Ausstellungsstücke im Jüdischen Museum Frankfurt: Portraits der Familie Rothschild (Foto: SWR, Martina Conrad)

Antisemitismus

Haben die Rothschilds eine besondere Macht?

Stand
AUTOR/IN
Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)

Audio herunterladen (4,2 MB | MP3)

Nein – jedenfalls keine, die über die "Macht" anderer kleiner Banken hinausgeht. Die "Rothschilds" als geschlossenen Familienverbund gibt es so auch gar nicht mehr. Der Mythos Rothschild ist Bestandteil vieler antisemitischer Verschwörungstheorien. Um zu verstehen, woher er kommt, muss man zurück ins 19. Jahrhundert, als die Rothschild-Banken tatsächlich einen gewissen Einfluss hatten.

Mayer Amschel Rothschild – ein jüdischer Kaufmann

Das hat angefangen mit dem Frankfurter Kaufmann Mayer Amschel Rothschild, der in der Frankfurter Judengasse – also im Getto – geboren ist. Für Juden galten da strenge Regeln: Sie durften das Getto nachts nicht verlassen, sie durften außerhalb des Gettos keine Grundstücke besitzen und so weiter.

Mayer Amschel Rothschild machte für sich das Beste daraus, er handelte mit Münzen und Antiquitäten, kam dadurch zu einem gewissen Wohlstand. Er stieg ins Bankgeschäft ein und war damit extrem erfolgreich. Ihm gelang es nicht nur, wichtige Banken und Adelige als Kunden zu gewinnen, sondern auch Fürsten wie den Landgrafen Wilhelm IX. von Hessen-Kassel. Zusammen mit anderen Kaufleuten hat er auch als Heereslieferant Unternehmungen durchgeführt.

Das "Haus Rothschild" im 19. Jahrhundert

Rothschild setzte schließlich eigene Staatsanleihen auf. Das heißt, er sammelte von Anlegern Geld, das er auch an Staaten wie Dänemark oder Großbritannien verliehen hat. Und Rothschild hat seine Söhne in die Geschäfte eingebunden. Einer von ihnen, Nathan Mayer Rothschild, hat sogar schon 1805 in London eine eigene Bank gegründet, bevor 1810  in Frankfurt das Bankhaus Mayer Amschel Rothschild und Söhne entstand. Später kam es zu weiteren Bankgründungen. Die Banken der Rothschilds bilden auch weltweit gesehen eine äußerst finanzstarke Unternehmensgruppe im 19. Jahrhundert. Und natürlich war damit auch ein gewisser Einfluss verbunden.

Verschwörungslegenden: Die jüdischen Rothschilds als "Friedensgewinnler"

In dieser Zeit wurden die Rothschilds Objekt von Verschwörungslegenden. Und dass es sich um ein jüdisches Bankhaus handelte, hat dem nur noch weiter Vortrieb geleistet. Ich will diese Legenden hier gar nicht wiederholen. Man muss sich nur klarmachen: Der Einfluss der Rothschilds war vor allem ein finanzieller – sie konnten Geld an Regierungen verleihen. Das heißt aber natürlich nicht, dass sie denen auch sagen konnten, was diese zu tun und zu lassen haben.

Die Familie Rothschild: Verschwörungsmythen aus dem 19. Jahrhundert

Gelegentlich wurde den Rothschilds nachgesagt, dass sie den ein oder anderen Krieg verhindert hätten. Es wurde unterstellt, dass sie aus geschäftlichen Gründen kein Interesse an Krieg und Rezession hatten und sich deshalb geweigert hätten, einzelnen Herrschern Geld für Kriege zur Verfügung zu stellen. Auch das wurde ihnen damals negativ angekreidet, aber ob ihr Einfluss wirklich so weit ging, ist heute schwer zu sagen.

Was von den Rothschild-Unternehmen übrig blieb

Die Söhne von Mayer Amschel Rothschild gingen also ins Ausland und gründeten eigene Bankhäuser und Investmentgesellschaften. Das hat sich mit der Zeit zerfasert: Manche Unternehmen haben sich aufgelöst, andere wurden verstaatlicht und wieder andere gingen an die Börse, sodass sie mehrheitlich gar nicht mehr im Besitz irgendwelcher Rothschild-Nachkommen sind. Es gab in den letzten 200 Jahren zahlreiche Generationswechsel, und wie man sich vorstellen kann, gibt es in so einer Familie auch immer wieder Zerwürfnisse.

Jüdisches Leben in Deutschland – Historische Aufnahmen im SWR2 Archivradio

Geblieben sind heute im Grunde noch drei Finanzgruppen, eine britisch-französische unter dem Namen "Rothschild & Co.", die nach wie vor im Bereich Investmentbanking und Vermögensverwaltung aktiv ist. Dann eine zweite unabhängige britische Investmentgesellschaft "RIT Capital Partners", für die auch der im Februar 2024 verstorbene Baron Jacob Rothschild gearbeitet hat.

Und schließlich die Schweizer Gruppe Edmond de Rothschild, die sich mehr auf Immobilien, Hotels und Weingüter konzentriert und der es gar nicht gepasst hat, dass sich das Unternehmen des britisch-französischen Familienzweigs – Paris Orleans SA – umbenannt hat in Rothschild & Co. Die Schweizer meinten, es gäbe nur Platz für eine Firma mit dem Namen Rothschild.

Mythos statt Macht: Die große Zeit der Privatbanken ist vorbei

Einzelne Mitglieder der Familie Rothschild besitzen auch privat nach wie vor große Vermögen, aber damit noch keine besondere "Macht". Ihre verbliebenen Banken sind längst Zwerge im Vergleich mit den heute wirklich großen Bankhäusern und Finanzunternehmen. Sucht man wiederum nach Verbindungen in die Politik, kann man vereinzelt das ein oder andere finden. Etwa, dass der französische Präsident Emanuel Macron mal eine Zeitlang als Investmentbanker bei Rothschild & Co. gearbeitet hat – so wie andere Politiker bei anderen Firmen gearbeitet haben.

Die ehemaligen Schlösser von Mitgliedern der Rothschild-Familie sind – auch wenn sie teilweise noch "Rothschild" heißen – größtenteils längst verkauft. Das Palais Rothschild in Frankfurt etwa ging schon vor der NS-Zeit infolge der Weltwirtschaftskrise in den Besitz der Stadt Frankfurt über und beherbergt heute das Jüdische Museum – in dem man sich übrigens auch über die Geschichte der Rothschilds informieren kann.

Stereotype Wann ist Israelkritik antisemitisch?

Kritik an konkreten Handlungen ist legitim. Mithilfe der 3-D-Regel lässt sich prüfen, unter welchen Bedingungen Israelkritik antisemitisch ist. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Holocaust 6 Millionen ermordete Juden – Woher stammt diese Zahl?

6 Millionen Juden haben die Nationalsozialisten ermordet. Rund 4 Millionen Menschen starben in Konzentrations- und Vernichtungslagern, 2 Millionen durch Massaker. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0. | http://swr.li/holocaust

Derzeit gefragt

Religion Warum feiert die orthodoxe Kirche Ostern später?

Die Ursache liegt in der Kalendergeschichte. Es gibt den julianischen und den gregorianischen Kalender. Den hat Papst Gregor XIII. nachgeschärft, um Kalenderungenauigkeiten zu beseitigen. Von Werner Mezger

Gesundheit Mit dem Rauchen aufhören: Wann ist der Körper wieder auf Nichtraucherniveau?

Das Rauchen hat viele Auswirkungen auf den Körper. Manche verschwinden, wenn man aufhört, schneller, andere brauchen länger. Recht schnell verschwinden die unmittelbaren Symptome, also der Raucherhusten und die Kurzatmigkeit. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Architektur Dom, Münster, Kathedrale, Basilika – Was sind die Unterschiede?

Ein Dom ist ein großes, historisch bedeutsames Kirchenhaus. Ebenso die Kathedrale, aber Kathedralen sind außerdem Bischofssitz. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Religion Enthält der Koran eine Aufforderung, Nicht-Muslime zu töten?

Ich will Sie nicht beunruhigen, aber: Ja. Es steht im Koran. Es steht aber auch in der Bibel "Aug um Auge, Zahn um Zahn". Von Lamya Kaddor

Zeitrechnung Wann wurde "Christi Geburt" zum Nullpunkt des Kalenders?

Im Jahr 525 nach Christi Geburt wurde eben diese Geburt zum Nullpunkt gemacht bzw. erstmals für die Kalender verwendet. Genauer muss man sagen: Das Jahr 0 gibt es nicht. Mit der mutmaßlichen Geburt Jesu Christi begann gleich das Jahr 1. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Redewendung "Lasst die Toten die Toten begraben." – Stammt das aus der Bibel?

Das ist ein typisch radikaler Jesusspruch. Er macht klar, wie revolutionär Christus auftritt. Von Rolf-Bernhard Essig

Religion Was trennt Juden und Christen im Glauben an den Messias?

Für die Mehrzahl der Juden spielte in allen historischen Zeiten, die wir durch Texte belegen können, die Frage nach dem Messias keine Rolle. Der Messias ist das Zentrum des Glaubens der Christen. von Edna Brocke