Psychologie

Warum verlieben wir uns?

Stand
AUTOR/IN
Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)

Audio herunterladen ( | MP3)

Eine der großen Fragen nicht nur der Wissenschaft, sondern überhaupt des Lebens …

Was passiert im Gehirn, wenn wir verliebt sind? Die Hirnforschung hat hierzu in den vergangenen Jahren ein paar Erkenntnisse hervorgebracht, insbesondere die US-amerikanische Anthropologin Helen Fisher war sehr aktiv. Inzwischen erforschen aber auch viele andere Wissenschaftler die neurologischen Grundlagen des Liebesverhaltens.

Unter Drogen: Im Gehirn wird Dopamin ausgeschüttet

Oberflächlich betrachtet ähnelt Verliebtsein einem Suchtverhalten. Wenn wir glücklich verliebt sind – wir sozusagen unsere Droge bekommen – wird im Gehirn Dopamin ausgeschüttet und das Belohnungssystem aktiviert. Wenn sich dagegen der oder die Angebetete rarmacht, bekommen wir etwas Ähnliches wie Entzugserscheinungen. Hier gibt es wirklich erstaunlich viele Parallelen, allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: Eine Drogensucht hört normalerweise nicht von alleine auf. Sich das Rauchen abzugewöhnen, ist schwer.

Unterschied zwischen Verliebtsein und Liebe im Gehirn nachweisbar

Das erste Verliebtsein dagegen endet fast immer irgendwann – dann erlischt es entweder oder geht in Liebe über. Helen Fisher hat gezeigt, dass Verliebtsein und Liebe hirnphysiologisch völlig unterschiedliche Prozesse sind. Das Verliebtsein spielt sich mehr in den älteren archaischen Hirnregionen ab. Bei der Liebe dagegen sind mehr Bereiche des Cortex, der Großhirnrinde beteiligt, wo auch bewusste Erinnerungen verarbeitet werden. Das ist nur einer von mehreren Unterschieden, die sich feststellen lassen.

Ein weiterer Unterschied: Beim Verliebtsein ist viel Dopamin im Spiel, bei der dauerhaften Liebe sind es eher die bekannten Bindungshormone wie Oxytocin. Diese Unterschiede entsprechen auch der Alltagserfahrung.

Grob gesagt: Liebe beruht auf Vertrautheit. Es ist das Gefühl einer starken Verbundenheit zu jemandem, den wir kennen, mit all seinen Eigentümlichkeiten und Schrullen. Liebe ist ein Gefühl der Zugehörigkeit zwischen zwei Menschen. Verliebtheit ist eine Stufe davor. Es ist der dringende Wunsch, jemandem nahe zu sein, näher zu kommen, selbst wenn wir ihn oder sie noch nicht so gut kennen. Das ist natürlich vereinfacht und zugespitzt. Letztlich sind „Liebe“ und „Verliebtsein“ Begriffskonstrukte, von denen jeder eine bestimmte Vorstellung hat, bei denen es aber sehr viele verschiedene Schattierungen gibt, gerade in Bezug auf den Begriff Liebe.

Verliebtsein überwindet die intuitive Distanz zu anderen

Die zweite Ebene der Beschreibung, die evolutionäre, gibt Hinweise darauf, warum wie uns überhaupt verlieben. Gerade aus dem Unterschied zwischen Liebe und Verliebtsein wird das deutlich. Lieben – diese starke Verbundenheit fühlen – setzt eine Vertrautheit, ein Kennen voraus. Dazu müssen wir aber erst mal jemanden gut kennenlernen.

Da wir aber in einer sozialen Gemeinschaft leben und nicht jeden so nah an uns heranlassen können und wollen, weil wir ja auch nicht wissen, wem wir wie weit vertrauen können, halten wir zu den meisten Menschen intuitiv einen gewissen Abstand. Um aber eine Familie zu gründen und eine Liebesbeziehung einzugehen, müssen wir diesen üblichen Abstand überwinden. Dazu dient vermutlich das Verliebtsein: Es erzeugt einen so starken Wunsch nach Nähe zu einer ganz bestimmten Person, dass wir die gewöhnlichen Schranken durchbrechen und zu einem bis dahin noch fremden Menschen eine vertraute und irgendwann intime Beziehung eingehen, die dann in Liebe übergehen kann.

Mehr als Sex und Fortpflanzung

Wenn es nur darum ginge, sich fortzupflanzen, müssten wir nicht unbedingt verliebt sein – der reine Spaß am Sex würde völlig reichen. Die meisten Tiere pflanzen ich fort, ohne in romantischen Gefühlen zu schmachten.

Babys brauchen viel Schutz und Fürsorge

Das besondere beim Menschen ist allerdings, dass Babys in einer sehr frühen Phase ihrer Entwicklung auf die Welt kommen. Sie sind daher noch lange auf elterliche Betreuung angewiesen. Für das Überleben ist es von Vorteil, wenn die Mutter, die das Baby zur Welt bringt, einen Partner hat, der sich für das Kind mitverantwortlich fühlt. Das geht natürlich über die Liebe. Die Liebe ist der Kitt, der ein Elternpaar zusammenhält. Aber das Vehikel, dass es erst einmal zusammenfindet, scheint eben das Verliebtsein zu sein.

Psychologie Ist "Eifersucht" tatsächlich eine Sucht?

Der Begriff Eifersucht bedeutete ursprünglich so viel wie "krankhafte Verbitterung" oder "Bitterkeit". Gibt es Parallelen zur Sucht? Von Gábor Paál | Dieser Beitrag steht unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Kulturgeschichte Geschichte der Liebesbriefe – Vom Herzen in die Feder

Ein Liebesbrief auf Büttenpapier oder doch das Herz-Emoji? Wie wir unsere Liebe mitteilen, ist auch immer ein Spiegel der jeweiligen Zeit und Gesellschaft.

SWR2 Wissen SWR2

Reihe: Geschichte der Liebe

Geschichte der Liebe (1/3) Liebe bei den alten Griechen und Römern

In der Antike wurden Ehen meist arrangiert. Sex und Leidenschaft fanden zumindest Männer jenseits der Familie. Gab es also schon Romantik, wie wir sie am Valentinstag inszenieren? (SWR 2021/2022)

SWR2 Wissen SWR2

Geschichte der Liebe (2/3) Höfische Liebe im Mittelalter und die Erfindung der Romantik

"Dû bist mîn, ich bin dîn" – Minnesänger beschworen große Gefühle. Dabei klafften Liebesideal und Realität im Mittelalter weit auseinander. Wie kam es zum Siegeszug der Romantik?

SWR2 Wissen SWR2

Geschichte der Liebe (3/3) Romantische Liebe von den 68ern bis zum Online-Dating

Die 1968er stellen Kleinfamilie und Ehe gehörig infrage. Heute gibt es die Ehe für alle, Polyamorie und Co-Parenting. Wieso hat sich die romantische Liebe so drastisch verändert?

SWR2 Wissen SWR2

Partnerwahl

Psychologie Partnerwahl – Wen wir suchen und wen wir bekommen

Frauen suchen Status, Männer jugendliche Schönheit. So simpel funktioniert das Dating damals wie heute. Für eine dauerhafte Liebesbeziehung aber ist die Ähnlichkeit des Paares entscheidend.

SWR2 Wissen SWR2

Derzeit gefragt

Ornithologie In welchen Abständen legen Meisen ihre Eier?

Eine Blaumeise kann bis zu 12 Eier legen – jeden Tag eins. Trotzdem schlüpfen die Jungen alle gleichzeitig, denn gebrütet wird erst, wenn das Gelege vollständig ist. Von Hans-Heiner Bergmann

Medizin Gibt es bei Organspenden eine Altersgrenze?

Ein Herz oder eine Bauchspeicheldrüse kommt in diesem Alter sicherlich weniger infrage. Aber die Nieren zeigen häufig bis ins hohe Alter eine gute Organfunktion. Das wird vorher, auf der Intensivstation, evaluiert. Von Conny Bürk

Ornithologie Benutzen Blaumeisen das Nest vom Vorjahr oder bauen sie neu?

Das alte Nest, so wie es ist, wird nie mehr direkt benutzt, sondern die Vögel bauen ein neues Nestchen darüber. Von Claus König

Ornithologie Elstern haben bei mir die Meisen verjagt. Darf ich das Elsternnest plündern?

Nein, das dürfen Sie nicht, denn die Elster steht unter Naturschutz. Die Meisen weichen aus und brüten an einer anderen Stelle. Sie sind durch die Elster eigentlich nicht gefährdet, lediglich wenn die Jungen ausfliegen sind diese gefährdet. Aber in das kleine Loch eines Nistkastens können Elstern mit dem Schnabel nicht hineingreifen. Von Claus König

Tiere Warum fliegt ein Buchfink immer wieder gegen meine Fensterscheibe?

Dieser Vogel sieht sein Spiegelbild. Jetzt in der Fortpflanzungszeit glaubt er, dass er es mit einem Rivalen zu tun hat – und den versucht er zu bekämpfen. Von Claus König

Gesundheit Mit dem Rauchen aufhören: Wann ist der Körper wieder auf Nichtraucherniveau?

Das Rauchen hat viele Auswirkungen auf den Körper. Manche verschwinden, wenn man aufhört, schneller, andere brauchen länger. Recht schnell verschwinden die unmittelbaren Symptome, also der Raucherhusten und die Kurzatmigkeit. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Ornithologie Dient das Vogelnest nur zum Brüten oder auch als Schlafplatz?

Im Allgemeinen wird das Nest nur zur Brut benutzt. Einige Arten wie etwa der Höhlenbrüter übernachten auch nach der Brut in der Höhle. Aber sonst ist das Nest nur dazu da, um zu brüten und die Jungen aufzuziehen. Von Claus König