Internet aus dem All

Netz für alle durch Satellitenschwarm?

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Uwe Gradwohl
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Ralf Kölbel

Einige Unternehmen planen, ein Netz von Satelliten in die Erdumlaufbahn zu schicken. Damit wollen sie bald weltweit eine schnelle Internetverbindung ermöglichen. Das Unternehmen OneWeb startete bereits im Februar. Jetzt schickt auch SpaceX seine Mission Starlink ins All.

Internet aus dem Weltall ist eine technische Idee, die in den kommenden Jahren gleich in mehreren Projekten realisiert werden könnte. Eines davon betreibt der amerikanische Unternehmer Elon Musk, der nicht nur Unternehmen wie den Bezahldienst PayPal und den Autohersteller Tesla gründete, sondern auch im Besitz einer eigenen Raumfahrtfirma ist - mit Namen SpaceX.

Satellitenschwemme im erdnahen Weltall

SpaceX produziert unter anderem die Falcon-Raketen und eine Rakete dieses Typs soll nun auf einen Schlag 60 Satelliten ins All befördern, jeder ca. 400 Kilogramm schwer. Die Satelliten sind ein erster Test für den Aufbau eines ganzen Satellitenschwarms mit dem Namen Starlink, der ab dem Jahr 2025 um die Erde kreisen soll. Sagenhafte 12.000 Satelliten sollen diesen Schwarm im All bilden. Zum Vergleich: Augenblicklich befinden sich ca. 4500 Satelliten auf Erdumlaufbahnen, ungefähr 1800 davon sind noch aktiv, der Rest Weltraummüll.

Der von SpaceX geplanten Satellitenschwemme im erdnahen Weltall liegt ein knallhart kalkuliertes Geschäftsmodell und eine physikalische Überlegung zugrunde. Zunächst zur Physik: In Glasfaserkabeln werden Daten zwar mit Hilfe von Lichtstrahlen übertragen, das Licht breitet sich aber in Glas keineswegs so schnell aus, wie man das vermuten würde. Statt der im Vakuum möglichen 300.000 Kilometer pro Sekunde erreicht Licht in der Glasfaser gerade mal 70 % dieser Geschwindigkeit.

Tiefseekabel umspannen den Globus. Satelliten sind aber besser geeignet, um alle Winkel der Erde mit Internet zu versorgen (Foto: picture-alliance / Reportdienste, TE SubCom/Arctic Cable Company -)
Wie Lebensadern unter Wasser umspannen Tiefseekabel den ganzen Globus. Doch um auch in den entlegensten Winkeln der Erde schnelles Internet anbieten zu können, sind Satelliten vielleicht die bessere Alternative.

Erdnahes flächendeckendes Satellitennetz verringert Signallaufzeit

An diesem Punkt sehen die Planer von Satelliten-Megakonstellationen wie Starlink ihre Geschäftschance und drängen in den Markt. Sie wollen Hunderte bis Tausende Satelliten auf erdnahe Umlaufbahnen schicken. Erdnah heißt: um die 1.000 Kilometer hoch. In dieser Höhe ist der Signalempfang an der Erdoberfläche mit speziellen Geräten möglich und die Signallaufzeiten sind kürzer als in den Unterseekabeln, die derzeit die Kontinente miteinander verbinden.

Nützlich wäre das beispielsweise für den globalen Börsenhandel, der schnellstmöglich, mit nur Millisekunden Verzögerung, seine Daten um den Erdball schicken möchte. Oder auch für die möglichst verzögerungsarme Fernsteuerung von Fahrzeugen und Maschinen via Internet.

Abgelegene Weltregionen könnten via Satellit Internetzugang erhalten

Aber da ist noch eine weitere, weniger kommerzielle Begründung für den Aufbau der Mega-Satellitennetze: In manchen Weltregionen haben die Bewohner bisher mangels erdgestützter Infrastruktur keine Chance, einen Internetanschluss zu bekommen. Das hemmt die Entwicklung dieser Gegenden und führt zu einer Spaltung der Weltregionen in "wohlhabend und im Web drin" einerseits und "arm und ohne Web-Zugang" andererseits. Der US-amerikanische Unternehmer Greg Wyler will diese Kluft überwinden. Dazu gründete er die OneWeb-Initiative. Ihr Ziel: Internet für alle Weltregionen per Satellit. Mit über 600 Satelliten sollen erste Dienste ab dem Jahr 2022 möglich sein. Die ersten sechs Exemplare wurden Ende Februar 2019 an der Spitze einer Sojus-Rakete ins All geflogen.

Mehrere OneWeb-Satelliten vor der Verladung. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance / Reportdienste -)
Mehrere OneWeb-Satelliten vor der Verladung.

Satelliten-Massenstarts sparen Geld

Da jeder Raketenstart heftig ins Geld geht, müssen die Satelliten relativ klein und leicht gebaut werden, um möglichst viele davon auf eine Rakete packen zu können. Eine Sojus-Rakete sollte so auf einen Schlag bis zu 40 OneWeb-Satelliten ins All befördern können, eine Falcon-9-Rakete bis zu 60 Starlink-Satelliten. Erst durch diese Massenstarts werden die Projekte überhaupt finanzierbar.

Ein Konstruktionsfehler könnte Hunderte Satelliten zerstören

Der Nachteil der Massenproduktion: Ein Konstruktionsfehler betrifft gleich Hunderte Satellitenexemplare. Stellt sich beispielsweise erst beim Betrieb im All heraus, dass sich im Innern der Satellitenbatterie unter Weltallbedingungen Gasblasen bilden, kann man nur noch zuschauen, wie der Gasdruck die Batteriezellen zum Platzen bringt und einen Satelliten nach dem anderen zerstört. Solch ein Szenario erlebt die US-Umweltbehörde gerade mit einer ihrer älteren Satellitenchargen.

Mit Laufzeitende werden Satelliten zu Weltraumschrott

Und damit sind wir beim Problem Weltraumschrott: 12.000 Starlink-Satelliten, 600 OneWeb-Satelliten und hunderte weitere Exemplare anderer Schwarmprojekte stellen nach Ende ihrer Betriebszeit eine Gefahr für noch in Betrieb befindliche Satelliten, Raumschiffe und Raumstationen, mit denen sie kollidieren könnten.

Das wollen die verantwortlichen Ingenieure vermeiden, indem sie die Websatelliten am Ende ihrer Nutzungszeit entweder direkt in die Erdatmosphäre lenken und dort als künstliche Sternschnuppen verglühen lassen oder auf „Friedhofsbahnen“ lenken, wo sie keine Gefahr für andere Objekte im All darstellen.

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