberinnen für den Job der Schulleitung. So bleiben viele Schulen in Deutschland eine ganze Zeit lang ohne Rektor oder Rektorin.

Michael Gomolzig ist auch Pressesprecher des Verbands Bildung und Erziehung Baden Württemberg. Er dröselt auf, warum die Position als Rektor so unbeliebt ist:

  • Da ist die Verpflichtung weiter zu unterrichten. Das ist sinnvoll, denn ein Schulleiter muss Pädagoge sein und muss pädagogisch wirken können. Er braucht dazu die eigene Erfahrung aus dem Unterricht.
Rektorinnen müssen neben ihren Verwaltungsarbeiten immer auch noch unterrichten. Viele klagen, dass ihnen die Zeit nicht reicht.  (Foto: IMAGO, Imago images / Sven Simon)
Rektorinnen müssen neben ihren Verwaltungsarbeiten immer auch noch unterrichten. Viele klagen, dass ihnen die Zeit nicht reicht.
  • Die Verwaltungsaufgaben werden immer umfangreicher: es gibt eine Unzahl von Statistiken, die ausgefüllt werden müssen, Anfragen müssen beantwortet werden - darunter auch Landtagsanfragen.
  • Gleichzeitig ist die Möglichkeit, Leitungszeit anzurechnen geringer geworden.
  • Die Zusatz-Vergütung für den Rektorenjob ist nicht besonders hoch. Sie ist gestaffelt nach Schulart und Schulgröße: Wenn man eine Grundschule leitet mit einer geringen Schülerzahl, dann bekommt die Rektorin oder der Rektor eine Zulage von 175 Euro monatlich brutto.
Schulleiterinnen müssen neben Unterricht und Verwaltungsaufgaben auch Präsenz zeigen und bei Veranstaltungen der Kommune die Schule repräsentieren.  (Foto: IMAGO, imago images / HRSchulz)
Schulleiterinnen müssen neben Unterricht und Verwaltungsaufgaben auch Präsenz zeigen und bei Veranstaltungen der Kommune die Schule repräsentieren.

Wenn ich mir dann überlege, welchen zusätzlichen Stundenaufwand ich habe: Ich muss ja als Rektor in der Gemeinde präsent sein, bei Vereinen präsent seien, Veranstaltungen besuchen, dann drückt das meinen Stundenlohn ganz gewaltig.

Der Rektor einer größeren Schule verdient etwas mehr. Aber es ist in der Regel eine minimale Differenz zum Gehalt als normaler Lehrer. Das wiegt den Mehraufwand in den Augen der Interessenten oft nicht auf.

Selbst Gymnasien, die ihren Rektoren das höchste Gehalt bieten können, haben heutzutage oft nur einen Bewerber. Da ist die Schulverwaltung froh, wenn sich überhaupt jemand findet, berichtet Gomolzig.

Das ist eigentlich nicht im Sinne der Gesellschaft sein. Die Tendenz ist nicht zu übersehen, dass es immer mehr Menschen gibt, die halt mit nicht so tollen Bewertungen Schulleiter werden.

Insgesamt sind in Baden-Württemberg etwa 200 Schulleiterstellen unbesetzt. Die meisten offenen Stellen gibt es im Grundschulbereich. Das hat nach Meinung von Gomolzig vor allem mit der Besoldung und der geringen Leitungszeit zu tun.

Schulleiter an kleineren Schulen müssen auch Hausmeistertätigkeiten ausführen. Zum Beispiel kaputte Duschen inspizieren oder Glühbirnen auswechseln.   (Foto: IMAGO, Imago images / Sven Ellger)
Schulleiter an kleineren Schulen müssen auch Hausmeistertätigkeiten ausführen. Zum Beispiel kaputte Duschen inspizieren oder Glühbirnen auswechseln.

Wenn ich als Schulleiter eine kleine Grundschule leite, dann habe ich ganz wenig Leitungszeit, muss selber sehr viel unterrichten und habe häufig auch keinen Hausmeister und keine Sekretärin. Ich bin also ständig am Telefon, muss die Glühlampen auswechseln, wenn irgendwo etwas defekt ist und bin praktisch Mädchen für alles, kriege aber eine hundsmiserable Zulage dafür, dass ich wesentlich mehr arbeiten muss und vor allem mehr Verantwortung habe.

Abhilfe sei möglich, findet Gomolzig. Wenn die Politik den Lohn für Schulleiter anheben und die Leitungszeit aufstocken würde. Ganz wichtig sei aber auch, dass die Arbeit eines Schulleiters mehr gesellschaftliche Anerkennung erfahre. Schließlich haben Schulen heute deutlich mehr Aufgaben als früher.

Die Erziehungskraft von vielen Elternhäusern lässt nach und die Schule muss heute auch ganz viel erziehen, wo sie früher nur für die Bildung zuständig war.

Dadurch sind Lehrer und Schulleitungen stark gefordert. Wenn sie diese Arbeit gut leisten, dann sollten sie dafür auch Respekt und Anerkennung erfahren. Viele Eltern sehen das heute nicht mehr so, bedauert Gomolzig. Für sie ist der Schulleiter nur noch der Buhmann.

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