Müdes Material

Fahrradhelme, Kindersitze, Wärmflaschen: je älter der Kunststoff, desto gefährlicher

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Von Autor/in Jonas Pospesch / SUPER.MARKT rbb, 14.04.2025

Produkte aus Plastik können Leben retten oder es erleichtern - wenn das Material elastisch ist. Doch Kunststoffe können unsichtbar altern. Dann kann es im Alltag gefährlich werden.

Wärmflaschen, Flaschen für Trinkwassersprudler, Motorrad- oder Fahrradhelme, Kindersitze und Benzinkanister: Ein Teil oder alles hat wohl fast jeder zu Hause oder in der Garage. Solche Alltagsprodukte bestehen aus Kunststoffen. Deshalb sollte man sie sicherheitshalber regelmäßig austauschen.

Fahrradhelm nicht ständig Sonne und Regen aussetzen

Wie sehr das Alter und äußere Einwirkungen dem Kunststoff zusetzen, dazu forscht Magdalena Goslinska an der Technischen Universität Berlin. Laut Goslinska gibt es für Kunststoffe diverse Alterungsfaktoren:Temperatur, UV-Strahlung, Feuchtigkeit, Einfluss von Chemikalien sowie die mechanische Belastung.

Durch diese Alterungsfaktoren brechen die Kohlenstoffketten aus denen ein Kunststoff besteht. Dies führt zu einer Abnahme der Belastbarkeit. Für Radlerinnen und Radler heißt das: Besser den Fahrradhelm weder dauerhaft in der Sonne liegen lassen noch draußen am Fahrrad hängen lassen und so dem Regen aussetzen.

Kunststoff-Produkte im Härtetest - weniger Puffer bei älterem Plastik

In einer Stichprobe der ARD-Verbraucherredaktion sind drei Fahrradhelme verglichen worden. Einer ist neu, einer viereinhalb Jahre alt, ein Exemplar zehn Jahre alt. Proben der Helme wurden einem Schlagpendel ausgesetzt. Dadurch konnte gemessen werden, wie viel Energie das Material absorbiert.

Auch wenn dieser Versuch nicht unter Laborbedingungen stattfindet, zeigt er deutlich: Das Material des ältesten Helms absorbiert die geringste Energie. Bei einem Sturz würde der Helm den Aufprall also weniger abpuffern. Der neue und der viereinhalb Jahre alte Helm liegen wie erwartet dicht beieinander. Bei einer normaler Benutzung halten Fahrradhelme in der Regel fünf Jahre, so die Auskunft verschiedener Hersteller. Das Produktionsdatum findet sich - wenn auch sehr klein gedruckt - im Helm.

Bei normaler Benutzung halten Fahrradhelme aus Kunstoff fünf Jahre, so die Auskunft verschiedener Hersteller. Das Produktionsdatum findet sich - wenn auch sehr klein gedruckt - im Helm.  Das Material kann ebenso wie beim Kindersitz oder der Wärmflasche brüchig werden.
Bei normaler Benutzung halten Fahrradhelme aus Kunststoff in der Regel fünf Jahre, so die Auskunft verschiedener Hersteller. Das Produktionsdatum findet sich klein gedruck im Helm.

Unsichtbare Schäden können zum Sicherheitsrisiko werden

Fachleute raten grundsätzlich davon ab, einen Fahrradhelm gebraucht zu kaufen. Hauptproblem ist, laut Claudia Löffler vom ADAC, die unbekannte Vorgeschichte des Fahrradhelms. Man wisse halt nicht, was der Helm schon alles erlebt hat. Sei ein Sturz erfolgt, könnten unsichtbare Schäden entstanden sein - etwa kleinere Risse, die man auf den ersten Blick nicht sehen könne.

Ein neuer Helm hat keine Vorgeschichte

Dann lieber einen günstigen, aber gut getesteten Helm kaufen. Es gibt schon welche ab 15 Euro, so die Angabe von Claudia Löffler. Der ADAC testet häufig Fahrradhelme für Erwachsene.

Materialermüdung beim Kindersitz

Auch bei Kindersitzen ist es enorm wichtig, dass der Sitz in bestem Zustand ist. Bei einem Unfall mit Aufprall entstünden unglaublich starke Kräfte, die auf den Kindersitz einwirkten, erläutert die ADAC-Expertin. Der Automobilclub untersucht auch regelmäßig Kindersitze. Löffler: "Der Sitz muss in der Lage sein, das Kind wirklich noch zu halten in der Position, wie es sitzt." Dabei müsse der Kindersitz selbst auch stabil sein, denn sonst könne es zu einem tödlichen Unfall kommen.

Bei Second-Hand-Ware Gurte und Polsterung prüfen

Bei den hohen Preisen von Kindersitzen, die 200 Euro und mehr kosten können, greifen viele Eltern zu günstiger Second-Hand-Ware. Eltern, die mehrere Kinder haben, nehmen den alten Kindersitz, der eventuell schon vor Jahren gekauft wurde.

Wer das vorhat, sollte auf folgende Merkmale achten:

  • Sind Gurte und Gurtmechanismus noch intakt?
  • Dann die Polsterung entfernen und genau checken: Gibt es Risse oder Verformungen an der Schale?
  • Sind auch nur kleine Bruchstellen vorhanden: Kindersitz auf keinen benutzen!

Achtung: Sitze, die nach den veralteten Normen R44/01 und R44/02 zugelassen wurden, dürfen nicht mehr benutzt werden. Die Norm steht auf dem orangefarbigen Prüfsiegel am Sitz.

Die ADAC-Expertin rät außerdem dazu, in die Bedienungsanleitung zu schauen. Wie lange empfiehlt dort der Hersteller eine Nutzung des Kindersitzes. Sind weder Bedienungsanleitung noch eine Altersangabe am Sitz vorhanden, läßt sich anhand der Modellnummer im Internet das ungefähre Alter bestimmen.

Je älter die Wärmflasche, desto stärker ist das Material vorgedehnt

Auch bei Wärmflaschen ist das Herstellungsdatum wie bei einer TÜV-Plakette angegeben. Ist die Wärmflasche aus Kunststoff, sollte sie nach fünf Jahren ausgetauscht werden.

Bei einer Stichprobe der ARD-Verbraucherredaktion wurde das Material einer neuen Wärmflasche mit einer 19 Jahre alten Wärmflasche verglichen. Standardisierte Teststreifen wurden aus beiden Wärmflaschen heraus gestanzt. Mithilfe einer Maschine ist dann gemessen worden, wie viel Zugkraft das Material aushält, bevor es reißt. Ergebnis: Das Material der alten Wärmflasche dehnt sich zwar weiter, reißt aber unter weniger Kraft als das der neuen.

Wie schwach ein Kunststoff im Laufe der Zeit wird, hängt auch damit zusammen, wie man ihn behandelt. Bei der Wärmflasche heißt das zum Beispiel: Kein kochendes Wasser einfüllen. Denn Wärmflaschen werden normalerweise aus PVC - also Polyvinylchlorid - hergestellt. PVC hat, wie jeder andere Kunststoff, bestimmte Anwendungsgrenzen.

Mit der Zeit und unter dem Einfluss von hoher Temperatur dehne sich die Wärmflasche aus, erläutert Magdalena Goslinska von der TU Berlin. Letztlich könne es dazu kommen, dass die Flasche platzt. Am wahrscheinlichsten gehe die Naht kaputt. Dies sei eine Schwachstelle des Produkts, so die Forscherin.

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Für die eigene Sicherheit auf Herstellerangaben achten

Die Angaben der Hersteller, wie lange man ihre Produkte nutzen kann, sind Richtwerte mit Sicherheitspuffer. Dennoch: Gerade bei Produkten, die vor Verletzungen schützen, sollte man es nicht drauf ankommen lassen.

Auch sehr stabiler Kunststoff wie Polycarbonat kann spröde werden

Ein aktuelles Beispiel in der Forschung ist das normalerweise sehr belastbare Material: Polycarbonat. Wie es auf Kühlmittel reagiert, ist in der Praxis höchst relevant. Sicherheitsscheiben für Industriemaschinen sind aus Polycarbonat.

Normalerweise halte Polycarbonat sehr hohe dynamische Belastungen aus, so Magdalena Goslinska von der TU Berlin. Unter dem Einfluss von Chemikalien nähmen mechanische Eigenschaften von Polycarbonat allerdings ab: "Das bedeutet: Das Polycarbonat wird spröde und geht schnell kaputt." Durch falsche Behandlung könne also auch ein sehr stabiler Kunststoff brüchig werden, so die Wissenschaftlerin.

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Jonas Pospesch / SUPER.MARKT rbb, 14.04.2025
Onlinefassung
Petra Thiele
SWR-Wirtschaftsredakteurin Petra Thiele