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In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 200.000 Hüftprothesen eingesetzt. Roboterassistierte Systeme ermöglichen heute eine exakte Platzierung und verringern Gewebeschäden. Der Vorteil ist die schnellere Heilung und bessere Beweglichkeit.
Auch wenn die Operationstechniken sowie die verwendeten Materialien immer moderner werden - die Entscheidung Operation ja oder nein, ist für Patienten nicht leicht. Wann ist ein Hüftgelenkersatz tatsächlich notwendig? Und wie bleibt das neue Gelenk gesund? Wir klären auf.
Wann eine Hüftoperation notwendig ist
Wenn sich im Röntgenbild ein Strukturschaden im Hüftgelenk nachweisen lässt, meistens eine Arthrose, ist das der häufigste medizinische Grund für eine künstliche Hüfte. Bei einem kleineren Teil der Patienten liegt die Ursache für die oft jahrelangen Beschwerden in einer angeborenen Fehlstellung der Hüften.
Gefahr am Schreibtisch Arthrose durch zu viel Sitzen?
Arbeiten im Büro oder im Homeoffice - langes Sitzen und wenig bewegen kann zu Gelenkproblemen führen. Nicht selten folgt Arthrose. Mehr Bewegung kann die Erkrankung verhindern.
Hinzu kommt, dass die Patientin oder der Patient einen entsprechenden Leidensdruck aufweisen, zum Beispiel durch anhaltende Schmerzen und eine erhebliche Einschränkung der Mobilität. Professor Peter Aldinger, Chefarzt des Endoprothetik Zentrums am Diakonie-Klinikum Stuttgart, erklärt, bevor eine Hüftoperation veranlasst werde, müssten die konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgereizt sein.
Dazu gehören:
- Physiotherapie,
- Schmerzmittel,
- Bewegung und Aktivierung
- auch Infiltration, also die Injektion von Medikamenten in das Gelenk.
Wird damit keine Verbesserung mehr erreicht, kann man im letzten Schritt operieren.
Für Professor Aldinger gehören zur konservativen Therapie auch Osteopathie und Akupunktur. Grundsätzlich sollte man alles ausprobieren, um den Schmerz zu lindern, sagt er. Der Experte betont aber:
Man kann durch konservative Therapie die Symptome lindern. Die Arthrose selbst wird dadurch nicht beeinflusst.
Helfen bei Gelenkschmerzen freiverkäufliche Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel?
Professor Aldinger weiß, die Medien sind voller Werbung für Mittel gegen Arthrose. “Leider ist es so, dass es keinen nachhaltigen Nutzen dieser Medikamente gibt. Das konnte nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Der einzige Nutzen ist am Ende für den, der es verkauft.”
Der Facharzt sagt, Bewegung und Physiotherapie würden besser helfen.
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Wie eine Hüftoperation abläuft
Die Operation an der Hüfte erfolgt minimalinvasiv über einen verhältnismäßig kleinen Schnitt, in der Regel von vorne oder von der Seite. Die darunter liegenden Muskeln werden zur Seite geschoben, um an das Gelenk heranzukommen.
Zunächst wird der abgenutzte Hüftkopf entfernt. Die Hüftpfanne wird aufgefräst und eine künstliche Pfanne aus Titan und Kunststoff im Becken eingesetzt.
Danach wird ein Schaft in den vorbereiteten Oberschenkelknochen eingebracht und ein künstlicher Hüftkopf auf den Schaft aufgesetzt. Dann werden die Komponenten zusammengefügt, um das neue Hüftgelenk zu bilden.
Am Schluss überprüft das OP-Team die Funktion des Hüftgelenks. Die Operation dauert etwa eine Stunde pro Gelenk.
Zementierte Implantate oder zementfreie Prothesen?
80 Prozent aller Patienten bekommen zementfreie Prothesen. Hier wächst der Knochen aktiv in die raue Oberfläche des Implantats ein.
Bei zementierten Implantaten wird ein spezieller Knochenzement verwendet, um das Implantat im Knochen zu befestigen. Professor Christian Merle vom Diakonie Klinikum Stuttgart erklärt, dass diese Methode für 15 bis 20 Prozent der Patienten besser geeignet sei.
Wenn Patienten eine schlechte Knochenqualität haben, etwa durch Bestrahlung, eine Tumorerkrankung oder Osteoporose, könne man durch den Knochenzement das Risiko eines Bruches nach der Operation deutlich verringern.
Coxarthrose: Wann beide Hüftgelenke gleichzeitig ersetzt werden
Eine doppelte Hüft-OP kommt nur unter bestimmten Voraussetzungen in Frage. Professor Aldinger sagt, von jährlich etwa 2.000 Hüftgelenken in seiner Klinik wird die doppelseitige Operation bei etwa 100 Patienten durchgeführt.
“Die Voraussetzung dafür ist, dass der Patient auf jeden Fall eine schwere Arthrose in beiden Hüften haben muss. Er sollte nicht älter als 70 Jahre alt sein, nicht rauchen und nicht übergewichtig sein. Und keine blutverdünnenden Medikamente einnehmen.”
Welche Komplikationen kann es bei einer Hüft-OP geben?
Neben allgemeinen Operationsrisiken wie Thrombose, Lungenembolie oder Infektionen kann es auch andere, selten auftretende Komplikationen geben. Professor Christian Merle verweist darauf, dass die Hüfte instabil sein oder auskugeln könne.
Außerdem könne es zu Brüchen rund um die Implantate oder zu einer Beinlängendifferenz kommen.
Direkt nach der Hüft-OP wichtig: aufstehen und gehen
Physiotherapeut Jonathan Swieter vom Diakonie Klinikum Stuttgart erklärt, dass Frühmobilisation gleich nach der Operation sehr wichtig sei, da der Patient dadurch seinen Stoffwechsel anrege. Die Muskulatur werde gekräftigt und der Patient lagere auch nicht so schnell Wasser ein.
Das künstliche Gelenk kann direkt nach der Operation durch Gehen belastet werden. Professor Aldinger erklärt, auch wenn es etwas schmerzhaft oder unangenehm sein könne, den Patienten seien grundsätzlich alle Bewegungen nach der Operation erlaubt - “was zum Teil im Internet anders zu finden ist”.
Sie dürften zum Beispiel direkt in der ersten Nacht schon auf der Seite liegen oder auch Dinge wie Socken anziehen relativ schnell wieder machen. Nach etwa vier Wochen können Patienten langsam wieder mit Sport beginnen.
Welche Sportarten mit Gelenkprothese möglich sind
Die Fachgesellschaften empfehlen Trägern von Kunstgelenken bestimmte Sportarten. Dazu gehören Nordic Walking, Wandern, Schwimmen und Radfahren.
Etwas vorsichtiger sollte man bei Sportarten wie Tennis, alpinem Skifahren oder Bergwandern sein. Weniger empfohlen sind Ballsportarten wie Fußball oder Handball sowie Kampfsport oder Joggen - aufgrund der hohen Stoßbelastung und dem erhöhten Verletzungsrisiko. Allerdings sind Alter, Gewicht und vor allem sportliche Vorerfahrung ausschlaggebend.
So bleibt der Hüftgelenkersatz lange funktionstüchtig
Rauchen sollte vermieden werden, da es die Gewebedurchblutung beeinflusst, so Professor Peter Aldinger, Chefarzt des Endoprothetik Zentrums am Diakonie-Klinikum Stuttgart. Auch deutliches Übergewicht führe zu einer verkürzten Haltbarkeit und erhöhe die Komplikationsraten und Revisionsraten.
Grundsätzlich solle man aktiv bleiben und sich viel bewegen, denn das stärke den Muskelmantel rund um das Gelenk. Alle fünf Jahre sollte eine Kontrolluntersuchung gemacht werden.
Medizinische Fortschritte bei den Prothesen
Der spätere Austausch einer Hüft-Totalendoprothese (Hüft-TEP) ist komplexer als eine Erstoperation, aber durchaus gut machbar. Dank der neuen Beschaffenheit des Kunststoffes künstlicher Gelenke, ist der Austausch nicht mehr so häufig notwendig.
Heute bestehen künstliche Gelenke aus Titan und Kunststoff und können 20 Jahre oder länger halten. Dank neuer, minimalinvasiver Operationsmethoden und hochwertigeren Implantaten ist eine Hüft-OP heute viel weniger belastend für Patienten als früher.
Wie oft kommt es zu einer Lockerung des künstlichen Gelenks?
Professor Peter Aldinger erklärt, die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gelenkprothese 20 Jahre gut funktioniert, liege zwischen 80 und 90 Prozent – also sehr hoch.
Wie häufig man eine künstliche Hüfte austauschen kann
Wichtig ist hier, warum die Prothese ausgetauscht werden muss. Es hängt davon ab, welches Teil die Probleme verursacht - die Hüftgelenkspfanne oder der Hüftschaft.
Professor Aldinger weiß: “Meistens kann man zwei- oder dreimal die Hüfte austauschen. Und man findet meistens eine Lösung.”
Hüft- und Kniegelenk an einem Bein gleichzeitig austauschen?
Am gleichen Bein gleichzeitig an Hüfte und Knie künstliche Gelenke einsetzen - grundsätzlich sei das möglich, sagt Professor Aldinger. Aber er würde es nicht empfehlen.
“Meist empfehlen wir, zunächst das Hüftgelenk zu ersetzen, da bei einer Hüftarthrose der Schmerz auch ins Knie ausstrahlen kann. Sogar sehr häufig, gerade bei Männern.”
Oft sei es so, wenn die Hüfte ersetzt worden ist, werden anschließend auch die Knieschmerzen besser. Möglicherweise kann dann auf das künstliche Kniegelenk verzichtet werden.