Der Deutsche Bundestag ist das größte frei gewählte nationale Parlament der Welt. Nach der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar soll er aber von derzeit 733 auf 630 Abgeordnete schrumpfen.
Das macht die von der Ampel-Regierung beschlossene Wahlrechtsreform möglich. Ziel ist es, Kosten zu sparen und die Arbeit der Abgeordneten effizienter zu gestalten. Durch die Reduzierung der Sitze im Bundestag wird mit jährlichen Einsparungen von mehr als 100 Millionen Euro gerechnet.
"Die eigentliche Arbeit im Bundestag findet ja gar nicht im Plenum statt, sondern in den Ausschüssen, so ein bisschen hinter den Kulissen. Je mehr Personen beteiligt sind, desto schwieriger ist die Zusammenarbeit in den Ausschüssen. Das betrifft nicht nur die Räumlichkeiten, sondern auch die Organisation unter den Ausschussmitgliedern. Weniger Personen, bedeutet auch effizientere Arbeitsweise."
Ein guter Listenplatz ist nach wie vor wichtig
Die Sitze, die einer Partei anhand der Zweitstimmen im Bundestag zustehen, werden zuerst mit den siegreichen Direktkandidaten der Partei besetzt. Sind dann noch Sitze anhand des Zweitstimmen-Kontingents frei, ziehen die Kandierenden von der Liste in den Bundestag ein.
Neu: Überhangsmandate entfallen
Nach wie vor wählt man mit der Erststimme den Direktkandidierenden für den Wahlkreis, mit der Zweistimme eine Partei. Die Anzahl der Zweitstimmen, die eine Partei bei der Wahl erhält bestimmt, wie viele Sitze sie im Bundestag bekommt. Nach dem alten Recht zog auch jeder Kandidierende, der einen Wahlkreis über die Erststimmen gewonnen hatte, ins Parlament ein. Gewann eine Partei also beispielsweise in sechs Wahlkreisen das Direktmandat und ihr standen aber anhand der Zweitstimmen nur 4 Sitze im Bundestag zu, zogen die Direktkandidaten trotzdem in den Bundestag – mit sogenannten Überhangmandaten. Damit das Wahlergebnis aber korrekt im Bundestag abgebildet wurde, bekamen die anderen Parteien Ausgleichsmandate.
Das geht mit dem neuen Wahlrecht nicht mehr. Wenn bei der kommenden Wahl mehr Kandidierende einer Partei Wahlkreise gewinnen als die Partei anhand der Zweitstimmen Sitze bekommen dürfte, werden Mandate gestrichen – und zwar die Mandate von den Kandidierenden, die ihren Wahlkreis mit dem schlechtesten Ergebnis gewonnen haben. Das dürfte in Rheinland-Pfalz am ehesten die SPD und CDU betreffen, die bei der letzten Wahl die meisten Erststimmen gewonnen haben. Kleinere Parteien wie zum Beispiel die FDP ziehen traditionell über die Zweitstimmen in den Bundestag.
Kritik an der Wahlrechtsreform
Zunächst einmal finden die meisten es richtig, dass der Bundestag kleiner wird. Was aber die Zweistimmendeckung angeht, gibt es Bedenken. Die Befürchtung: Bekommt ein siegreicher Direktkandidat keinen Sitz im Bundestag, weil es keine Überhangmandate mehr gibt, könnte ein Wahlkreis am Ende ohne eine Vertreterin oder einen Vertreter im Bundestag sein.
Diese Befürchtung teilt Politikwissenschaftlerin Paula Windecker nicht: "Das heißt aber nicht, dass aus diesem Wahlkreis am Ende niemand im Bundestag sitzt, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass die unterlegenen anderen Kandidierenden, die um das Direktmandat gekämpft haben, auf der Landesliste ihrer Partei stehen und dann über die Liste sehr wahrscheinlich einziehen werden. Sodass am Ende im Bundestag auch irgendjemand aus diesem Wahlkreis sitzen wird – die Wahrscheinlichkeit ist zumindest sehr sehr hoch." Außerdem zeige die Forschung, dass auch Abgeordnete, die über die Liste – also nicht über das Direktmandat – in den Bundestag ziehen, sich dort für die Interessen ihres Wahlkreises einsetzen, erklärt Paula Windecker.
Die CDU/CSU kritisiert die Wahlrechtsreform, weil sie bisher von vielen Überhangmandaten profitierte. In den allermeisten Fällen richtete sich der Ausgleich an die CSU, weil sie so viel mehr Direktmandate hatten als ihnen Zweitstimmen zustehen, da sie eben nur in Bayern antreten und bundesweit nicht so viele Zweitstimmen bekommen.
Bundestagswahl 2025 FAQ zur Wahlrechtsreform: Diese Folgen hat ein kleinerer Bundestag für die Wahl
Die Wahlrechtsreform wird den Bundestag verkleinern. Das hat tiefgreifende Folgen für die Bundestagswahl 2025. Wahlkreis-Sieger könnten leer ausgehen.
Warum es weniger Stimmensplitting geben könnte
Am Stimmzettel ändert sich nichts. Es gibt weiterhin eine Erst- und eine Zweitstimme. Wählende, die bisher ihre Stimmen gesplittet haben – also mit der Erststimme einen Kandidaten einer Partei gewählt haben und mit der Zweitstimme aber eine andere Partei – könnten sich jetzt andere strategische Gedanken machen. Die Wissenschaftlerin geht davon aus, dass einige Wähler jetzt ihrem präferierten Direktkandidaten auch mit der Zweitstimme den Rücken stärken und es weniger Stimmensplitting gibt. Das neue Wahlrecht stärkt die Zweitstimme in Deutschland.
Die 5%-Hürde sowie die Grundmandatsklausel gelten weiter
Einen Punkt in der Reform des Wahlrechts kippte das Bundesverfassungsgericht 2024. Demnach gilt weiter die 5%-Hürde und die Grundmandatsklausel. Eine Partei, die bundesweit mehr als 5 Prozent der Zweistimmen gewinnt, zieht in den Bundestag ein. Wenn eine Partei mindestens drei Direktmandate gewinnt, darf sie auch dann in den Bundestag, wenn sie es nicht über die 5%-Hürde schafft. So war es 2021 beispielsweise bei der Linken.
Bundesverfassungsgericht: Neues Wahlrecht ist "überwiegend verfassungsgemäß"
2023 hatte der Bundestag mit den Stimmen der Ampel-Koalition ein neues Wahlrecht beschlossen. U.a. wurde die sogenannte Grundmandatsklausel gestrichen, von der bisher vor allem CSU und die Linke profitiert haben. Diese fühlten sich benachteiligt und klagten gegen das neue Bundeswahlgesetz vorm Bundesverfassungsgericht. Nun hat der Zweite Senat sein Urteil verkündet: Das Bundeswahlgesetz ist überwiegend verfassungsgemäß. Die 5%-Sperrklausel ist derzeit aber verfassungswidrig. Bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber gilt bis auf Weiteres die Grundmandatsklausel fort.
Wehrhafte Demokratie Wie man die Demokratie schützen kann
In Deutschland demonstrieren zurzeit viele Menschen gegen Rechtsextremismus. Sie haben das Gefühl, die Demokratie verteidigen zu müssen.