Die Corona-Impfstoffe wurden in Rekordzeit entwickelt. Die mRNA-Techologie, die beispielsweise bei den Impfstoffen von Biontech und Moderna zum Einsatz kommt, gibt es schon seit Jahrzehnten. (Foto: IMAGO, imago images/Klaus W. Schmidt)

Medizin

Angst vor Corona-Impfung – Argumente aus wissenschaftlicher Sicht

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Veronika Simon
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Ralf Kölbel

Rund um die Impfung gibt es noch viele Unsicherheiten, einige haben mehr Angst vor der Impfung als vor der Covid-Infektion. Wir beantworten einige der Sorgen und Fragen aus wissenschaftlicher Sicht.

„Besonders gefährdet sind sehr alte Menschen“ – viele Menschen haben keine Angst, weil sie nicht zu einer Risikogruppe gehören. So auch die Krankenpflegerin Annette Runck, wie sie im SWR Interview erzählt.

Haben jüngere Menschen kein Risiko, schwer zu erkranken?

Es stimmt: Das Risiko schwer an Covid zu erkranken steigt mit dem Alter. Aber auch unter 80-Jährige können schwer an Covid erkranken – vor allem wenn sie nicht geimpft sind. Ein aktueller Blick auf die Intensivstationen zeigt: Mehr als die Hälfte der Covid-Patienten dort sind zwischen 50 und 70 Jahre alt (Stand 25.01.22).

Wenn sich jemand in diesem Alter mit Covid infiziert, heißt das nicht automatisch, dass er oder sie schwer krank wird - aber es ist auch nicht ausgeschlossen. Die Risiken einer Corona-Impfung sind da deutlich geringer. Hinzu kommt: Auch Menschen, die nur leicht an Covid erkranken können Long Covid entwickeln, also noch Monate nach der Infektion Beschwerden haben.

Fieber, Kopfschmerzen oder vielleicht auch Schüttelfrost gelten in der Regel noch als normale Impfnebenwirkungen. In seltenen Fällen kann es auch zu ersteren Komplikationen kommen. Aber die Risiken einer Corona-Infektion sind in der Regel deutlich größer. (Foto: IMAGO, imago images/photothek)
Fieber, Kopfschmerzen oder vielleicht auch Schüttelfrost gelten in der Regel noch als normale Impfnebenwirkungen. In seltenen Fällen kann es auch zu ersteren Komplikationen kommen. Aber die Risiken einer Corona-Infektion sind in der Regel deutlich größer.

Die Impfstoffe kamen extrem schnell auf den Markt. Können sie da überhaupt sicher sein?

Es stimmt: Die Impfstoffentwicklung ging wahnsinnig schnell! Das lag auch daran, dass die verschiedenen Phasen der Zulassungsstudien zum Teil parallel durchgeführt wurden. Sie wurden nicht ausgelassen oder mit weniger Testpersonen durchgeführt, sondern in einem strafferen Zeitplan.

Eine weitere Sorge ist, dass die verwendete Technologie so neu ist. Wichtig ist aber: Die Forscherinnen und Forscher haben nicht erst mit der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen angefangen, als Corona vor der Tür stand. 2020 hatten sie schon jahrzehntelang an dem medizinischen Einsatz von mRNA geforscht und klinische Erfahrungen gesammelt. Die Technik lag also schon parat, sie wurde mit dem Corona-Impfstoff nur das erste Mal angewendet.

Was ist denn mit Nebenwirkungen, die erst nach Jahren auftreten?

Da kann man tatsächlich beruhigen: Bei allen Impfungen, die wir seit über 200 Jahren kennen, ist das noch nie vorgekommen. Es gab noch nie Nebenwirkungen, die erst lange nach der Impfung aufgetreten sind. Und das ist auch nicht bei den neu-entwickelten mRNA-Impfstoffe zu erwarten. Aus einem einfachen Grund:

Der Körper reagiert direkt auf den Impfstoff, das Immunsystem wird angeschmissen. Wenn schwere Nebenwirkungen wie Herzmuskelentzündungen oder Thrombosen auftreten, dann sind das Folgen auf diese Immunreaktion, die schief gegangen sind. Dabei kommt es auch nicht darauf an, was für ein Impfstoff-Typ verwendet wurde.

Denn egal, ob mRNA-, Vektor- oder Impfstoffe, die abgeschwächte Viren enthalten: Alle zeigen dem Körper im Endeffekt das gleiche - im Fall von Corona ein Spike-Protein, dass der Körper für einen Eindringling hält und auf das er reagiert.

Möglich ist allerdings, dass man erst später versteht, dass Beschwerden etwas mit der Impfung zu tun hatten. Da ist ein Beispiel die Schlafkrankheit nach der Schweinegrippeimpfung. Hier hat man erst im Nachhinein erkannt, dass die Erkrankung eine Folge der Impfung ist. Die betroffenen Menschen haben die Schlafkrankheit aber nicht erst Jahre später entwickelt - die ersten Symptome zeigten sich bereits kurz nach der Impfung. Da diese Impffolge aber nur sehr selten auftrat und der Impfstoff nicht an so vielen Menschen getestet wurde, ist das erst später aufgefallen.

Das ist auch der große Unterschied zur Corona-Impfung: Diese wurde mittlerweile milliardenfach verabreicht und die Folgen wurden sehr genau untersucht. So sind ja auch sehr seltene Nebenwirkungen wie Thrombosen oder Herzmuskelentzündungen aufgefallen. Dass da noch etwas gravierendes auftritt, das bisher übersehen wurde, ist statistisch gesehen unwahrscheinlich.

Bleibt natürlich die Frage, ob die mRNA an sich etwas im Körper anstellt. Hier gibt es den Vorteil, dass an mRNA schon sehr lange geforscht wird. Schon lange vor den mRNA-Impfstoffen wurden mRNA-Krebsmedikamente in klinischen Studien erprobt. Man hat also schon früher Erfahrungen gesammelt und konnte sicher sein, dass die mRNA an sich kein Problem für den Körper darstellt. Das ist auch nicht überraschend: Denn mRNA ist erstmal ein normaler Bestandteil des Körpers, wir produzieren sie selbst die ganze Zeit in jeder Zellen. Und durch jahrzehntelange Forschung konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Wege finden, wie man die fremde mRNA aus der Impfung sicher in die Zellen bringen kann. Auf dieses Wissen konnte man zu Beginn der Impfstoffentwicklung gegen Covid zurückgreifen.

Dazu kommt, dass mRNA im Körper schnell abgebaut wird– das passiert ganz automatisch, einfach weil der Körper die ganze Zeit auch seine eigene mRNA abbaut, das ist ein natürlicher Prozess. Da wird die Impfung gleich mitentsorgt. An der Vorstellung, dass die gespritzte mRNA noch Ewigkeiten im Körper rumschwirrt und für Ärger sorgen kann, ist also nichts dran.

Ich weiß nicht, was der Impfstoff in meinem Körper macht. Wie soll ich ihm vertrauen?

Das ist natürlich eine gruselige Vorstellung. Allerdings muss man sagen, dass das im Prinzip für jedes Medikament gilt: So ganz genau wissen die meisten auch nicht, was die Kopfschmerztablette eigentlich im Körper tut. Man nimmt sie trotzdem, denn man kann darauf vertrauen, dass sie ausgiebig getestet wurde, dass sie wirkt und dass die Einnahme sicher ist. Das ist das gleiche bei der Impfung.

Fieber, Kopfschmerzen oder vielleicht auch Schüttelfrost gelten in der Regel noch als normale Impfnebenwirkungen. In selten Fällen kann es jedoch auch zu ersteren Komplikationen kommen. (Foto: IMAGO, imago)
Fieber, Kopfschmerzen oder vielleicht auch Schüttelfrost gelten in der Regel noch als normale Impfnebenwirkungen. In selten Fällen kann es jedoch auch zu ersteren Komplikationen kommen.

Der Impfstoff von Novavax ist auch kein Totimpfstoff. Wo ist dann der Unterschied zu den bisherigen Impfstoffen?

Das stimmt: Streng genommen ist auch der Impfstoff von Novavax kein Totimpfstoff, er enthält keine abgetöteten Viren. Er enthält künstlich hergestellte Teile von Spikeproteinen.

Das muss aber kein Grund zur Sorge sein. Denn auch ein Totimpfstoff enthält diese Spikeproteine - nur dass bei denen noch der Rest des Virus dranhängt. Denn die Spikes sind die Stacheln des Virus, an ihnen erkennt der Körper später den Eindringling.

Bei Totimpfstoffen bekommt der Körper also das ganze Virus präsentiert, bei Proteinimpfstoffen wie dem von Novavax nur Teile des Stachels und bei mRNA-Impfstoffen lernt der Körper, wie er Teile der Stacheln selbst herstellt. Drei Methoden, aber das Ergebnis ist am Ende das gleiche: Der Körper lernt sich zu verteidigen.

Auch der Corona-Impfstoff von Novavax soll demnächst in Deutschland zum Einsatz kommen. (Foto: IMAGO, imago images/NurPhoto)
Auch der Corona-Impfstoff von Novavax soll demnächst in Deutschland zum Einsatz kommen.
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