Wissenschaftler benötigen möglichst große und vielseitige Stichproben, um evolutionäre Fragestellungen mit Primaten zu erforschen. Doch bei den meisten Studien stehen nur wenige Schimpansen, Gorillas oder andere Primaten zur Beobachtung zur Verfügung. Dadurch sind die Forschungsergebnisse bislang oft nur schwer zu verallgemeinern. Das soll das Primatenforschungsprojekt ManyPrimates jetzt ermöglichen. Eine erste gemeinsame Studie zum Kurzzeitgedächtnis von Primaten wurde jetzt veröffentlicht.
Der Psychologe Manuel Bohn vom Leipziger Forschungszentrum für Frühkindliche Entwicklung hat die weltweite Zusammenarbeit des Forschungsprojekts ManyPrimates mit ins Leben gerufen. Das Ziel ist, eine globale wissenschaftliche Infrastruktur zu schaffen, die Ringversuche ermöglicht.
Global vernetzte Primatenforschung
Für die allererste Studie von ManyPrimates zum Kurzzeitgedächtnis bei Primaten wurde die gleiche Studie an allen elf Forschungsstationen mit fast 180 Primaten und zwölf Arten durchgeführt. Diese Stichprobe war damit weitaus größer als in normalen Primatenstudien.
Das Projekt ermöglicht, dass wir zum allerersten Mal Fragen systematisch beantworten können. Es führt auch dazu, dass wir ganz viele Spezies systematisch anschauen können. Zum Beispiel gibt es sehr wenige Studien mit Gorillas. Und jetzt mit ManyPrimates können wir die ganzen Gorilladaten zusammenführen, dann können wir wirklich valide Aussagen über Gorillas machen.
Gedächtnistest für Schimpansen
Im Leipziger Zoo gibt es eine Forschungsanlage für Menschenaffen: Das Wolfgang-Köhler-Primatenforschungszentrum. Hier will der Wissenschaftler Manuel Bohn mit einer Gruppe von Schimpansen eine Gedächtnisaufgabe durchführen.
Dazu sitzt der Psychologe in einer Art Käfig auf einem Hocker mit einem kleinen Tisch vor sich. Darauf drei Becher, die auf dem Kopf stehen, neben sich eine Schüssel Trauben.

Da wird eine Traube versteckt unter einem von drei Bechern. Und dann wartet man unterschiedlich lang, bis man den Schimpansen die Möglichkeit gibt zu sagen, wo die Traube ist. Dann zeigen die Schimpansen auf den Becher und wenn es stimmt, bekommen sie die Traube. Dabei wartet man entweder null Sekunden, oder fünfzehn, oder dreißig Sekunden.
Bisherigen Primatenstudien lassen sich nicht verallgemeinern
Bisher wurden Einzelstudien häufig mit wenigen Vertretern nur einer Affenart durchgeführt. Verlässliche und allgemein gültige Aussagen, beispielsweise über kognitiven Fähigkeiten einer Spezies, waren so ebenso schwer möglich, wie evolutionäre Unterschiede zwischen den Arten zu bestimmen.
Bisher hatten wir technisch gesprochen, immer nur schlechte Schätzungen für die Fähigkeit einer bestimmten Spezies.
Denn was das Kurzzeitgedächtnis eines einzelner Gorillas oder Schimpansen leisten kann, gilt nicht für die gesamte Spezies und lässt sich auch nicht ohne weiteres verallgemeinern. Und doch wurde das in der Vergangenheit häufig gemacht.

Eine ganze Reihe populärwissenschaftlicher Erkenntnisse leiten sich beispielsweise aus den Beobachtungen der berühmten Verhaltensforscherin Jane Goodall ab. Sie pflegte einen sehr engen Kontakt zu den Schimpansen und fütterte sie. Heute weiß man, das beeinflusste das Verhalten der Tiere erheblich.

Die Ergebnisse der ManyPrimates-Studie zum Kurzzeitgedächtnis von Primaten hat die Forschungskooperation im Wissenschaftsmagazin PLOS ONE veröffentlicht. Menschenaffen schnitten demnach am besten ab. Außerdem habe sich gezeigt: Je ähnlicher die Evolutionsgeschichte der unterschiedlichen Spezies, desto ähnlicher waren auch die kognitiven Fähigkeiten. Heißt also, das Kurzzeitgedächtnis hat sich abhängig von der Affenart unterschiedlich entwickelt.
Die Gruppe der beteiligten Institutionen hat sich bereits auf eine Liste weiterer machbarer Forschungsfragen geeinigt.
Die Publikation hat das Interesse weiterer Forschungseinrichtungen geweckt, die mitmachen wollen. Voraussetzung dafür ist, dass die vereinbarten wissenschaftlichen Standards bei der Studienanordnung und -dokumentation gewährleistet sind und die Ethikrichtlinien eingehalten werden. Beispielsweise dürfen die Tiere nicht durch Futter- oder Wasserentzug zum Mitmachen genötigt werden. Welche Studien hier zukünftig durchgeführt werden, soll im Verbund entschieden werden.