Ein schmelzendes Kabel, brennende Heizsohlen, ein Saugroboter, der eine Doppelhaushälfte in Brand setzt - alles Beispiele für gefährliche Produkte, die in China hergestellt und auf Online-Plattformen verkauft werden. Doch wie landen solche Artikel überhaupt auf dem deutschen Markt?
Marktüberwachung in Deutschland: Wer ist eigentlich zuständig?
Für die Marktüberwachung gibt es in Deutschland sehr viele verschiedene Behörden. Einige davon sitzen in Kolberg in Brandenburg. Mitten im Wald befindet sich ein Hightech-Labor der Bundesnetzagentur. In diesem Spezial-Labor testen Marktüberwachungsexperten jeden Tag im Zweischichtbetrieb Alltagsprodukte unter anderem darauf, ob sie Funkstörungen verursachen, die schwerwiegende Folgen haben können.
Labortest: Drei Geräte, drei Auffälligkeiten
Ein Batterieladegerät, ein Sender für eine Rückfahrkamera und eine Unterbauleuchte für Küchenschränke - mithilfe der drei stichprobenartig ausgewählten Produkte verdeutlichen Frank Siebert, Leiter des Messlabors Kolberg, und Prüfingenieur Eric Brüsewitz, wie wichtig Kontrollen im Labor sein können. Die Produkte stammen aus Testkäufen der Behörde. Die Unterbauleuchte kommt von einem lokalen Händler, die anderen beiden Artikel aus dem Onlinehandel.
Da der Raum mit Spezialwänden ausgestattet ist, die Funkwellen schlucken, können sie ohne Reflexionen gezielt die Funkwellen einzelner Geräte messen. Dazu wird im Labor eine Breitbandantenne genutzt. Die Tür muss vollkommen dicht schließen, damit keine Signale von draußen stören können.
Die Unterbauleuchte wurde in China produziert. Prüfingenieur Eric Brüsewitz stellt fest: Die Küchenlampe könnte zu Hause zum Beispiel die Internetleitung stören. Nicht direkt gefährlich, aber höchst ärgerlich für die Bewohner: Wer würde bei der Fehlersuche schon darauf kommen, dass eine Küchenlampe zum Problem für den Netzempfang wird?
Beim Batterieladegerät stellt sich heraus: Der Standardgrenzwert der Geräteklasse für die Abstrahlung von Funkwellen wird deutlich überschritten. Auch der Sender für die Rückfahrkamera sendet Funkwellen in einem Frequenz-Bereich, der für solche Geräte in Deutschland nicht zugelassen ist.
Produktrückrufe Immer mehr Rückrufaktionen - wie gefährlich sind die Produkte?
Brandgefahr, Explosionsgefahr, Gesundheitsgefahr– die Rückruf-Schlagzeilen machen Angst vor Konsum bis zur Todesfolge. Haben die zuständigen Behörden den Markt noch im Griff?
Unsichtbare Gefahr: Wenn Geräte auf verbotenen Frequenzen senden
Doch warum ist es problematisch, wenn die Grenzwerte überschritten werden? Welche Folgen das haben kann, zeigt Eric Brüsewitz mit einem einfachen UKW-Radio. Sobald das Batterieladegerät läuft, ist der Radioempfang weg.
Das Gefährliche: das Gerät stört nicht nur UKW, sondern es sendet auf sogenannten BOS-Frequenzen. Über diese kommunizieren Rettungsdienste, Polizei und Bundeswehr. Frank Siebert, Leiter des Messlabors Kolberg sagt dazu: „Die Menschen, die uns retten, sind darauf angewiesen, dass sie eine sichere Kommunikation haben. Wenn diese Kommunikation gestört ist, kann es um Leben und Tod gehen”. Der Sender für die Rückfahrkamera könnte im Straßenverkehr ebenfalls den Rettungsfunk stören.
Auch der Funkverkehr zwischen Tower und Flugzeugpiloten wird immer wieder gestört, weil technische Geräte auf unerlaubten Frequenzen senden. Wenn der Flugfunk abbricht, kann es gefährlich werden.
Warum sind gefährliche Produkte auf dem deutschen Markt?
Wie kann es sein, dass es Produkte zu kaufen gibt, die in Deutschland nie auf den Markt kommen dürften? Allein Millionen an Elektroartikeln werden jedes Jahr importiert. Obwohl täglich getestet wird, lassen sich etwa im Kolberger Labor jährlich nur rund 1.000 Produkte überprüfen. Die verschiedenen Prüfstellen in Deutschland werden der Masse an importierter Ware schlicht nicht Herr.
Doch: „Für die Hersteller ist es wichtig zu wissen, dass ihnen jemand auf die Finger guckt. Sie müssen das Risiko abwägen: Ist es ökonomisch lukrativ, ein möglich unsicheres Produkt in den Handel zu bringen oder werde ich dabei erwischt? Und idealerweise ist diese Präventionswirkung das eigentlich Entscheidende.“, ordnet Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur ein.
INTERSPORT sieht "Bedrohung" Billigpreise im chinesischen Online-Shop - wegen fehlender EU-Standards?
Eine "Bedrohung" nennt der INTERSPORT-CEO chinesische Online-Shops wie Temu oder SHEIN, der Verbraucherschutz warnt ebenfalls. Temu selbst betont dagegen die eigenen Bemühungen.
Was passiert mit auffälligen Produkten?
Ein Drittel der Produkte, die das Labor pro Jahr testet, ist auffällig. Dann nimmt die Bundesnetzagentur Kontakt mit den Herstellern auf und es kommt zu weiteren Prüfungen. Nur im Extremfall wird ein Produkt auch vom Markt genommen.
Diese Produkte landen dann auf der sogenannten Rapex-Liste, bzw. auf dem Safety Gate der EU. Dort können Verbraucher alle Produkte finden, die von den europäischen Marktüberwachungsbehörden bemängelt werden. Allerdings kennt kaum jemand diese Liste.

So erfinderisch sind TEMU, SHEIN, AliExpress und CO
Seit einigen Jahren drängen immer mehr Produkte über chinesische Onlineplattformen auf den Markt. Und die Händler von TEMU, SHEIN oder AliExpress sind laut Klaus Müller sehr erfinderisch, wenn es um Beanstandungen der Produkte gehe.
Wir sehen immer wieder Produkte, die entweder gegen Vorschriften verstoßen oder gefährlich sind. Und dann gehen wir dagegen vor. Interessanterweise reagieren die Plattformen häufig schnell und nehmen die Artikel vom Markt. Das Ärgerliche: ein oder zwei Wochen später taucht das Produkt nur leicht verändert oder unter einer anderen Adresse wieder auf.
Verbraucherschützer fordern Gesetzesänderung
Seit längerem fordern Verbraucherschützer: Plattformen wie TEMU und Co sollen sich nicht mehr so einfach aus der Verantwortung ziehen können. Es soll gesetzlich geregelt sein, dass die Online-Plattformen selbst für die Produkte haften.
„Würden wir zu einer direkten Haftung kommen, hätten die Verbraucher auch einen Anspruch gegenüber der Plattform”, erklärt Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Das habe den Vorteil, dass die Plattform die Unterhändler besser kontrollieren würde, weil sonst das Geschäftsmodell der Plattformen in sich zusammenbrechen würde. Außerdem hätten die Marktüberwachungsbehörden viel weniger Arbeit, da die Plattform selbst für die Produkte verantwortlich wäre, die über sie vertrieben werden.
Eine solche Gesetzesänderung würde auch Verbraucher noch besser vor gefährlichen Produkten aus China schützen und ihnen eine Entschädigung erleichtern.