Evolution

Wenn das Ei vor der Henne da war, wie kamen die ersten Eier in die Welt?

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Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)

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"Prinzip Ei" schon bei den ersten Organismen zu finden

Diese Frage ist bei meiner Antwort auf die Henne/Ei-Problematik offengeblieben. Da müssen wir in der Evolution weit zurückgehen. Lange bevor es Hühner gab, haben Dinosaurier Eier gelegt, davor schon die Amphibien, davor haben Fische gelaicht und vor ihnen andere, wirbellose Tiere.

Das waren noch keine Eier mit fester Schale wie das Hühnerei, aber das „Prinzip Ei“ taucht bereits bei den ersten Organismen auf. Auch hier kann man die Frage stellen: Was war zuerst da? Dahinter steckt die Frage nach den Anfängen der sexuellen Fortpflanzung: Wann kam das Ei als Fortpflanzungsprinzip in die Welt? Das haben Evolutionsforscher noch längst nicht richtig geklärt

Ich versuche das Wenige, was sie wissen, zusammenzufassen.

  1. Das Prinzip der geschlechtlichen Fortpflanzung hat vermutlich schon mit einzelligen Lebewesen und Pilzen angefangen.
  2. Heute gibt es zwei Arten von Geschlechtszellen, die wir Ei- und Samenzelle nennen. Die sind sehr unterschiedlich. Evolutionsforscher nehmen an, dass sich die Geschlechtszellen ursprünglich recht ähnlich waren, dass es also diese Unterscheidung zwischen Ei- und Samenzelle ursprünglich so nicht gab. Erst im Lauf der Jahrmillionen haben sie sich auseinander entwickelt, weil sich diese Arbeitsteilung als sinnvoll erwiesen hat: Arbeitsteilung zwischen kleinen und beweglichen Samenzellen, die die Männchen quasi in Massenproduktion herstellen können einerseits – und großen Eizellen, die neben dem Erbgut noch all die Nährstoffe und sonstigen Faktoren mitbringen, die für die weitere Entwicklung notwendig sind, andererseits.

Es gibt Experimente, die darauf hinweisen, dass das, was wir heute als geschlechtliche Vermehrung betrachten, als Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, ursprünglich eher eine Art Fressprozess war, dass eine Pilz-Zelle sich eine andere, artverwandte Zelle sozusagen einverleibt hat bzw. sich umgekehrt eine Zelle als Parasit in einer anderen eingenistet hat und diese Zellen dann ihr Erbgut geteilt haben. Das ist ein Modell, wie man sich das vielleicht vorstellen kann.

Aber da bewegen wir uns ja noch auf der Ebene der Einzeller – wenn wir vom „Eier-Legen“ sprechen meinen wir damit aber Tiere oder höhere Organismen, die solche Geschlechtszellen absondern.

Das wäre jetzt der nächste Schritt. Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen normalen Körperzellen und Geschlechtszellen: Bei den normalen Körperzellen liegt das Erbgut doppelt vor, sie haben einen doppelten Chromosomensatz (diploid). Ei- und Samenzellen dagegen haben das Erbgut nur in einfacher Ausführung (haploid), sodass in dem Moment, in dem sie verschmelzen, sie gemeinsam eine Stammzelle, eine erste Körperzelle bilden, aus der dann alles Weitere entsteht. Die Zelle teilt sich, die Tochterzellen teilen sich weiter, differenzieren sich aus – so entsteht ein neues Lebewesen.

Wenn wir das im Hinterkopf haben und jetzt überlegen, was denn die primitivste Form des „Eierlegens“ ist, dann muss man sagen: Die bestand darin, dass es Organismen gab, die aus mehreren Zellen bestanden. Die meisten dieser Zellen hatten ein doppeltes Erbgut, aber an bestimmten Stellen bildeten sich Zellen, die das Erbgut nur einfach vorliegen hatten. Diese spezielle Form der Zellteilung, bei der der Chromosomensatz halbiert wird, heißt Meiose und war wohl einer der entscheidenden Schritte, damit sich das „Prinzip Ei“ als Fortpflanzungsmechanismus etablieren konnte: Organismen mit doppeltem Erbgut teilen sich zu Geschlechtszellen mit einfachem Erbgut , die dann ihrerseits mit anderen Geschlechtszellen verschmelzen, sodass wieder Zellen mit doppeltem Erbgut entstehen.

Schließlich sondert der Körper diese befruchteten Eizellen ab, sodass sich außerhalb des Mutterkörpers ein neuer Organismus bildet. Nachdem sich dieses Prinzip während der Evolution etabliert hatte, wurde es verfeinert und perfektioniert: Die Geschlechtszellen haben sich ausdifferenziert in Ei- und Samenzellen, wurden immer unterschiedlicher, die Eizellen wurden immer besser geschützt, bekamen dann sogar irgendwann eine harte Schale. So kann man sich in ganz groben Zügen die Evolution des Eis erklären, auch wenn bei den Details noch einiges unklar ist. Immerhin ist sicher: Das erste Ei war im wahrsten Sinne ein Bio-Ei.

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