Franz Oehlecker (1874 - 1957) gilt als Pionier der modernen Bluttransfusion. Als Hamburger Chirurg am Krankenhaus Barmbek sammelte er Erfahrungen mit der Verträglichkeit und der Hygiene bei der Übertragung von Spenderblut. 1933 erschien sein Buch "Bluttransfusion".
In diesem Vortrag der Reichsrundfunkanstalt vom Januar 1932 erklärt Franz Oehlecker den Stand der Wissenschaft und wendet sich gegen das verbreitete Vorurteil, bei der Transfusion übertrügen sich auch Charaktereigenschaften des Spenders. Nein, sagt der Chirurg, "es ist das Zentralnervensystem und Gehirn, nicht das Blut."
Er spricht von "köstlichen neuen Blutstoffen", die das Gehirn besser ernährten. Nach der Blutübertragung werde der Kranke "auch im Triebleben lebhafter", bekomme zudem mehr geistige Spannkraft. Nie jedoch ändere sich das Denken, Fühlen, Wollen des Empfängers in eine ganz andere Richtung. Das Blut sei nur vorübergehend neu und werde durch Eigenblut ersetzt. "Von den roten Blutkörperchen wissen wir, dass sie nur 2 bis 3 Wochen leben."

Franz Oehlecker war einer der ersten bekannten deutschen Chirurgen, der 1933 das "Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler" unterzeichnete.
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26.7.1933 Ministerialrat Arthur Gütt über Zwangssterilisation
26.7.1933 | Bereits kurz nach ihrer Machtergreifung im Januar 1933 legten die Nationalsozialisten die Pläne für ein "rassenreines" Deutsches Reich vor. Zu den Kernideen gehört das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses", vornehmlich erdacht und konzipiert von dem Mediziner und Ministerialrat im Innenministerium Arthur Gütt. In dieser Rundfunkansprache vom 26. Juli 1933 entwickelte Gütt die Nationalsozialistische Rassenpolitik aus medizinischer Perspektive. Menschen ohne ihre Einwilligung unfruchtbar zu machen, nur weil sie einer anderen "Rasse" als der gewünschten angehören, ist laut Gütt eine "Tat der Nächstenliebe".
11.11.1933 Ferdinand Sauerbruch begrüßt "Erwachen" Deutschlands
11.11.1933 | Ferdinand Sauerbruch (1875 - 1951) war einer der einflussreichsten deutschen Chirurgen im 20. Jahrhundert. Er entwickelte an der Charité und am Rudolf-Virchow-Krankenhaus in Berlin zahlreiche neue chirurgische Verfahren.
Sauerbruch war nach heutigem Stand kein Parteimitglied. Mal unterstützte er das Regime mit entsprechenden Aufrufen, mal übte er auch Kritik, etwa am sogenannten Euthanasieprogramm der Nazis. Es gibt Hinweise, dass er Hitler für eine Gefahr hielt.
In dieser Rundfunkansprache ist davon nichts zu hören. Sie stammt vom Anfang der Nazi-Diktatur, dem 11. November 1933. Das war ein Tag vor der Volksabstimmung zum Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund. Am selben Tag fand auch die Reichstagswahl statt, bei der nur noch eine nationalsozialistische Einheitsliste zugelassen war. Sauerbruch spricht dennoch von der Möglichkeit zum freien politischen Bekenntnis. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
29.1.1938 Ferdinand Sauerbruch freut sich über Nationalpreis
29.1.1938 | 1937 nimmt der berühmte Chirurg Ferdinand Sauerbruch den deutschen Nationalpreis entgegen. Auch das sollte ihm nach dem Krieg vorgeworfen werden, als seine Rolle in der Nazizeit untersucht wurde. Der Nationalpreis verstand sich als nationalsozialsozialistisches Gegenstück zum Nobelpreis. Sauerbruchs Dankesrede vom 29. Januar 1938 gerät zu einer Hymne auf den Nationalsozialismus. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
1.9.1939 Kampf gegen Tuberkulose: Die Röntgen-Reihenuntersuchungen
1.9.1939 | Um Tuberkulose-Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und so die Ansteckungsgefahr einzudämmen, wurde 1939 die Röntgen-Reihenuntersuchung eingeführt. Der Mediziner Hellmuth Ulrici erläutert Ende 1939 im Rundfunk die Wichtigkeit der neuen Untersuchung. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
1942 Ferdinand Sauerbruch über die Chirurgie
1942 | In einem Vortrag aus dem Jahr 1942 spricht der Arzt Ferdinand Sauerbruch über seinen Werdegang und über die Geschichte der Chirurgie. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
22.4.1949 Ferdinand Sauerbruchs Entnazifizierungsverfahren
22.4.1949 | Nach dem Krieg setzte die sowjetische Militärverwaltung in Berlin Ferdinand Sauerbruch als Stadtrat für das Gesundheitswesen ein. Sauerbruch unterstützte die Gründung der CDU in Berlin und engagierte sich für den Wiederaufbau. Doch seine Rolle während der NS-Zeit wirft Fragen auf: Sauerbruch war immerhin Generalarzt des Heeres und wusste offenbar auch von Senfgasversuchen an KZ-Häftlingen.
Es kommt zu einem Entnazifizierungsverfahren. Allerdings erst 1949, weshalb er im folgenden Ausschnitt beklagt, dass er vier Jahre lang mit dem schlechten Ruf, der ihm anhaftete, leben musste. Die Vorwürfe selbst weist er von sich.
Wie im Audio zu hören, nahm Sauerbruch das Verfahren nicht wirklich ernst. "Ich nehme das so auf die leichte Schulter, dass es mich ankotzt", sagte er selbst. Ihn entlastete schließlich der Umstand, dass er nicht Mitglied der NSDAP war. So konnte er weiter als führender Chirurg an der Charité arbeiten. Allerdings wurde er zunehmend dement. 1951 starb er. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
13.6.1953 Bundesgerichtshof: Bei Impfschäden besteht Anspruch auf Entschädigung
13.6.1953 | Haben Impfgeschädigte Anspruch auf Entschädigung – im Zweifel durch den Staat? Mit dieser Frage befasste sich der Bundesgerichtshof bereits 1953. Damals ging es um Impfungen gegen Typhus und Pocken. In beiden Fällen handelte es sich um Pflicht-Impfungen. Der Bundesgerichtshof entschied, die Kläger hätten Anspruch auf staatliche Entschädigung, da sie für die Volksgemeinschaft ein Opfer erbracht hätten. In der SDR-Sendung "Residenz des Rechts" erläutert Bundesrichter Georg Rietschel die Entscheidung. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
16.10.1957 Asiatische Grippe in Deutschland
16.10.1957 | In den Jahren 1957 und 1958 sterben weltweit mehr als eine Million Menschen an der damals grassierenden Asiatischen Grippe. Es ist die zweitschlimmste Influenza-Pandemie des 20. Jahrhunderts, übertroffen nur durch die Spanische Grippe 1918 bis 1920. In Deutschland fallen der Asiatischen Grippe rund 30.000 Menschen zum Opfer. Trotz dieser schweren Epidemie findet sich in den Archiven des Südwestrundfunks zur Asiatischen Grippe nur ein einziger Bericht aus dieser Zeit, gesendet am 16. Oktober 1957. Es geht, auch damals, um die Folgen für die Wirtschaft und das öffentliche Leben – und natürlich auch um Vorbeugemaßnahmen. Händewaschen wird dabei noch nicht genannt, dafür das Gurgeln mit Wasserstoffsuperoxid sowie das Einnehmen formalinhaltiger Tabletten. Die Asiatische Grippe hat vor allem Kinder und Jugendliche getroffen. Insofern hätte es gute Gründe gegeben, die Schulen zu schließen, aber damit war man zurückhaltend. Der Unterricht fiel erst aus, wenn die Hälfte einer Klasse erkrankt war. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
24.1.1968 Studenten empören sich über Numerus clausus
24.1.1968 | Die Zulassung zum Studium soll durch einen Numerus clausus beschränkt werden. Studentenvertreter sind empört; sie halten dies für verfassungswidrig.
2.2.1970 Erste erfolgreiche Nerventransplantation
2.2.1970 | Es war eine medizinische Sensation am 2. Februar 1970: Ein Handwerker, dessen Hand gelähmt war, kann sie nun wieder voll einsetzen, dank Nerventransplantation. Zwar wurden schon 1876 in Österreich Nerven verpflanzt, doch erst jetzt gelingt es dem Münchener Chirurgen Walter Jacoby das so hinzubekommen, dass der Erfolg auch von Dauer ist. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
25. bis 30.7.1978 Künstliche Befruchtung: Erstes "Retorten"-Baby Louise Joy Brown kommt zur Welt
25. bis 30.7.1978 | Am 25. Juli 1978 kommt Louise Brown bei Manchester zur Welt. Sie ist das erste Baby, das aus einer künstlichen Befruchtung hervorgegangen war – damals "Retortenbaby" genannt. Die Mediziner geben ihr – mit dem Einverständnis der Eltern – den zweiten Vornamen "Joy".
Die verantwortlichen Mediziner waren der Physiologe Robert Edwards, der Gynäkologe Patrick Steptoe sowie die Forschungsassistentin und Embryologin Jean Purdy. Robert Edwards bekam für die Entwicklung der In-vitro-Fertilisation 2010 den Nobelpreis – die anderen beiden lebten da schon nicht mehr.
Über Louise und ihre Mutter Lesley Brown sagte er: "Diese Frau hat etwas bekommen, was sie ohne unsere Hilfe nicht hätte haben können."
Die Geburt von Louise Brown war eine Sensation und sorgte für ethische Debatten. Der Vatikan sprach von Gotteslästerung.
Wenige Tage nach der Geburt von Louise Brown kommt heraus: Ihre Eltern haben die Rechte an der Berichterstattung für viel Geld an die "Daily Mail" verkauft – und kommen dadurch zu unerwartetem Wohlstand.
Louise Brown bleibt das einzige in vitro gezeugte Baby, das 1978 zur Welt kommt. Das zweite wird 1979 geboren, das dritte 1980. Die Methode setzt sich also zunächst nur langsam durch. Doch das hat sich geändert. Allein in Deutschland gehen heute rund 20.000 Babys jährlich aus einer künstlichen Befruchtung hervor. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
29.4.1984 USA verkünden Entdeckung von Aidsvirus
29.4.1984 | Anfang der 1980er-Jahren kamen aus den USA Nachrichten von einer bis dahin unbekannten, ansteckenden und tödlichen Immunschwächekrankheit: Aids. Die meisten Betroffenen sind homosexuell, was dazu führt, dass die Gefährlichkeit der Krankheit in der breiten Öffentlichkeit zunächst unterschätzt wird. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte
Herbst 1989 Vertraulicher Stasi-Bericht über einen Kardiologenkongress in Nizza
Herbst 1989 | Ein – offenbar – Facharzt der DDR besucht 1989, einige Wochen vor dem Mauerfall, den Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie im französischen Nizza. Er berichtet darüber aber auch als informeller Mitarbeiter der Stasi in Form eines Tonbandprotokolls. Der Name ist unbekannt. Er schildert, wie stark die bundesdeutsche und wie schwach die DDR-Wissenschaft auf dem Kongress vertreten ist. Er erzählt, wie ihn bundesdeutsche Kollegen auf die jüngsten Entwicklungen in der DDR ansprachen, teils einfach interessiert, teils provokativ. Und er berichtet von der kurzen Begegnung mit dem ehemaligen DDR-Wissenschaftler Prof. Bernd Heublein, einst Kardiologe an der Charité in Ost-Berlin und eine Koryphäe des Ostblocks, der drei Jahre zuvor die DDR verlassen hat.
Am Ende spricht sich der Informant für eine stärkere Zusammenarbeit mit den bundesdeutschen Kollegen aus. Die Aufnahme stammt aus der Stasi-Unterlagenbehörde. Er spricht zurückgenommen und verhalten, nur für den internen Gebrauch.
7.5.2003 SARS: Erste Pandemie des 21. Jahrhunderts
7.5.2003 | Das neue Coronavirus ist eng verwandt mit demjenigen, das in den Jahren 2002 bis 2004 bereits eine Pandemie auslöste. Auch damals beginnt die Geschichte in China. Im Mai 2003 – ein halbes Jahr nach Ausbruch der Pandemie, sind mehr als 700 Menschen gestorben. Inzwischen wächst auch in Deutschland die Alarmstimmung. Doch es gibt keine Reisebeschränkungen. Hört man die Hintergrundsendung am 7. Mai 2003, zeigen sich Ähnlichkeiten, aber auch große Unterschiede zur Situation im Jahr 2020. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte