Geschichte

Wie nannte man das "Mittelalter" im Mittelalter?

Stand
AUTOR/IN
Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)

Audio herunterladen (2,8 MB | MP3)

Die Zeit zwischen Altertum und Neuzeit

Wir können heute vom Mittelalter sprechen, weil wir in der "Neuzeit" leben. Aber natürlich hat um 1000 n. Chr. niemand gesagt, "Ich lebe im Mittelalter." – Der Begriff ergibt nur Sinn aus der Perspektive einer späteren Zeit, die sich selbst als "Neuzeit" definiert hat.

Für uns beginnt die "Neuzeit" mit der Renaissance und der Rückbesinnung auf das Erbe der Antike. Dadurch ergibt sich die etablierte Dreiteilung. Es gibt das Altertum – die "gute alte Antike", also die Zeit bis zum Ende des Römischen Reiches; es gibt die "Neuzeit" – eben die Zeit ab der Renaissance. Man kann auch sagen: Die Zeit seit der europäischen Expansion nach Amerika, Asien und Afrika. Und die Zeit zwischen Altertum und Neuzeit nannte man dann einfach Mittelalter.

Augustinus: sechs Zeitalter vom Anfang bis zum Ende der Welt

Im Mittelalter sprach man logischerweise nicht vom Mittelalter, man sah sich aber auch nicht als Neuzeit. Zumindest in der Welt der Kirche hatte man eine ganz andere Zeitrechnung, nämlich die von den sechs bzw. sieben Weltzeitaltern. Die Idee geht zurück auf den Heiligen Augustinus, der im fünften Jahrhundert lebte. Augustinus formulierte die Theorie, dass vom Anfang bis zum Ende der Welt sechs Zeitalter vergehen, jedes 1.000 Jahre lang. Und nach dieser Theorie lebten die Menschen in der Zeit, die wir heute Mittelalter nennen, im sechsten und damit letzten Weltzeitalter – das heißt, man steuerte aufs Ende der Welt und somit aufs Jüngste Gericht zu.

Wie ist Augustinus darauf gekommen?

Die Grundlage für seine Theorie war eine Stelle aus dem 2. Brief des Petrus, wo es heißt, dass "beim Herrn ein Tag wie 1.000 Jahre und 1.000 Jahre wie ein Tag sind". Also: 1000 Jahre sind mit einem Tag zu vergleichen.

Nun steht in der Bibel, Gott habe die Welt in sechs Tagen erschaffen. Der Analogieschluss war nun: Wenn man einen Tag mit 1.000 Jahren gleichsetzt, und in dieser Sechs-Tages-Logik denkt, kommt man auf 6.000 Jahre. Diese Zahl passte wiederum ganz gut zu den Zeitangaben in der Bibel. Da steht ja genau drin, wer von wem abstammt und wer wie lange gelebt hat. Als die frühen Christen das bis Adam zurückrechneten, haben sie ermittelt, dass von Beginn der Welt grob 5.000 Jahre vergangen sind. Und so kam die Theorie: 5.000 Jahre entsprechen fünf Zeitaltern von je 1.000 Jahren. Diese Rechnung steht im Gegensatz zu der, die dem jüdischen Kalender zugrunde liegt und die Schöpfung im Jahr 3761 Jahre v. Chr. ansetzt. 

Letztes Zeitalter beginnt nach Augustinus mit Christi Geburt

Das erste Zeitalter dauerte von Adam bis zur Sintflut. Das zweite von der Sintflut bis zu Abraham – und so ging das weiter. Das fünfte Zeitalter wiederum endete laut Augustinus schließlich mit der Ankunft von Jesus Christus. Und also begann damit auch das sechste und letzte Zeitalter. Eben das christliche Zeitalter – Aetas Christiana. Und wenn das vorbei ist, dann – so die Vermutung – kommt der Jüngste Tag. Und das war’s dann.

Renaissance: Mittelalter wird als Mittelalter definiert

Doch der Jüngste Tag kam dann doch nicht, die Welt drehte sich weiter und so verschwand diese Art der Zeitrechnung in der Versenkung – bis in der Renaissance das Mittelalter als "Mittelalter" definiert wurde.

Von wegen Hexenjagd: Was weiß man über das Mittelalter?

Geschichte Minne, Pest und Hexenjagd? – Neue Sicht aufs Mittelalter

Düster, dreckig, dämonisch – das europäische Mittelalter gilt vielen als finstere Epoche. Dabei waren Wirtschaft und Gesellschaft viel bunter und kreativer als lange angenommen.

SWR2 Wissen SWR2

Redewendung Woher kommt der Ausdruck "Die Kirche im Dorf lassen"?

Bis ins späte Mittelalter hinein wurden neue Siedlungen in enger Zusammenarbeit mit der Kirche gegründet. Darum regierten manche Dorfkirchen anfangs über viele Stadtkirchen. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Redensart Woher kommt der Ausdruck "unter die Haube kommen"?

Es ist im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit üblich, dass unverheiratete bürgerliche Frauen keine Brautkronen oder Brauthauben tragen durften. Von Rolf-Bernhard Essig

SWR2 Impuls SWR2

Vögel Wer ist der Anführer bei Vogelschwärmen?

Aristoteles, der antike Schriftsteller und Naturkundler, hatte schon eine Antwort darauf. Der sagte, es gibt einen bestimmten Anführer, – im Lateinischen nannte man den "dux" – der vorne fliegt. Diese Annahme behielt man dann bis ins Mittelalter bei. Von Hans-Heiner Bergmann

Derzeit gefragt

Tiere Warum schreien Hühner, nachdem sie ein Ei gelegt haben?

Hühner haben ständig zu allen Situationen irgendwelche akustischen Kommentare abzugeben; sie sind ständig in akustischer Kommunikation. Und es sind hoch soziale Vögel. Das bedeutet, dass dieses Gegacker nach der Eiablage in diesem Zusammenhang gesehen werden muss. Von Hans-Heiner Bergmann

Ornithologie In welchen Abständen legen Meisen ihre Eier?

Eine Blaumeise kann bis zu 12 Eier legen – jeden Tag eins. Trotzdem schlüpfen die Jungen alle gleichzeitig, denn gebrütet wird erst, wenn das Gelege vollständig ist. Von Hans-Heiner Bergmann

Tierverhalten Warum krähen Hähne bei Sonnenaufgang?

Hähne krähen, um ihr Revier zu markieren. Und wenn einer früh morgens angefangen hat, dann machen alle anderen Hähne auch mit. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Ornithologie Benutzen Blaumeisen das Nest vom Vorjahr oder bauen sie neu?

Das alte Nest, so wie es ist, wird nie mehr direkt benutzt, sondern die Vögel bauen ein neues Nestchen darüber. Von Claus König

Biologie Warum sind manche Eier weiß und manche braun?

Als Faustregel stimmt tatsächlich, was man oft hört, nämlich dass braune Hühner braune Eier und weiße Hühner weiße Eier legen. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Redewendung "Da lachen ja die Hühner"? – Woher kommt der Ausdruck?

Dass die Hühner lachen, wenn jemand etwas ankündigt, ist etwas eher Lachhaftes und Scherzhaftes. Auf diese Art und Weise kann man das, was da im Raume steht, auch heruntermachen und sagen: "Das ist so, dass da die Hühner sogar lachen." Von Rolf-Bernhard Essig