Am 13. März ist Sofia Gubaidulina im Alter von 93 Jahren verstorben. SWR-Musikredakteurin Lydia Jeschke erinnert im Gespräch an die große Künstlerin, die die bedeutendste russische Komponistin der Gegenwart war.
Eine Frau komponiert Neue Musik in der Sowjetunion
Sofia Gubaidulina wurde 1931 geboren, kam aus einem nicht-musikalischen Elternhaus, studierte aber Komposition und Klavier in Kasan und Moskau und hat sich dann als Komponistin ein Leben aufgebaut.
Das war in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen war sie eine der damals nicht zahlreichen komponierenden Frauen in der Welt und zum anderen war es mit Neuer Musik in der Sowjetunion nicht gerade leicht.
Sofia Gubaidulina, so zart und klein diese Person war und so höflich sie auch manchmal auftrat, war eigentlich eine Kämpferin und zwar eine, die mit Extremen leben konnte.
Das System akzeptierte sie nicht
Stücke seien nicht aufgeführt worden, die zum Beispiel in eine religiöse Richtung gingen, erzählt Lydia Jeschke weiter. Der Einzige, der sie ermutigt habe, auf ihrem sehr eigenen Weg als Komponistin weiterzugehen, war Dimitri Schostakowitsch.
Ihre Lösung war, ihr Leben mit Filmmusik zu finanzieren und ansonsten weitestgehend für die Schublade zu schreiben.
Konzertvideo: Das Märchenpoem von Gubaidulina
Dem Dunklen etwas Helles gegenüberstellen
Allgemein spielte in ihrer Musik das Religiöse, das Spirituelle eine große Rolle. Dabei vermischten sich ganz verschiedene Glaubensrichtungen und Mystizismen, am stärksten sei aber der christliche Einfluss gewesen, so Jeschke.
Ihre Diagnose der Gesellschaft, und zwar sowohl in der Sowjetunion als auch dann später im Westen und in Deutschland, war sehr dunkel.
Sie habe in ihrer Musik dann versucht, der erlebten dunklen Welt etwas Helles gegenüberzustellen – und das war meist etwas Religiöses. Mit dieser Religiösität sei sie in der Landschaft der Neuen Musik sicher „eine Insel“ gewesen, „eine Komponistin, die einfach für sich steht“. Dennoch, oder gerade deswegen, wurde und wird sie viel aufgeführt.
Sie hatte diese starke Idee: Wir müssen etwas Besseres im Kopf haben als das, was uns umgibt.
Emigration nach Deutschland
Mit über 60 Jahren ist Sofia Gubaidulina dann nach Deutschland emigriert. Hier konnte sie noch viele Stücke schreiben und auf der Suche nach neuen Impulsen viel reisen.
Anlass für die Emigration war wohl der Zusammenbruch der Sowjetunion, so Jeschke. Gubaidulina neigte dazu „die Apokalypse vor Augen zu sehen“ und sah Chaos ausbrechen. Der Westen, wo sie schon Preise gewonnen hatte, schien ihr ein sicherer Anker zu sein. Sie ließ sich dann in Hamburg nieder und blieb dort bis zu ihrem jetztigen Tod.
Wie wird man sie nun in der Musikwelt in Erinnerung behalten? Jeschke glaubt, dass es ihre Beharrlichkeit ist, die auch in ihrer Musik steckt: „dieser ständige Versuch, die anderen zu überzeugen und sich nicht irre machen zu lassen“.
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