Immer mehr Kinder und Jugendliche erkranken an Essstörungen. Um fast 20 Prozent sind die Zahlen stationärer Krankenhausaufenthalte wegen Magersucht im vergangenen Jahr in Deutschland gestiegen. Auch die Corona-Pandemie trägt zu dieser Entwicklung bei.
Bei einer Essstörung ist das Verhältnis zum eigenen Körper und der Umgang mit Nahrung gestört. Neben anderen Essstörungen wie der Bulimie oder dem Binge-Eating-Syndrom geht es bei Betroffenen der Magersucht – auch Anorexia nervosa genannt - vor allem um die Verringerung ihres Gewichts. Als magersüchtig gilt, wessen Body-Mass-Index (BMI) unter 17,5 liegt. Mediziner unterscheiden zwischen zwei Verlaufsformen: bei der restriktiven Form wird die Nahrungszufuhr stark eingeschränkt, meist in Kombination mit exzessivem Sporttreiben. Bei der aktiven Verlaufsform tragen Betroffene zusätzlich durch die Einnahme von Abführmitteln zu ihrem Gewichtsverlust bei.
Magersucht kann tödlich sein
Der Nährstoffverlust führt bei Betroffenen oft zu Haarausfall, bei Frauen bleibt die Regel aus und Betroffene leiden unter kardiologischen Problemen sowie einem Ungleichgewicht des Elektrolythaushalts. Das kann im schlimmsten Fall lebensgefährlich sein.
Ein Prozent aller jungen Frauen und Mädchen sind von Magersucht betroffen.

"Wir wissen von bestimmten Persönlichkeitseigenschaften, von sehr perfektionistischen Mädels mit geringem Selbstwert- oder Körpergefühl. Aber auch bestimmte Sportarten, die einen hohen Leistungsanspruch haben, wie zum Beispiel Ballett, sind Risikofaktoren."
Soziale Medien sind Risikofaktor für die Entwicklung einer Essstörung
Auch die sozialen Medien sind mittlerweile ein erheblichen Einflussfaktor. Das Vergleichen untereinander und die Inhalte von Fitness- oder Ernährungscoachs, die auf ihren Kanälen ein ideologisches Bild vermitteln, können gerade junge Menschen stark beeinflussen.
Ein entscheidender Faktor der Erkrankung ist das Streben nach Kontrolle: Kontrolle über das eigene Essen zu haben, Kalorien zu zählen, die Erfolgserlebnisse auf der Waage zu sehen – all das sind Aspekte, die Betroffenen – vor allem Mädchen mit einem geringen Selbstwertgefühl – ein unglaublich positives Gefühl geben. Aus einem anfänglichen Wunsch, Gewicht zu verlieren, entwickelt sich dann oft schleichend ein Kampf gegen das natürliche Bedürfnis, zu essen.
Soziale Isolation und fehlende Bestätigung während der Corona-Beschränkungen
Während der Lockdown-Phasen sind Erfolgserlebnisse aus dem alltäglichen Leben weniger geworden. Das ist für Dr. Rebekka Schwarz eine mögliche Erklärung für die steigenden Fallzahlen in der Corona-Pandemie:
"Die Bestätigung durch Schule ging verloren, sie haben keine Rückmeldung über ihre Leistungen mehr bekommen. Diese Rückmeldung konnten sie holen, indem sie immer mehr Sport gemacht haben und immer weniger Gewicht auf der Waage hatten."
Hier finden Betroffene Hilfe
Eine erste Anlaufstelle für Betroffene sollte in erster Linie der Haus- oder Kinderarzt sein. Dort muss festgestellt werden, wie weit die Magersucht bereits fortgeschritten ist und welche Art der Therapie sich anbietet. In vielen Fällen reicht eine ambulante Therapie aus, manchmal können ein Klinikaufenthalt oder therapeutische Wohngruppen der letzte Ausweg sein.
Der Bundesfachverband Essstörungen stellt zahlreiche Informationen und Adressen zur Verfügung sowie einen "Quickcheck Essstörungen", der schon erste Hinweise auf eine mögliche therapiebedürftige Störung geben kann.