Online-Therapie gegen Phobien
Seit etwa zehn Jahren wächst der Trend zur Online-Psychotherapie. Anstatt einen Therapeuten aufzusuchen, laden Patienten Programme auf ihren Computer oder Apps auf ihr Smartphone, mit denen sie ihre seelischen Probleme bearbeiten sollen.
Sie bekommen Informationen über ihre Störung oder Erkrankung, geben ein, wie sie sich gerade fühlen, machen Übungen, die ihnen helfen sollen, die seelischen Probleme in den Griff zu bekommen.
Gerade auch bei Angsterkrankungen werden solche Programme eingesetzt.
Konfrontation nachgestellt
Erforscht wird dabei vor allem die so genannte Expositions- oder Konfrontationstherapie, die bei Spinnen- oder Höhenangst sehr gut wirkt. Man setzt dabei Patientinnen und Patienten immer wieder dem Reiz oder der Situation aus, vor der sie sich ängstigen. Schrittweise sollen sie dann ihre Überreaktion verlernen.
Das Angebot solcher Online-Programme ist bereits riesengroß. Hier tummeln sich Angebote von Kliniken und Universitäten neben denen von privaten und kommerziellen Anbietern. Darunter sind aber auch unseriöse Programme, die ohne Mitwirkung von Therapeuten zusammengestrickt wurden und deshalb alles andere als hilfreich sein können.
Online-Therapien basieren auf verhaltenstherapeutischen Methoden
Die Netzangebote arbeiten häufig mit der Kognitiven Verhaltenstherapie. Dabei übt man zum Beispiel nicht nur, Angstreize auszuhalten, sondern denkt auch darüber nach, warum sie einen ängstigen oder welche Gedanken man seiner Angst entgegensetzen kann. Aber auch tiefenpsychologische Methoden werden online angeboten. Hier taucht man stärker in die eigene Lebensgeschichte ein und fragt nach den Wurzeln der Angst.
Angst, halt die Klappe
Wer als schizophrener Psychotiker eine innere Stimme hört, die ihn bedroht, empfindet ebenfalls Angst. Am University College London arbeiten Psychologinnen und Psychologen an einem Computerprogramm, mit dem man dieser Angst im wahrsten Sinne des Wortes "begegnen" kann. Es könnte vielleicht auch einmal online gehen.
Der Patient soll dabei mit seiner inneren Stimme in Dialog treten und sich dadurch von den Ängsten lösen, die sie ihm einflößt. Ein Therapeut unterstützt ihn dabei. Er ermuntert ihn zum Beispiel, der Stimme ins Gesicht zu sagen, dass sie den Mund halten soll. Oder dass ihn nicht interessiert, was sie daherredet.
Auch Menschen, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden, müssen Ängste bewältigen. In den USA gibt es zum Beispiel Online-Programme für Soldaten, die im Irakkrieg traumatisiert wurden. In einigen Projekten versetzt man sie sogar direkt in virtuelle Situationen, die den Kriegsszenen ähneln, von denen sie erschüttert wurden.
Klar eingrenzbare Probleme
Doch wann sind Online- und Virtual-Reality-Therapien angemessen? Und wann sollte man doch eine so genannte Face to-Face-Therapie vorziehen, bei der ein Betroffener ausführlich mit einer Therapeutin über seine komplexen Gefühlslagen spricht?
Virtuelle Therapien sind hilfreich, wenn es um klar eingrenzbare Phobien geht. Darüber besteht Konsens.
Noch wenige klinische Studien
Allerdings gibt es bisher noch keine großen klinischen Studien, die den Effekt dieser Therapien über mehrere Jahre hinweg bei vielen Patienten überprüft haben.
Niedergelassene Psychotherapeuten sollen sich das virtuelle System "Evelyn" in die eigene Praxis holen können. Wenn sie dann zum Beispiel zusammen mit einem Spinnenphobiker ein paar Durchgänge absolviert haben, bei denen eine täuschend echte Spinne herumgekrabbelt ist, soll der Patient sich alleine mit dem Objekt seiner Angst konfrontieren. Je häufiger und selbstständiger, desto besser.
So echt wie möglich
Patienten sollen die angstbesetzten Objekte nicht nur virtuell sehen und dazu Geräusche hören - sie sollen sie auch anfassen können und ihre Konsistenz spüren. Vielleicht sogar einmal eine langbeinige Spinne, die ihnen blitzschnell auf die Hand krabbelt. Um diesem Ziel näher zu kommen, testen die Heilbronner Forscher zunächst einen Handschuh, mit dem man einfache Objekte virtuell anfassen und bewegen kann.
Die Heilbronner Forscherinnen und Forscher arbeiten auch daran, den Therapeuten als Avatar zu integrieren. Er erscheint dann als Person in der virtuellen Szene, beruhigt und motiviert den Patienten zum Beispiel, wenn er gerade Angst vor großer Höhe hat oder ihn ein Schauder beim Anblick der haarigen Spinne überfällt.
Geht der Weg also tatsächlich in Richtung virtuelle Therapie, kombinierbar mit Online-Programmen und Apps, mit deren Hilfe sich der Patient allein und selbstständig überwacht? Vieles steht noch am Anfang, doch schon heute sind die Forschungsprojekte und Angebote unübersichtlich geworden.
Keine Kennzeichen oder Gütesiegel
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde hat sich gegen ein Gütesiegel ausgesprochen, aus Praktikabilitätsgründen: Es gibt juristische Probleme. Patienten können sich derzeit also nur selbst in die Online-Materie einarbeiten. Oder sich an den Fragen orientieren, die auch Experten stellen würden: Gibt es wissenschaftlich basierte Untersuchungen, dass es wirksam ist? Ist die Datensicherheit so gewährleistet, dass ich mich darauf verlassen kann, dass die Daten geschützt sind? Und wird es von Therapeuten unterstützt oder ist es nicht?
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