"Dieser Bereich ist videoüberwacht" und "Zufahrt nur mit behördlicher Genehmigung", so steht es auf den Schildern, die das Areal um das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abgrenzen – direkt neben dem Karlsruher Schloss. Dort stand bis 1944 das großherzogliche Hoftheater. Angrenzend an den botanischen Garten bildete das Hoftheater ein Ensemble gemeinsam mit den Orangerien und der Kunsthalle. Bis heute ist es ein Ort des lustvollen Wandelns, wo Sitzbänke zwischen exotischen Bäumen und Vogelgezwitscher zum Verweilen einladen. Anders als das Bundesverfassungsgericht heute, war das Hoftheater allerdings kein streng überwachtes Terrain, sondern bot zugänglich für alle Bürger der Stadt Musik auf hohem Niveau.
Joachim Draheim hat sich mit dem Karlsruher Hoftheater und den dort wirkenden Musikern intensiv beschäftigt. Ein großer Star der Oper war der aus Wien stammende Tenor Anton Haizinger. Als Haizinger 1825 nach Karlsruhe kam, war die Stadt noch klein. Die badischen Großherzöge bemühten sich, mit wenig Mitteln viel zu erreichen. Gute Leute wie Anton Haizinger konnten durch attraktive Verträge in Karlsruhe gehalten werden: eine gesicherte Anstellung auf Lebenszeit mit viel Freiraum für Gastspiele. Haizinger nutzte das intensiv: Neben seiner Tätigkeit auf der Opernbühne als großherzoglich-badischer Kammersänger gastierte er in ganz Europa.
Außerdem hatte er Zeit, sich in der bürgerlichen Musikpflege zu engagieren. Das bürgerliche Musikleben blühte im frühen 19. Jahrhundert auch in Karlsruhe auf: Es wurden Vereine und Chöre gegründet. Anton Haizinger beteiligte sich 1837 an der Gründung einer Musikschule und leitete den Chor des Caecilienvereins.
In Karlsruhe herrschte ein liberales Klima, die Bürger konnten parallel zum höfischen Musikleben Vereine, Chöre, Lehranstalten und Musikfeste organisieren. Oft wurden dafür die Musiker vom Hoftheater gewonnen. In Privathäusern, öffentlichen Gebäuden und in Sälen fanden Proben und Konzerte statt. Ein Ort für die musikalischen Aktivitäten war das Museum, südlich vom Schloss an der heutigen Kaiserstraße gelegen.
Für den Cäcilien-Verein hat Anton Haizinger selbst ein Gesangs-Lehrbuch geschrieben. Es ist heute in digitalisierter Form im Internet einsehbar. Weitere Quellen, die Aufschluss über Haizingers äußerst aktives Sängerleben geben, sind Theaterzettel und Konzertprogramme. Aber auch die verschiedenen Tageszeitungen aus dem 19. Jahrhundert zeigen, welche Opern-Rollen Haizinger gesungen hat und wie sein Auftritt dem Publikum und den Kritikern gefiel:
Anton Haizingers Stimme wurde von seinen Zeitgenossen fast immer gelobt. Tonaufnahmen gab es damals natürlich noch nicht, den Berichten zufolge hatte er aber eine sehr hohe Tenorstimme. Thomas Seedorf, Professor für Musikwissenschaft an der Karlsruher Musikhochschule, beschäftigt sich mit Ästhetik und Geschichte des Gesanges: Er glaubt, dass Haizingers Stimme vielleicht so ähnlich wie die von Juan Diego Florez geklungen haben könnte.
Zu jeder Zeit gibt es bestimmte Vorstellungen davon, wie verschiedene Opern-Figuren gesungen werden sollen. Anders als bei der Instrumentalmusik, bei der schon lange geforscht wird, wie sie zur Zeit ihrer Entstehung geklungen haben könnte, ist die historisch informierte Aufführungspraxis beim Gesang noch nicht so verbreitet. Wie aber die Sänger bei den Uraufführungen gesungen haben, könnte den Charakter mancher Figuren entscheidend geprägt haben und so manche Opern-Interpretation unserer Zeit in Frage stellen.