SWR2 Wissen

Sportlich ins Alter – Leistungskraft jenseits der 60

Stand
Autor/in
Marcus Schwandner
Marcus Schwandner
Onlinefassung
Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Immer mehr Menschen sind bis ins hohe Alter extrem sportlich. Warum und wie ältere Männer und Frauen so leistungsfähig bleiben, interessiert auch Wissenschaftler.

Viele ältere Menschen im Seniorensport aktiv

Längst gehören zu jedem Stadtlauf und jedem Marathon die 60-, 70- oder gar 80-jährigen Läufer dazu. In der vorletzten Saison wurden im Neuen Schloss in Stuttgart 219 Seniorensportler geehrt, alles Männer und Frauen, die bei Welt- und Europameisterschaften Medaillen errungen haben. Mit dieser Würdigung macht die Landesregierung seit 1994 auf den Seniorensport aufmerksam.

Und auch Wissenschaftler interessieren sich für die 'Masterathleten', wie sie die Leistungssportler jenseits der 60 nennen. Prof. Dieter Leyk von der Deutschen Sporthochschule Köln hat mit Kollegen die PACE Studie durchgeführt und darin die Leistungsfähigkeit im mittleren und höheren Lebensalter untersucht.

Leistung hat wenig mit Alter zu tun

Die überwiegende Mehrheit der Befragten stufte sich in den Fragebögen selbst als Freizeitsportler ein. Die meisten von ihnen trainierten drei- bis viermal pro Woche. Das gilt sowohl für die älteren als auch für die jüngeren Läufer. Diese sportlich aktiven Menschen konnten ohne Probleme ihre Leistungsfähigkeit halten oder gar ausbauen. Im Gegensatz zu jenen, die keinen Sport treiben. Die merken nämlich, dass sie mit zunehmendem Alter immer schlechter die Treppe hochkommen.

Das Forscherteam um Dieter Leyk konnte eindrucksvoll zeigen, dass ein Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit wenig mit dem Alter zu tun hat, aber viel mit dem Lebensstil. Wenn sich jemand nicht bewegt, lässt sein Leistungsvermögen nach. Der fortschreitende Muskelabbau im Alter schwächt den gesamten Stoffwechsel. Ein Kreislauf des Abbaus beginnt. Dasselbe gilt auch umgekehrt. Wer erst in späten Jahren anfängt sich regelmäßig zu bewegen, gewöhnt sich auch daran und profitiert sehr schnell von der sportlichen Betätigung.

Diese Erkenntnisse scheinen bei den Deutschen angekommen zu sein. Immer mehr Menschen treiben regelmäßig Sport. Dabei steigt der Anteil der über 50-Jährigen. Viele schließen sich einem Verein an: Neben dem Gesundheitsaspekt, ist die Geselligkeit in der Gemeinschaft ein ausschlaggebender Faktor. Frauen sind sportlich etwas aktiver als Männer, auch wenn sie im Wettkampf orientierten Leistungssport etwas seltener zu finden sind.

Tatsächlich länger leben

Laut einer Mainzer Studie steigt vor allem unter den 56- bis 80-Jährigen der Anteil der Frauen. In dieser Altersgruppe betreiben deutlich mehr Frauen Sport als Männer. Eine Studie aus Boston, an der sich 18.000 Frauen über 70 beteiligt haben, zeigt eindrucksvoll, dass sportliche Betätigung und regelmäßiges Training die Lebensdauer erhöht – je mehr Training, desto längeres Leben. Es lohnt sich also.

Frau an einem Übungsgerät im Fitness-Studio
Wer dreimal pro Woche Ausdauersport betreibt, lebt und bleibt gesünder, das zeigen alle Studien

Und dass Sport für ältere Menschen gefährlicher wäre als für junge, ist nicht bewiesen. Im Gegenteil, wie der Mediziner Prof. Jörn Rittweger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln herausgefunden hat. Danach nehmen Verletzungsrisiken während des Wettkampfs mit dem Alter nicht zu, sondern eher ab.

Möglicher Grund: Im Gegensatz zu jungen Athleten müssen ältere nicht ihren Lebensunterhalt mit Sport verdienen. Zudem zeigen Studien ganz klar, dass die älteren Sportbegeisterten kein erhöhtes Verletzungsrisiko aufweisen, dafür aber eine viel bessere Gesundheit haben. Der ganze Mensch profitiert also vom Sport. Das gilt auch für alle Hobbysportler.

Jungbrunnen auf allen Ebenen

Dabei muss im Alter niemand an Welt- oder Europameisterschaften teilnehmen, um gesundheitlich vom Sport zu profitieren. Wer dreimal pro Woche Ausdauersport betreibt, lebt und bleibt gesünder, das zeigen alle Studien. Der Blutdruck sinkt, die Herzfrequenz sinkt – sowohl in Ruhe als auch unter Belastung. Die Knochen sind fester. Das Körpergewicht normalisiert sich. Amerikanische und finnische Studien zeigen, dass Hobbysportler sogar eineinhalb bis zwei Jahre länger leben.

Das Bild vom Sport als 'Jungbrunnen' ist also nicht übertrieben. Sogar auf Ebene der Zellen hält Sport jung, wie eine neue Studie aus dem Saarland zeigt, für die Wissenschaftler die menschliche DNA untersucht haben. Das ist die Erbinformation in jeder Zelle, die in den Chromosomen gespeichert liegt. Am Ende der spindelförmigen Chromosomen sitzen sogenannte Telomere, die keine Erbinformation haben. Sie dienen als Schutz, etwa so wie die Plastikkappen am Ende eines Schnürsenkels.

Eine weitere Studie belegt, dass auch Menschen profitieren, die gerade mit Sport anfangen – allerdings nur dann, wenn sie Ausdauersport treiben: laufen, Radfahren, lange schwimmen.

Produktion 2018

Medizin und Gesundheit: aktuelle Beiträge

Recycling Neues Verfahren macht aus Plastikmüll Ethylen und Propylen

Schwedische Forscher nutzen ein Verfahren der Chemieindustrie, das sogenannte Steam-Cracking, um aus klinischem Plastikmüll Ethylen und Propylen zu gewinnen. Mit den Rohstoffen ließe sich neuer Kunststoff herstellen, anstatt wie bisher aus dem Müll nur minderwertige Produkte.

Impuls SWR Kultur

Medizin Diagnose per Video? Psychotherapie beim Hausarzt

Wer psychisch krank ist, braucht professionelle Hilfe. Doch Therapieplätze sind rar. In einem Forschungsprojekt der Uni Heidelberg wurde Psychotherapie per Telemedizin getestet - in den Räumen von Hausärzten. Ein Modell für die Zukunft?
Christine Langer im Gespräch mit Dr. Markus Haun, Leitung Heidelberger Institut für Psychotherapie

Impuls SWR Kultur

Medizin Wenn die Pubertät zu früh beginnt – wann und wie Eltern handeln sollten

Einige Anzeichen der Pubertät zeigen sich im Schnitt etwas früher als in den vergangenen Jahrzehnten, fast ausschließlich bei Mädchen. Das heißt aber nicht, dass die Pubertät tatsächlich auch früher beginnt. Doch manchmal startet sie deutlich zu früh, dann sollten Eltern handeln.
Stefan Troendle im Gespräch mit Dr. Judith Mayer, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen.

Impuls SWR Kultur