800 Jahre Zeitersparnis

KI Software erfindet neue Werkstoffe

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Autor/in
Uwe Gradwohl
Uwe Gradwohl, Leiter der Redaktion SWR Wissen Aktuell.
Onlinefassung
Elisabeth Theodoropoulos

Ein US-amerikanisches Team hat eine Software entwickelt, die aus bereits vorhandenem KnowHow über Werkstoffe gelernt hat, technisch sinnvolle Ideen für neue Werkstoffe abzuleiten.

Künstliche Intelligenz, kurz KI, krempelt gerade viele Forschungsbereiche um. Einer der Gründe dafür: Ihr Einsatz kann viel Zeit sparen. Ein US-amerikanisches Team will nun bei der Suche nach neuen Werkstoffen 800 Jahre Forschungszeit gespart haben.

Unternehmen Google DeepMind entwickelte die neue Software

Google DeepMind heißt die Softwareschmiede, aus der die Meldung vom Durchbruch bei der KI-gestützten Suche nach neuen Werkstoffen stammt. Das Unternehmen ist ein Zusammenschluss der IT-Unternehmen Google Brain und DeepMind.

DeepMind wurde unter anderen bekannt durch die Entwicklung von „AlphaGo“ – einem neuronalen Netzwerk, das im Jahr 2015 den seinerzeit weltbesten Spieler des hochkomplexen Strategiespiels Go besiegte.

Dem fusionierten Unternehmen Google DeepMind gelang 2020 mit der Software AlphaFold sogar der Durchbruch bei der Vorhersage von Proteinstrukturen – ein ungeheurer Fortschritt für die medizinische Forschung. 

Rückgrat einer Proteinstruktur ist dargestellt.
Mithilfe der Software AlphaFold können Proteinstrukturen vorher gesagt werden.

Nun also ist Googles Ableger erfolgreich ins Reich der Werkstoffe vorgestoßen. 20.000 feste, in kristalliner Form vorliegende Materialien habe die Menschheit bislang durch Mischen von chemischen Elementen nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum entwickelt, so die Forschenden.

Durch den Einsatz von Computersimulationen sei die Zahl der für technische Zwecke theoretisch nutzbaren Kristallstrukturen dann auf 48.000 angewachsen.

Rechnerische Lösungen sind ungenau

Das Problem: In Simulationen nutzt man bekannte physikalische Gesetze, um die Eigenschaften neuer Werkstoffe zu berechnen.

Das hört sich zunächst nach einem idealen Verfahren zur Werkstoffsuche an. Die notwendigen Berechnungen sind aber derart umfangreich und komplex, dass keine exakten Lösungen möglich sind. Die errechneten Kristallstrukturen verhalten sich in der Realität immer wieder einmal anders als vorhergesagt.

Materialforschung und -fertigung für die Automobilproduktion und Flugzeugproduktion.
20.000 feste Materialien hat die Menschheit durch Mischen von chemischen Elementen nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum hergestellt. Mithilfe von Computersimulationen ist die Zahl auf 48.000 angewachsen.

KI-Software sucht nach Mustern

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Werkstoffsuche sei bislang nicht sehr fruchtbar gewesen, erläutert die Gruppe in ihrem Blogeintrag.

Nun aber habe man mit dem Tool GNoME (Graph Networks for Material Exploration) erfolgreich eine Software programmiert, die Daten von bekannten Werkstoffen verarbeite und auf der Grundlage von Mustern und Regelmäßigkeiten in diesen Daten neue Mischungen aus chemischen Elementen als Werkstoffe vorschlägt. 

Insgesamt 2.2 Millionen neue Werkstoffideen kamen dabei zutage. Davon seien 380.000 ausreichend stabil, um für technische Zwecke eingesetzt werden zu können.

Tausende neue Supraleiter?

Allein 52.000 der neuen Stoffe zeigen in ihrem Kristallgitter Eigenschaften, die ihren Einsatz als Supraleiter denkbar erscheinen lasse. Bislang bekannt waren lediglich 1000 Stoffe dieser hochinteressanten Werkstoffgruppe.

Querschnitt eines Supraleiterkabels.
Der Querschnitt eines Supraleiterkabels. Gut zu erkennen ist die Ummantelung, durch die das Kühlmittel fließt, wenn das Kabel in Betrieb ist.

Supraleiter leiten elektrischen Strom ohne Widerstand. Die bislang bekannten Supraleiter tun dies allerdings nur bei sehr tiefen Temperaturen. Sollte ein Material gefunden werden, das Strom auch bei Raumtemperatur widerstandslos leitet, würde das die Energieversorgung und den Bau elektrischer Geräte revolutionieren.

Weitere 528 Materialien aus dem GNoME-Projekt könnten bei der Entwicklung leistungsfähigerer Lithium-Ionen-Batterien von Nutzen sein – und damit beispielsweise die E-Mobilität einen großen Schritt voranbringen. 

Verbaute Batterie in einem Elektroauto.
In jedem Elektroauto ist ein große Anzahl von Lithium-Ionen-Batteriezellen verbaut.

Herstellung in robotischem Labor

Auch wenn bei der Entwicklung der Ideen nun mehrere hundert Jahre Forschungsarbeit eingespart wurden – die Herstellung der vorgeschlagenen Stoffe und der Check ihrer tatsächlichen technischen Nutzbarkeit wird nochmals viel Zeit verschlingen.

Bislang wurden erst 736 der neuen Werkstoffe hergestellt – bei allen wurden die vorhergesagten Eigenschaften tatsächlich bestätigt. Auch das Zeitproblem bei der Herstellung ist bereits in Bearbeitung.

41 der neuen Ideen wurden an eine Partnergruppe im Berkeley Lab an der University of California weitergegeben. Dort wurde erforscht, wie sich die neuen Werkstoffe am besten und schnellsten herstellen lassen. Genutzt wurde dafür ein neuartiges robotisches Labor, in dem Pulver automatisiert gemischt und auf verschiedenen Temperaturpfaden aufgeschmolzen und zu festen kristallinen Proben abgekühlt werden, bis das gewünschte Material vorliegt.

Roboter im Berkeley Labor, welcher neue Werkstoffe herstellt.
Roboter im Berkeley Lab können automatisiert Materialien herstellen.

Solche Roboterlabore können den Einsatz an Manpower und damit an Geld reduzieren und Zeit sparen – wieviel hundert Jahre die Zeitersparnis in diesem Fall beträgt wurde allerdings noch nicht berechnet. 

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