Labortest

Resistente Keime im Putenfleisch

Stand

Von Autor/in Patricia Metz

Putenfleisch gilt als gesund - doch immer wieder werden multiresistente Keime gefunden. Wie groß ist das Problem tatsächlich? Und was bedeutet das für uns Verbraucher?

Immer öfter sind Bakterien gegen mehrere Antibiotika resistent. Wer sich mit solchen Keimen infiziert, dem helfen Antibiotika nicht mehr. Schätzungen des Robert-Koch-Instituts zufolge sterben in Deutschland jährlich knapp 10.000 Menschen durch antibiotikaresistente Bakterien. Die Mikrobiologin und Veterinärmedizinerin Prof. Dr. Katharina Schaufler vom Helmholtz Institute for One Health in Greifswald sieht eine zunehmende Gefahr durch resistente Bakterien: „Antibiotika Resistenzen sind eine der größten globalen Herausforderungen, die wir haben. Wenn wir jetzt nichts dagegen tun, haben wir in Zukunft eventuell keine Mittel mehr zur Verfügung, um Infektionskrankheiten zuverlässig zu therapieren.“

Resistente Keime auf Geflügel – ein bekanntes Problem

Der Verkauf von Geflügelfleisch, auf dem sich antibiotikaresistente Bakterien befinden, ist legal. Und es gibt per Gesetz auch keine Grenzwerte für diese Erreger.

Bekannt ist das Problem schon länger: 2021 ließ die Deutsche Umwelthilfe unter Federführung der Agrarreferentin Reinhild Benning 62 Proben Putenfleisch der Haltungsform 2 aus Aldi und Lidl-Filialen untersuchen. Das beunruhigende Ergebnis: Auf fast jeder dritten Probe fanden sich Antibiotikaresistenzen. Jede sechste Probe wies Resistenzen gegen Reserveantibiotika auf. Das erschreckt besonders, denn das sind die wichtigsten Antibiotika für Menschen. Sie sollen für Notfälle reserviert werden, wenn kein anderes Mittel mehr hilft.

Der Labortest

Unter strenger Einhaltung der Kühlkette haben wir stichprobenartig 14 Proben Putenfleisch eingekauft. Darunter eine ohne Angabe der Haltungsform, siebenmal Haltungsform 2, dreimal Haltungsform 3 und dreimal Haltungsform 5.

Gut gekühlt gingen die Proben ins Labor des Helmholtz Institute for One Health nach Greifswald. Vor Ablauf des Verbrauchsdatums wurden die Proben dort angesetzt. Gesucht wurde nach verschiedenen resistenten Keimen, u.a. auch die häufigsten multiresistenten Erreger MRSA und ESBL. Sie machen wichtige Antibiotika für den Menschen unwirksam.

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Antibiotikaanwendungen in der Intensivmast häufiger

Außerdem wollten wir wissen, ob Antibiotikaresistenzen eine Frage der Haltungsform sind. Da es aktuell für Puten abgesehen von Bio-Puten keine rechtsverbindlichen Vorschriften gibt, wie viele Tiere maximal in einem Stall sein dürfen, verbringen die Tiere in der Intensivmast bei den Haltungsformen 1 bis 3 ihr ganzes Leben zusammen mit mehreren tausend Artgenossen in einem Stall.

So ist nach einer freiwilligen Vereinbarung der Putenmäster eine Besatzdichte von drei Truthähnen, beziehungsweise fünf Truthennen pro Quadratmeter Stallfläche vorgesehen. Ställe in der Intensivmast haben zum Teil eine Grundfläche von rund 2.000 Quadratmetern.

„Das begünstigt natürlich die Entstehung von Infektionskrankheiten, die wiederum häufig mit Antibiotika behandelt werden müssen und so eben auch zu einem erhöhten Einsatz von Antibiotika führen,“ sagt die Veterinärmedizinerin Katharina Schaufler.

Testergebnis: 6 von 14 Proben mit Resistenzen belastet

In sechs der untersuchten Proben fanden sich resistente Bakterien, darunter MRSA-Keime, multiresistente E.Coli und Lungenentzündungsbakterien. Drei Proben waren mit mehreren multiresistenten Erregern belastet. Auch eine der drei Bio-Fleisch-Proben war belastet. Die Verteilung der Resistenzen entsprach einer Prozentzahl von 45 Prozent bei den konventionellen und 33 Prozent bei den ökologisch erzeugten Fleischproben.

Mikrobiologin Katharina Schaufler erläutert den Fund im Bio-Fleisch so: „Zum Beispiel kann es auch im Schlachthof, wo dann beide Haltungsformen zusammen geschlachtet werden, zu Kreuzkontaminationen kommen. Aber prinzipiell ist es schon so, dass in der Ökolandwirtschaft weniger Antibiotika eingesetzt werden und dadurch auch weniger multiresistente Erreger entstehen.“

Das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nimmt das Problem von Resistenzen in Putenfleisch nach eigener Aussage „sehr ernst“. Auf unsere Nachfrage erklärt es, dass es „…konsequent das Ziel [verfolge], den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung nachhaltig auf das therapeutisch erforderliche Minimum zu reduzieren.“ 

Gute Küchenhygiene bei der Puten-Zubereitung wichtig

Außerdem betont das BMEL, dass die Einhaltung einer guten Küchenhygiene essentiell sei zur sicheren Zubereitung von Putenfleisch. Die Diplom Öko-Trophologin Anja Tanas begründet diese Sicherheitsmaßnahmen so: „Rohes Geflügel ist immer ein sensibles Produkt, weil immer Keime enthalten sind, im schlimmsten Fall antibiotikaresistente Bakterien.“

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Grundregeln für den sicheren Umgang mit rohem Putenfleisch

  • Putenfleisch immer in der kältesten Zone des Kühlschranks lagern bei max. 4 Grad und immer bis zum Ende des Verbrauchsdatums zubereiten, am besten so schnell wie möglich.
  • Geflügel auf keinen Fall abwaschen! Damit könnte man eventuell anhaftende resistente Keime durch das Spritzwasser in der Küche verteilen.
  • Die leere Fleischverpackung und den Tropfsaft sofort kontaktlos in den Hausmüll entsorgen.
  • Kreuzkontaminationen von roh zu verzehrenden Lebensmitteln wie Salat und Obst vermeiden, indem man nicht die gleichen Küchenutensilien verwendet.
  • Vor Kontakt mit Küchengegenständen und Mobiliar Hände mit heißem Wasser und Seife gründlich waschen.
  • Schneidebrett und Messer nach Gebrauch direkt mit heißem Wasser und Spülmittel sorgfältig abwaschen.
  • Geflügelfleisch - egal ob im Ofen, in der Pfanne oder auf dem Grill zubereitet -immer vollständig durchgaren, um möglicherweise enthaltene Krankheitserreger unschädlich zu machen. Im Zweifelsfall ein Fleischthermometer verwenden. Die Kerntemperatur sollte mindestens für zwei Minuten über 70 Grad Celsius liegen.

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Christoph Teves
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Patricia Metz