„Der Koffer aus dem Mauerstreifen“. Die Autorinnen Marianne Wendt und FrŽédérique Veith versuchen 30 Jahre nach dem Mauerfall das RŠätsel des Koffers zu ergrüŸnden. © SWRFrŽédérique Veith (Foto: SWR, FrŽédérique Veith)

Interview zu „Der Koffer aus dem Mauerstreifen“ mit Frédérique Veith

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Wie gelangten Sie in den Besitz dieses Koffers, Frau Veith?

Bekommen habe ich den Koffer schon 2007, als ich wegen eines Films zur Berliner S-Bahn-Geschichte recherchierte. Ein ehemaliger Reichsbahnmitarbeiter fand den Koffer bereits Anfang der 1980er-Jahre an einem der stillgelegten Gleise am S-Bahnhof Gesundbrunnen, als er stillgelegte Gleise am Mauerstreifen kartografierte. Der Kofferinhalt, der wie in einer Zeitkapsel die Zeit überdauert hatte, weckte seine Neugier sofort und so ging er zuerst selber alles durch – ohne Erfolg. Als er mich dann Jahre später kennenlernte, schenkte er mir den Koffer, mit der Bitte, die Geschichte des Koffers zu erzählen.

Wie lange dauerte danach Ihre Spurensuche?

Sehr lange. Nachdem ich den Koffer 2007 erhalten hatte, stieß ich schon bald erste Recherchen an, allerdings alle erfolglos, da ich kein direkter Nachkomme des Kofferbesitzers bin. Meine Kollegin Marianne Wendt hatte dann die Idee, eine Hörfunkserie daraus zu machen. Erst durch wiederholtes Nachfragen in den Archiven, durch Treffen mit Zeitzeugen und das Aufsuchen der Originalschauplätze, die mit dem Koffer in Verbindung stehen, haben sich nach und nach die Puzzleteilchen zusammengefügt. Gemeinsam haben wir dann immerhin ein ganzes Jahr gebraucht, um alle Elemente zusammenzutragen.

Haben Sie herausgefunden, was es mit dem Inhalt des Koffers auf sich hatte und warum er am Fundort stehengelassen wurde?

Diese Fragestellung haben wir ins Zentrum unserer Serie gerückt und tatsächlich auch am Ende aufgelöst. Sie hat vielen Menschen Kopfzerbrechen bereitet. Das Erstaunliche ist, der Hinweis dazu befand sich die ganze Zeit im Koffer selbst: eine kleine Notiz auf einem Paketschein. Er war vor unseren Augen, doch erst am Ende der Suche konnten wir ihn richtig deuten.

Was erzählt der Koffer über die Nachkriegsgeschichte in Berlin?

Es geht in diesem Projekt darum, „Geschichte von unten“ zu erzählen, so hat es eine unserer Zeitzeuginnen formuliert – vom Erleben des Einzelnen auszugehen.
Auf den ersten Blick enthält der Koffer vor allem sehr viele persönliche Dinge wie Fotos, Bescheinigungen, Passierscheine, Strafzettel, Postkarten ... für uns erst einmal wie lauter Rätsel, die wir mithilfe von Zeitzeugen dechiffrieren mussten. Doch dadurch gewann das Umfeld, in dem sich der Kofferbesitzer bewegt haben muss, immer deutlichere Konturen. Besonders spannend ist natürlich der zeitgeschichtliche Hintergrund, den wir in der Serie fokussieren, nämlich der Moment, in dem Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg zum Zankapfel der Alliierten wurde. Klar kennen wir die Fakten, doch wie haben die Menschen in dieser Stadt das damals erlebt? Was bedeutete das für ihren Alltag? Darüber verrät der Koffer sehr viel.

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SWR