Aus experimentellen Jam-Sessions mit verschiedenen Künstlern ist das aktuelle Album der Sopranistin Barbara Hannigan entstanden: „Electric Fields“ vereint mittelalterliche Musik mit Einflüssen aus zeitgenössischer Elektronik. Um Werke und Texte von Hildegard von Bingen ranken sich Improvisationen und zeitgenössische Kompositionen.
Die Melodie, die Barbara Hannigan singt, ist fast tausend Jahre alt – sie stammt von Hildegard von Bingen, der großen Komponistin, Philosophin, Malerin, Schriftstellerin und Mystikerin, die im frühen Mittelalter gelebt hat.
Mischung aus echten und elektronisch nachgeahmten Instrumentalklängen
Die Klänge, die diese im Hall verfließende Melodie begleiten, sind modern. Eine Mischung aus echten und elektronisch nachgeahmten Instrumentalklängen und saftigen Bässen, wie sie nur synthetisch erzeugt werden können.
Ausgehend von gemeinsamen Improvisationen haben die Sopranistin Barbara Hannigan, der Komponist und Musiker David Chalmin und das Klavierduo Katia und Marielle Lebèque diese Klänge entwickelt. In einer Interpretation wie der von „O vis aeternitatis“ durchlaufen die Musikerinnen dabei verschiedene Ästhetiken.
Mittelalterliche Stimmführung verwoben mit Ambientmusik
Die mittelalterliche Stimmführung passt dabei überraschend gut zu den Klängen der Ambientmusik, die David Chalmin durch seine Bearbeitung, Mischung und Komposition entwickelt.
Beide Ästhetiken fließen ganz organisch zu einem neuen Ganzen zusammen. Das liegt auch an Barbara Hannigans einfühlsamer Art, die alten Melodien wie Geschichten zu erzählen.

Das Album bleibt aber nicht in diesem Stadium meditativer Wolkenmusik stehen. Stücke wie „Che t’ho fatt’io?“, eine Komposition von Hannigan und Chalmin, begeben sich zum Beispiel ganz bewusst auf den Weg elektronischer Downtempo-Tanzmusik mit minimalistischen Sounds, saftigen Bässen und zwar gebrochenem, aber pulsierendem Rhythmus, über dem Barbara Hannigans Gesang schwebt.
Illusionen und einzigartige Räume durch Sounddesign
Das Album beeindruckt nicht nur mit seinem experimentellen Konzept und der Virtuosität der Musikerinnen. Sondern auch mit einer hochqualitativen Produktion. Die Musikerinnen erzeugen innerhalb dieses Sounddesigns einzigartige künstliche Räume.
Wie im zweiten Teil von „Che si può fare?“, einem Werk nach der Barockkomponistin Barbara Strozzi. Der Hall auf Stimme und Klavier suggeriert eine Kathedrale, gleichzeitig versetzen uns zwitschernde Vögel in einen Garten. Barbara Hannigans unterschiedlich effektierte Stimme aus verschiedenen Richtungen macht die Illusion perfekt.
Auf diesem Album passiert so viel auf so vielen unterschiedlichen Ebenen, dass man bei jedem Durchlauf neue Feinheiten und Sounds wahrnehmen kann. Hannigan, Chalmin und Katia und Marielle Lebèque wecken, ganz feinsinnig, die Ohren auf – und das zu hören macht einfach nur Spaß.
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