Gehirnforschung

Wie funktioniert das Gedächtnis?

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Martin Korte
Martin Korte (Foto: SWR)

Wir haben verschiedene Strukturen im Gehirn, die wie eine Art Suchscheinwerfer in das Gehirn hineinschauen. Dazu gehören unser Stirnlappen und eine Struktur mit dem Namen Hippocampus, übersetzt Seepferdchen. Da ist eine daumengroße Struktur an der Innenseite des Schläfenlappens, also einer der großen Bereiche der Großhirnrinde.

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Wir haben verschiedene Strukturen im Gehirn, die wie eine Art Suchscheinwerfer in das Gehirn hineinschauen. Dazu gehören unser Stirnlappen und eine Struktur mit dem Namen Hippocampus, übersetzt Seepferdchen. Da ist eine daumengroße Struktur an der Innenseite des Schläfenlappens, also einer der großen Bereiche der Großhirnrinde.

Suche nach raum-zeitlichen Mustern

Soweit wir das bisher verstanden haben, sucht das Gehirn nach raumzeitlichen Mustern neuronaler Aktivität, die ähnlich den Mustern sind, die entstanden, als wir die jeweiligen Gedanken, Ideen oder Orte zum ersten Mal abgespeichert haben.

Häufig passiert es, dass man nach etwas sucht. Das kann ein Gedanke sein oder ein Ort, wo man etwas abgelegt hat. Oft kommt es auch vor, dass man von einem Raum in den nächsten geht, weil man etwas holen möchte. Dann kommt man in dem Raum an, wurde aber zwischendurch abgelenkt. Und dann weiß man nicht mehr, was man in dem Raum eigentlich wollte.

An der Stelle ist das Gehirn tatsächlich aus dem Takt geraten. Denn wir haben einen Bereich in unserem Gehirn, wo zwischengespeichert wird, was wir uns vorgenommen haben. Da gibt es eine Art Kopie, einen Eintrag oder man könnte auch sagen einen Post-it-Zettel – nur in neuronaler Form. Dieser „Zettel“ ging dann zwischendurch verloren bzw. wurde komplett gelöscht, weil man abgelenkt wurde.

Wenn man aber in den Raum zurückgeht, wo man hergekommen ist, oder nur in Gedanken in den Raum zurückgeht, kann man häufig das wieder erinnern, was man gesucht hat. Denn über die Assoziation des Raumes wird dieses neuronale Muster, wonach man im Gehirn gesucht hatte, wiederhergestellt.

Ist das so ähnlich wie beim Gedächtnispalast, den Sie erwähnten?

Ja, genau. Das Spannende ist: Sie haben gemerkt, dass meine sprachliche Beschreibung davon ausgeht, dass im Gehirn so eine Art kleines Männchen sitzt, das mit der Taschenlampe im Gehirn herumsucht. Wir haben natürlich kein kleines Männchen im Gehirn. Denn dann würde sich ja die Frage stellen: Wer sitzt in diesem Männchen? Und wer sitzt wiederum im Männchen von jenem Männchen? Das ist ein Problem, das wir nicht gelöst haben.

Noch viele offene Fragen in der Hirnforschung

Wir wissen nicht, wo und wie das Ich sich im Gehirn konstituiert. Das vermittelt uns den Eindruck, dass wir als Person diejenigen sind, die nach einem bestimmten Gedanken suchen. Man glaubt, dass hier Rhythmen im Gehirn eine wichtige Rolle spielen. Also zeitliche Abläufe im Gehirn, die immer wieder klarmachen, aus welcher Perspektive heraus man etwas sucht, aus welchem Kontext heraus man etwas sucht. Die führen zu dieser zentralen Perspektive.

Man muss ganz klar sagen: Wir haben noch nicht verstanden, wie ein Gehirn, also eine Materie, etwas so Immaterielles wie ein Ich-Konzept, wie ein subjektives Erleben, hervorbringen kann. Das führt dazu, dass wir umgangssprachlich sagen: Ich habe einen Gedanken verloren und suche den in meinem Gehirn.

All das sind natürlich Aussagen und Gedanken, die ein Gehirn über sich selbst fällt. Man bekommt beim Nachdenken über diese Frage fast einen Knoten im Gehirn. Schnell ist man dann auch in Bereichen der Philosophie. Und vor allen Dingen ist man tatsächlich mitten in den Fragen aktueller Forschung, zu denen wir die Antworten noch nicht kennen.

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