Es beginnt damit, dass Monika Westendorf in ihrem Keller in Köln Mäuse entdeckt. Sie sucht im Internet. Ganz oben in den Ergebnissen ihrer Suchmaschine Google wird ihr "Kammerjäger Steinmann" angezeigt – offenbar ein bezahltes Inserat in der Google-Suche.
Die Firma hat viele gute Bewertungen und eine Kölner Festnetznummer, scheint also in der Nähe zu sein. "Die klangen am Telefon sehr hilfsbereit und seriös", erinnert sie sich.
Kammerjäger verlangt viel Geld, droht mit Inkasso
Schon nach einer Stunde kommt ein vermeintlicher Kammerjäger, der im Keller einige Fallen auslegt. Dann der Schock: Er will dafür rund 2.200 Euro haben – und zwar sofort, sonst gäbe es Inkasso. "Das war für mich so ein Schock, dass ich überhaupt nicht mehr klar denken konnte." Sie ist überrumpelt, bezahlt direkt per Online-Banking.
Allein für die Mausefallen, die im Handel für unter zwei Euro zu haben sind, stellt der Schädlingsbekämpfer pro Stück satte 45 Euro in Rechnung. "Da war mir klar, dass ich total übern Tisch gezogen werde. Und trotzdem hab ich nicht mehr reagieren können und die Polizei rufen können."
Kammerjäger: Vorsicht vor unseriösen Anbietern
Carolin Semmler, Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW, kennt solche Fälle: "Kammerjäger sind eine Branche, bei denen leider häufig schwarze Schafe zu finden sind. Immer wenn Notsituationen ausgenutzt werden, dann ist das ein weites Feld auch für unseriöse Anbieter."
Wer steckt hinter der Firma Steinmann? Auf der Rechnung steht eine ganz andere Firma, "AJD Germany". Die Adresse: An der feinen Düsseldorfer Königsallee.
Doch dort kennt niemand die Firma. Schriftlich räumt AJD ein: Eigentlich sitze man in Berlin. Man habe aber einen Briefkasten in Düsseldorf. Und den Auftrag habe man an einen Subunternehmer gegeben, Herrn S. Der habe Frau Westendorf aber weder bedroht noch irgendetwas von Inkasso erwähnt. "Wir sind Teil eines bundesweiten Kammerjäger-Netzwerks, über das Aufträge von über 150 Schädlingsbekämpfungsbetrieben in ganz Deutschland vermittelt werden."
Produktsuche im Internet Geraten Kunden über Google-Werbung an Fakeshops?
Hinter etwa 20 Prozent der Anzeigen bei den Google-Suchergebnissen („Google Ads“) könnten Fakeshops stecken. Unternimmt der Konzern genug dagegen?
Kammerjäger und Handwerk: Das Netzwerk der Fake-Firmen
Und Steinmann? Bei Google tritt die Firma auch unter dem Namen "Steinbauer und Söhne" auf. An der angegebenen Adresse in Essen existiert sie jedoch nicht. Die gleiche Handynummer nutzt noch eine ganze Reihe weiterer Firmen. Darunter ein Kammerjäger namens "Munora", "Rehmann Rohrservice" und ein Elektriker namens "Engel".
Auch" Elektro Engel" hat verdächtig viele gute Google-Bewertungen – meist von Accounts ohne Profilbild. An der Adresse des angeblichen Elektrikers in Mülheim an der Ruhr ist nur ein Parkplatz.
Rohrreinigung: Scheinbar Anbieter in der Nähe
Die Webseite von "Rehmann Rohrservice" ist besonders geschickt gestaltet. Laut Impressum ist der Firmensitz in der Hauptstraße 45 in Frankfurt. Doch der Trick: Die Adresse ändert sich, je nachdem von wo aus man die Seite aufruft. So wird Kunden eine lokale Firma vorgegaukelt.
Auch die Fotos auf der Webseite sind gefälscht. Sie zeigen Klempner, die vor einem Lieferwagen stehen. Doch eine Rückwärtssuche zeigt: Das Bild ist von einem echten Klempner aus den USA. Die Aufschriften auf dem Lieferwagen wurden einfach per Photoshop ausgetauscht.
Abzocke mit Klempner-Diensten
Auch gewerbliche Kunden fallen auf die Masche rein. Mark Eich vom Transportservice Rheinland in der Nähe von Aachen gerät sogar gleich mehrmals an die Abzocker. Wegen einer verstopften Toilette sucht er bei Google nach einem Klempner – und findet "Rohrservice Rehmann". "Der war mit einer Spirale im Rohr, das war’s. Und wollte dann dafür 500 Euro."
Einige Zeit später braucht er einen Kammerjäger, wegen Ameisen in den Geschäftsräumen. Er ruft beim ersten Google-Treffer an. Es kommt – Überraschung – der gleiche Mann wie bei der Rohrreinigung. Der sprüht mit einer Wasserflasche, will dafür 1500 Euro. Nach zwei Stunden sind die Ameisen wieder da.
Unseriöse Handwerker-Vermittler: Suche nach den Hintermännern
Wer steckt hinter dem Netzwerk? Das Callcenter, das die Aufträge vermittelt, wird offenbar von einer Online-Marketing-Agentur namens Munogroup betrieben. Munogroup hat anscheinend auch die Webseiten von Elektro Engel und Rohrservice Rehmann erstellt. Die Agentur hat auch die Google-Anzeigen von "Kammerjäger Steinmann" bezahlt. Auf ARD-Anfrage behauptet die Munogroup jedoch, mit den Abzockerfirmen nichts zu tun zu haben:
Unsere Agentur erbringt ausschließlich Marketing- und Telekommunikationsdienstleistungen für verschiedene Anbieter und ist weder an der Preisgestaltung noch an der Auftragsabwicklung beteiligt.
Abzocker-Firmen: Google verdient mit
Google verdient an der Masche mit. Kammerjäger Steinmann hat immerhin das "Google-Käuferschutz"-Logo. Das garantiert laut Google "lokale Dienstleistungen bei einem entsprechend geprüften Unternehmen." Auf Anfrage der ARD erklärt Google nicht, wie diese Prüfung abläuft – und warum ein offensichtliches Fake-Unternehmen das Käuferschutz-Siegel erhalten hat. Google beantwortet auch nicht, wie viel man mit den Werbeanzeigen der Fake-Firmen verdient hat.
Tatort Garten Abzocke durch falsche Gärtner: Woran man sie erkennt
Angebliche Gartenbau-Profis versprechen in Zeitungsbeilagen schnelle Arbeiten. Wer sich darauf einlässt, muss oft viel Geld für Pfusch zahlen.
Handwerker in der Nähe? Vorsicht vor Google Anzeigen
Google räumt allerdings ein, Werbetreibenden automatisch lokale Festnetznummern bereitzustellen, die an die richtigen Nummern der Firmen umgeleitet werden können. Das ist ein Problem: Denn so können Firmen leicht suggerieren, dass es sich bei ihnen um ein lokales Unternehmen handelt – obwohl es in Wahrheit ganz woanders sitzt. Immerhin: Nach der ARD-Anfrage löscht Google die Seite von Kammerjäger Steinmann. Die Einträge zu "Kammerjäger Steinbauer" und "Elektro Engel" sind jedoch – Stand jetzt – weiter online.
Monika Westendorf aus Köln hat mittlerweile bei der Polizei Anzeige erstattet – die Ermittlungen laufen. Die Mäuse in ihrem Keller sind immer noch da, trotz der 2.000-Euro-Fallen. Sie hat deshalb einen anderen Kammerjäger beauftragt, zu einem deutlich günstigeren Preis. Den hatte ihr ein Bekannter empfohlen. Mundpropaganda ist in solchen Fällen wohl doch zuverlässiger als die Google-Suche.