Farbpsychologie und Marketing

Grün ist gesund? Wie uns grüne Verpackungen täuschen

Stand

Von Autor/in Maike Busse / Markt WDR 05.02.2024

Grüne Verpackungen suggerieren Gesundheit und Nachhaltigkeit. Doch was steckt wirklich dahinter? Wir decken auf, wie Farbpsychologie uns beeinflusst – und worauf Sie achten sollten.

Grün steht für Natur, Frische und Nachhaltigkeit. Doch in den Supermarktregalen scheint die Farbe Grün auch zum Symbol für cleveres Marketing geworden zu sein.

Grün - die Farbe der Natur oder nur ein Marketingtrick?

Von „Plant-Based Nutella“ über vegane Käsealternativen bis hin zu Kinder-Snacks – grüne Verpackungen suggerieren Gesundheit, Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit. Doch was steckt wirklich dahinter? Und wie leicht lassen wir uns von grünen Verpackungen und Werbeversprechen täuschen? Wir schauen hinter die Kulissen der Marketingabteilungen.

Grüne Verpackungen: ein Trend mit Tiefgang?

Immer mehr Lebensmittelhersteller setzen auf grüne Verpackungen, um ihre Produkte als nachhaltig und gesund zu positionieren. Selbst bekannte Marken wie Nutella haben ihr Sortiment erweitert: Seit Januar 2025 ist eine vegane Variante des Klassikers von Ferrero auf dem Markt, das „Plant-Based Nutella. Es präsentiert sich mit grünem Deckel und Blättchendesign.

„Grün steht heute für Nachhaltigkeit und Bio. Das ist ein Jackpot für die Industrie.“

Tatsächlich hat sich die Bedeutung der Farbe Grün im Laufe der Zeit gewandelt. Während sie früher mit „Giftgrün“ oder Unreife assoziiert wurde, ist sie seit den 1970er Jahren ein Symbol für Umweltbewusstsein. Seit den 2000er Jahren wird Grün gezielt in der Werbung eingesetzt, um Konsumenten anzusprechen.

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Plant-Based Nutella: Gesund oder nur grün angemalt?

Ein aktuelles Beispiel ist das neue „Plant-Based Nutella“ von Ferrero. Das vegane Produkt kommt mit grünem Deckel daher und wirbt mit einem natürlichen Image. Doch wie gesund ist es wirklich?

Stephan Lück, Lebensmitteltechnologe und Ernährungswissenschaftler, hat sich die Zutatenliste genauer angesehen. Er sagt: „Es ist im Prinzip wie das Original – nur in Grün. Es ist nicht nachhaltiger und nicht gesünder.“

Tatsächlich enthält das vegane Nutella fast 160 Gramm Zucker und 112 Gramm Fett pro 350-Gramm-Glas. Und es unterscheidet sich in Sachen Nährwert nur minimal vom Klassiker. Zwar wurde Milch durch Kichererbsenmehl ersetzt, doch Palmöl bleibt ein zentraler Bestandteil.

Ferrero schreibt uns auf Nachfrage dazu:

 „Der grüne Deckel von Nutella Plant-Based dient der Unterscheidung beider Varianten […] Wie bei Nutella classic ist Palmöl eine entscheidende Zutat, um die richtige Cremigkeit und einzigartige Streichfähigkeit von Nutella zu gewährleisten. Gleichzeitig hat Ferrero sich dazu verpflichtet, abholzungs- und ausbeutungsfreies Palmöl zu beschaffen.“

Doch Umweltorganisationen kritisieren, dass selbst zertifiziertes Palmöl oft mit Regenwaldzerstörung und Menschenrechtsverletzungen einhergeht.

Ein weiterer Punkt: Das „Plant-Based Nutella“ ist rund 40 Prozent teurer als das Original – ohne wirklichen Mehrwert für Gesundheit oder Umwelt.

Es grünt so grün - ein Blick in die Supermarktregale

Doch nicht nur Nutella setzt auf grüne Verpackungen. Auch viele andere Hersteller nutzen grüne Verpackungen, um ihren Produkten ein gesundes, nachhaltiges Image zu verleihen.

Doch bei genauem Studieren der Inhaltsangaben und Nährwerttabellen stellt man schnell fest, dass die Produkte nur selten wirklich gesund sind. Ein Beispiel sind die „Obsties“ von Alete, die mit einem grünen Blatt im Logo und der Aufschrift „ohne Zuckerzusatz“ werben.

Doch Stephan Lück warnt: „Ich kann mir vorstellen, dass Eltern glauben, vielleicht auch nur unterbewusst, dass sie es hier mit einem gesunden, trendigen, aber auch nachhaltigen und guten Produkt für das Kind zu tun haben. Aber 'ohne Zuckerzusatz' heißt nicht, dass das Produkt keinen Zucker enthält.“

Denn durch den Prozess des Gefriertrocknens kommt es bei diesem Produkt zu einer Aufkonzentrierung des Fruchtzuckers. Der Zuckeranteil liegt somit bei fast 70 Prozent. Der Hersteller, der Molkereikonzern Deutsche Milchkontor schreibt uns dazu: „Die verwendete Auslobung „ohne Zuckerzusatz“ entspricht den derzeit gültigen lebensmittelrechtlichen Anforderungen [...] der Zuckergehalt im Produkt stammt ausschließlich aus den verwendeten Fruchtpüree(-konzentraten).“

Auch der vegane „Reibegenuss“ von Lidls Eigenmarke „Vemondo“ sieht auf den ersten Blick gesund aus, hat jedoch den schlechtesten Nutri-Score (E). Stephan Lück erklärt: „Es handelt sich im Grunde nur um Fett, Kohlenhydrate und Salz – ohne nennenswerten Nährwert.“

Lidl schreibt uns dazu: „Die Farbe der Verpackung lässt keine Rückschlüsse auf die enthaltenen Inhaltsstoffe zu.“

Marketingtricks: Wie Verpackungen uns beeinflussen

Produktdesigner Dirk Hagen Zimmermann hat mit uns in einem Experiment gezeigt, wie stark grüne Verpackungen die Wahrnehmung von Produkten beeinflussen. Seine Agentur „Brandivision“ entwarf zwei fiktive Verpackungen für denselben „Vital-Taler“: eine schlichte und eine mit grünen Motiven, Blättern und Gütesiegeln.

Wir befragten Passanten in einer Einkaufsstraße. Die spontanen Reaktionen: „Die Grünen würden mich mehr ansprechen. Das sieht aus, als würde das besser schmecken.“, „Grün ist meine Lieblingsfarbe. Und ich bin eine Käuferin nach Optik.“, „Ich finde das wirkt positiver auf mich. Aber ich fall oft auf sowas rein.“.

Laut wissenschaftlicher Studien werden zwei Drittel aller Kaufentscheidungen emotional getroffen. Und etwa 62 bis 90 Prozent der Beurteilung eines Produkts basiert allein auf Farben.

Fazit: Augen auf beim Einkauf

Grün ist eine Farbe mit Symbolkraft, deshalb sind grüne Verpackungen oft ein cleverer Marketingtrick, um Produkte gesünder und nachhaltiger erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Also: Augen auf beim nächsten Einkauf!

Tipp für Verbraucher

Prüfen Sie die Zutatenliste und Nährwertangaben – unabhängig davon, wie gesund die Verpackung aussieht.

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