Schalte mit Kritikern der Corona-Berichterstattung und der SWR Unternehmenssprecherin  (Foto: SWR)

Einblick | 02.02.2021

Mehr Dialog bitte!

Stand
AUTOR/IN
Prof. Dr. Kai Gniffke

Mehrere Studien zeigen: Das Vertrauen in die Qualitätsmedien ist in der Corona-Krise gestiegen. Nun könnte ich mich als Intendant zurücklehnen und mir einreden, dass ja alles gut ist. Wenn da nicht diese Mails und Posts wären, in denen uns Menschen auf äußerst robuste Weise mitteilen, dass sie unsere Corona-Berichterstattung überhaupt nicht gut finden. Ende vergangenen Jahres hatte ich die Idee, einige dieser Kritiker einfach mal zu einem Gespräch einzuladen. Und jetzt fand das Meeting statt.

Von etwa 10 Eingeladenen kamen immerhin 3 zu diesem Treffen – leider nur digital, denn eigentlich war der Plan, sich zum Kaffee zu treffen. Aber auch unter diesen Umständen entwickelten sich 100 interessante Minuten, in denen wir – ohne uns zu schonen – über die Berichterstattung des SWR zum Thema Corona diskutiert haben. Weil wir uns darauf verständigt haben, dass ich offen über diesen Austausch schreiben kann, möchte ich einige Kernpunkte der Diskussion für Sie zusammenfassen. Zunächst die Argumente und Wünsche der drei Kritiker:

  • Der SWR sollte häufiger unterschiedliche Meinungen aus der Wissenschaft transportieren, auch in der Primetime. Hier fällt häufig der Name Sucharit Bhakdi.
  • Der SWR sollte weniger als bisher Angst und Panik schüren.
  • Die Etikettierung von Kritikern der Corona-Maßnahmen als Rechtsextreme ist eine falsche Verallgemeinerung und nervt.
  • Die Spaltung der Gesellschaft lässt sich nur durch ausgewogene Diskussionen ändern.
  • Die große Gruppe der Pandemie-Verlierer gerät beim SWR aus dem Blick.
  • Die Einschränkung der Grundrechte wird zu wenig thematisiert.
  • Der SWR sollte Menschen eine Perspektive und Zuversicht geben.

Ich weiß, diese Aufzählung ist stark verkürzt, aber ich glaube damit die Kernpunkte unserer drei Gäste getroffen zu haben. Hier nun meine Argumente, der Ausgewogenheit halber auch nur als Stichpunkte:

  • Wir sind der Meinung, dass wir bei der Auswahl der wissenschaftlichen Expertinnen und Experten berücksichtigen sollten, welche von anerkannten Fachzeitschriften und Institutionen als wissenschaftlich fundiert angesehen werden. Das bestimmt unsere Auswahl, die wir nicht nach eigenem Gutdünken treffen.
  • Wir berichten über Szenarien und Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung, damit schüren wir nicht Panik. Unsere Aufgabe ist es, abzubilden ohne zu dramatisieren oder zu beschwichtigen.
  • Warum wirft man uns vor, vorsätzlich für besonders scharfe Corona-Maßnahmen zu werben? Welches Interesse sollten wir daran haben?
  • Wenn wir politische Positionen berichten, machen wir sie uns nicht zu eigen. Der Überbringer der Botschaft ist nicht der Urheber.
  • Das gilt auch für die Wiedergabe herabsetzender Begriffe wie „Covidioten“, die wir uns ausdrücklich nicht zu eigen machen.
  • Wir haben sehr viele Berichte über Grundrechtseinschränkungen und negative Auswirkungen bereitgestellt.

Was ist also bei der Diskussion herausgekommen? Zunächst einmal die Erkenntnis, dass es möglich ist, sich respektvoll und engagiert über das Thema Corona auszutauschen, was in vielen Diskussionen im Bekanntenkreis oder auf der Straße nur selten gelingt. Das fanden wir alle bemerkenswert. Ich lasse dieses Gespräch jetzt nicht auf sich beruhen. In der kommenden Woche rede ich mit Kolleginnen und Kollegen im Haus über diesen Austausch und rege die Diskussion an, was wir tun können, um das Vertrauen in unsere Berichterstattung zu festigen. Dabei werde ich einen Gedanken ansprechen, über den wir in der Kritiker-Runde gesprochen haben: Ich finde es zwar abwegig, dass dem SWR unterstellt wird, für möglichst harte Corona-Einschränkungen zu sorgen, aber wir sollten dennoch eines überprüfen: Setzen wir zu viele Erkenntnisse als selbstverständlich bei unserem Publikum voraus und versäumen es dadurch, häufig und ausführlich genug die Hintergründe zu beleuchten oder das Zustandekommen von Zahlen zu erklären?

Auch im SWR-Intranet veröffentliche ich meine Gedanken über unser Treffen. Denn dieses Signal ist mir wichtig: Wir reden auch mit denen, die uns sehr kritisch beurteilen. Das tut uns gut und wir müssen den Diskurs nicht scheuen, denn wir haben sehr gute Argumente, wie ich finde. Bei den drei Diskutanten möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bedanken.

Ihr

Kai Gniffke

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Prof. Dr. Kai Gniffke