Blauer Planet im Hitzestress

Klimawandel verändert die Farbe der Ozeane

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Thomas Samboll
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Über Zweidrittel der Erde sind mit Wasser bedeckt. Man nennt sie deshalb auch den „Blauen Planeten“. In Zukunft könnte sich an der vertrauten Farbe aber durchaus etwas ändern, sagen US-amerikanische Wissenschaftler. In einigen Bereichen könnte das tiefe Blau der Ozeane demnach noch weiter zunehmen. Andere Regionen würden dagegen mehr und mehr grünlich erscheinen. Grund dafür sei der Klimawandel, so die Forscher des Massachusetts Institute of Technology, kurz MIT.

Vom Weltraum aus gesehen, scheint die Sache ganz klar zu sein: Die riesigen Ozeane machen unsere Erde zum „Blauen Planeten“. Obwohl Wasser an sich gar nicht blau ist. Vereinfacht gesagt „verschluckt“ es aber einen Großteil der Farben des Sonnenlichts. Blaues Licht wird dagegen vom Ozean besonders stark reflektiert und von der Ozean-Oberfläche wieder zurückgeworfen ins All, erklärt Ulf Riebesell vom Meeresforschungsinstitut GEOMAR in Kiel: Darum erscheine uns der Ozean oder gar der ganze Planet blau.

Phytoplankton beeinflusst Farbe der Meere

Doch der Eindruck täuscht. Je mehr man sich nämlich vom Weltraum aus der Meeresoberfläche nähert, desto deutlicher werden die vielen feinen Farbunterschiede im Wasser. In der Regel reichen sie von tiefblau bis hin zu unterschiedlichen Grüntönen. Dahinter steckt das sogenannte Phytoplankton – winzige Organismen wie z.B. Grünalgen, die nahe der Oberfläche schwimmen und dort die Farbe des Wassers verändern.

Dazu gehören aber auch Kiesel- und bestimmte Kalk-Algen, die für braune bzw. weiße Farbtupfer in den Meeren sorgen können. Für das Leben dort ist das Phytoplankton von entscheidender Bedeutung, weil es die Grundlage des Nahrungsnetzes im Ozean bildet, so der Meeresbiologe Ulf Riebesell. Phytoplankton sind einzellige, winzige Organismen, die das Futter für die gesamte Nahrungskette im Ozean bilden.

Klimawandel beeinflusst Wachstum von Phytoplankton

Die feinen Farbunterschiede in den Ozeanen sind also auch ein Hinweis darauf, wieviel Phytoplankton in bestimmten Meeresregionen herumschwimmt oder schlichtweg: Wieviel es dort zu futtern gibt! Das tiefblaue Meer, dessen Anblick viele so lieben, ist demnach ökologisch gesehen eher eine ozeanische Wüste. Möglicherweise werden die Farben der Ozeane in Zukunft sogar noch intensiver, das blau also noch blauer und z.B. das grün noch grüner.

Grund ist der Klimawandel, so Ulf Riebesell. Er könnte das Phytoplankton-Wachstum massiv beeinflussen. Das könnte nach Einschätzung des Meeresbiologen Ulf Riebesell, dazu führen, dass mit den veränderten Wachstumsbedingungen auch andere Arten in der Zukunft dominieren werden. Das wird sich auch ein wenig auf die Farbe des Ozeans auswirken. Das bestätigt auch der Biologe Dieter Hanelt von der Universität Hamburg:

Immer, wenn es zu einer Änderung des Phytoplanktons und ihrer Zusammensetzung kommt, wird sich auch die Farbe verändern.

Klimawandel wirkt nicht überall gleich

Die Temperatur des Wassers, sein CO2-Gehalt, die Nährstoffmenge – all das ist wichtig für das Algenwachstum. Durch den Klimawandel steigen Wassertemperatur und CO2-Gehalt, und die Nährstoffzufuhr aus den kalten Tiefen der Ozeane nimmt tendenziell ab. Manche Mini-Algen-Arten profitieren davon, andere nicht. Je nach Region werden die Lebensbedingungen für das Phytoplankton also besser oder schlechter, erklärt Dieter Hanelt:
Bei über 35 Grad, so Hanelt, fühlen sich auch die meisten Algen nicht mehr wohl und kommen unter Wärmstress. Das betrifft vor allem tropische Gebiete. In den Polargebieten werden bei wärmeren Temperaturen dagegen verstärkt Algenblüten auftreten.

Ozeane in kälteren Breiten verändern Farbe stärker

Bis zum Ende dieses Jahrhunderts werden so mehr als 50 Prozent der Welt-Ozeane ihre Farbe ändern, haben die Wissenschaftler des MIT in ihrer Studie herausgefunden. Dieter Hanelt vermutet, dass sich das am ehesten in den Polar-Ozeanen, in den Polargebieten und in den kaltgemäßigten Breiten am beobachten lässt, weil dort durch den erhöhten CO2-Eintrag das Algenwachstum am stärksten gefördert werden wird.

In Kombination mit den höheren Wassertemperaturen wird das Meer dort also möglicherweise algenreicher und damit dann z.B. auch deutlich grüner erscheinen. Auch tropische Regionen mit kalten, nährstoff-reichen Meeresströmungen, in denen das Phytoplankton gut gedeihen kann, könnten vom Klimawandel profitieren und dann eine andere Wasserfarbe bekommen.

In manchen Regionen verfärben sich Meere weiß oder braun

Mengenmäßig könnten Kieselalgen und bestimmte kalkhaltige Algen besonders zunehmen, so Dieter Hanelt, was zusätzlich zu einer stärkeren Braun- bzw. Weißfärbung der Meere führen könnte. Die warmen Ozeane in den Tropen und Subtropen werden dagegen wohl eher noch blauer als bisher, weil die Phytoplanktonmenge nach den Modellrechnungen der Wissenschaftler dort weiter abnimmt. Ulf Riebesell vom GEOMAR in Kiel:
Dort, wo wir heute schon geringe Produktivität haben, also wenig Algenwachstum, wird es de facto so sein, dass all die Organismen, die sich davon ernähren, dann natürlich weniger Futter haben. Und damit kommt auch am Ende der Nahrungskette, bei den Fischen, bei den Säugern usw. weniger Nahrung an. Diese Entwicklung wird in allen Modellen, die wir heute haben, genauso vorhergesagt.

Mit ihren neuentwickelten Simulationen und aufwändigen Messungen in bestimmten Spektralbereichen des Lichts können die MIT-Forscher nun sehr genau unterscheiden, welche Farbänderung in den Ozeanen wirklich ein Signal für den Klimawandel ist – und welche auf natürlichen Schwankungen z.B. durch Wetterphänomene wie „El Nino“ oder „La Nina“ zurückzuführen sind. Ohne spezielle High-Tech-Kameras kann man dagegen vermutlich gar nichts sehen, meint Meeresbiologe Ulf Riebesell. Mit dem bloßen Auge betrachtet wird der „blaue Planet“ deshalb wohl auch weiterhin ein blauer Planet bleiben…:
Das kann man sich auch gut vorstellen wie so eine stark beweidete Wiese: Also das Phytoplankton, was wächst, wird genauso schnell, wie es wächst, wieder gefressen. Das heißt, ich muss schon sehr genau hinschauen, um da Änderungen zu sehen!

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Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)