Der Anteil der Raucherinnen und Raucher, die versuchen, mit dem Rauchen aufzuhören, ist dramatisch zurückgegangen. 2016 starteten 34 Prozent einen Ausstiegsversuch innerhalb von zwölf Monaten, 2019 waren es nur noch 16 Prozent, so die regelmäßige "Deutsche Befragung zum Rauchverhalten".
1. Rauchen verändert das Gehirn
Den Tübinger Professor Anil Batra wundert es nicht, dass es so schwer ist, vom Rauchen loszukommen. Rauchen mache nach Einschätzung vieler Fachleute vielleicht sogar stärker abhängig als Heroin, sagt er, auf jeden Fall aber schneller. Die Sucht sei auch deshalb so stark, weil Rauchen das Gehirn verändere:
Das Gehirn reagiert auf die regelmäßige Zufuhr von Nikotin mit einer Veränderung der Zahl der Nikotinrezeptoren. Diese Regulation macht dem Raucher diese Entzugssymptome. Wenn auf den Zigarettenkonsum verzichtet wird, dann ist diese Dysregulation auf einmal bedeutsam: Es ist ein Überangebot von Rezeptoren da und es gerät das Gleichgewicht, auf das sich die Nervenzellen eingependelt haben, außer Kontrolle.
2. Nikotinersatzprodukte wirken nicht schnell genug bei Abhängigkeit
Um wenigstens Rückfälle in der ersten Zeit zu verhindern, wenn das Verlangen nach Nikotin stark ist, gibt es Nikotinersatzprodukte: Nikotin-Pflaster, Nikotin-Kaugummis und Nikotin-tabletten. Die deutsche Leitlinie "Rauchen und Tabakabhängigkeit", die unter Führung von Anil Batra erstellt wurde, empfiehlt sie, weil sie die Erfolgschancen deutlich verbessern.
Doch warum sind Nikotinersatzprodukte keine perfekten Mittel, um die Sucht loszuwerden?
Eine mögliche Erklärung: Sie liefern zwar Nikotin, aber nicht auf die Weise, wie das Rauchen von Zigaretten erst Abhängigkeit erzeugt und dann mit jedem Zug verstärkt. Denn im Vergleich dazu käme beim Rauchen das Nikotin mit einer Geschwindigkeit von zehn Sekunden im Kopf an, so Prof. Anil Batra.

3. E-Zigaretten helfen nicht gut gegen Abhängigkeit
E-Zigaretten helfen nicht so gut gegen die Abhängigkeit, wie sie es theoretisch müssten, und das sei nicht nur ein praktisches Problem, argumentiert der Suchtforscher Professor Robert West vom University College in London.
E-Zigaretten helfen den Leuten eher, mit dem Rauchen aufzuhören als die früheren Ersatzprodukte wie Nikotinkaugummis, -pflaster und so weiter. Trotzdem gehen die meisten Leute, die mit E-Zigaretten mit dem Rauchen aufhören wollen, zu Zigaretten zurück, was einigermaßen verrückt ist, wenn man darüber nachdenkt.
4. Nicht nur das Nikotin macht süchtig
Was also macht außer dem Nikotin beim Rauchen süchtig? Möglicherweise kommen Menschen deshalb nicht mit E-Zigaretten von den normalen Zigaretten los, weil ihnen das gewohnte Raucherlebnis fehlt, das mit der Rauchsituation und einem Gefühl von Belohnung verknüpft sein kann. Es würde aber noch eine andere mögliche Erklärung diskutiert, ergänzt der Tübinger Suchtforscher Anil Batra.
Gibt es nicht noch weitere Substanzen im Tabakrauch, die auch psychotrop wirken, die auch Abhängigkeit verursachen können? Und diskutiert wird, dass Substanzen enthalten sind, die so eine Art antidepressive Wirkung entfalten, und damit hat die Zigarette schon fast die Wirkung eines milden Psychopharmakons, ohne dass es der Raucher weiß.
5. Medikamente helfen bei der Raucherentwöhnung
Immerhin gibt es wirksame Medikamente zur Unterstützung bei der Entwöhnung; sie verdoppeln ungefähr die Erfolgschancen beim Aufhören. Die Krankenkassen erstatten sie bislang nicht, nicht einmal Abhängigen, die wegen einer auch als "Raucherlunge" bekannten chronisch obstruktiven Lungenerkrankung behandelt werden. Die Medikamente besetzen den Nikotin-Rezeptor und spiegeln so dem Körper vor, dass bereits genug Nikotin da ist.
Würde gleichzeitig zu der Einnahme auch geraucht, so käme das Nikotin aus der Zigarette nicht mehr an den Rezeptor, so Professor Anil Batra. Es sei, als rauche man "heiße Luft".

6. Therapie gegen das Rauchen ist wirksam
Suchtexperten wie Anil Batra entwickeln und bieten Therapien an, in denen Raucherinnen und Raucher von ihrem Laster loskommen können sollen. Als wirksamste Methode der Entwöhnung gelten die Verhaltenstherapie und auf ihr basierende Kurse, wie sie beispielsweise an der Uni Tübingen angeboten werden, unterstützt von Nikotinersatzprodukten oder Medikamenten. Aber es gibt auch etliche andere Methoden.
Es gibt natürlich viele Alternativen, die auf dem Markt sind. Manche, die vielleicht achtsamkeitsbasierte Elemente einsetzen, Hypnose, Akupunktur. Wenn man jetzt streng wissenschaftlich drauf schaut, muss man sagen: Der Wirksamkeitsbeleg für die ist schwächer als für die verhaltenstherapeutischen Methoden.
7. Aussicht auf Erfolg: gleich ganz aufhören statt weniger rauchen
Andere Ansätze verfolgen das Ziel, dass die Rauchenden dauerhaft weniger rauchen. Doch dieses "kontrollierte Rauchen" unter therapeutischer Anleitung halten die wenigsten durch. Interessanterweise hören sie eher ganz auf, weil ihnen das leichterfällt. 60 Prozent der Deutschen, die aufhören wollen, versuchen es mit bloßer eigener Willenskraft.
Der typische Silvesterentschluss "Morgen höre ich auf" hat nachgewiesenermaßen langfristig eine Erfolgsquote von etwa drei Prozent. Der ärztliche Ratschlag "Hören Sie doch bitte auf" hat eine Erfolgsquote von etwa fünf Prozent und solche verhaltenstherapeutischen Programme kommen langfristig auf diese 30 Prozent, also eine Verzehnfachung von Erfolgsquoten.
Und tatsächlich schaffen es die meisten irgendwann doch, mit dem Rauchen aufzuhören. Das Geheimnis ist, es immer wieder zu versuchen.
8. Der erste Schritt: Alle Rauchutensilien entsorgen
Neben der Therapie, Nikotinersatz und einem starken Willen sind ein paar Vorsichtsmaßnahmen allerdings auch nötig:
Wichtig ist auf jeden Fall, alle Rauchutensilien zu vernichten. Also egal, ob fertige Zigarette oder Drehen, alles vernichten, weil selbst ein Versteck hinterm Schrank, das ist bei einem Suchtdruck ganz schnell wieder hervorgekramt.
SWR 2023 / 2024