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Sehnenscheidenentzündungen bei Pianisten – Was hilft?

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Von Autor/in Evelyn Turinsky

Stundenlanges Üben, technisch anspruchsvolle Passagen, musikalischer Perfektionismus – das macht den Alltag von Pianistinnen und Pianisten aus. Doch was, wenn der Körper nicht mehr mitmacht?

Warum Sehnenscheidenentzündungen entstehen

Elisabeth Höferlin, eine Klavierpädagogin mit über 40 Jahren Unterrichtserfahrung, sieht klare Risikofaktoren für das Entstehen von Sehnenscheidenentzündungen bei Pianistinnen und Pianisten.

Dazu gehören: kein Aufwärmen vor dem Üben; eine Klaviertechnik, die die Muskeln über einen längeren Zeitraum zu sehr anspannt und ein Wegbleiben von Pausen, in denen sich die Sehnen eigentlich regenerieren müssten.  

Professorin Claudia Spahn, Leiterin des Instituts für Musikermedizin, ergänzt: Auch ein schneller Belastungsanstieg – etwa vor Prüfungen, Wettbewerben oder Konzerten – sei risikoreich. Zudem sei entscheidend, dass man auf seinen eigenen Körper hört, wenn während des Spielens erste körperliche Beschwerden auftauchen.

Symbolbild Sehnenscheidenentzündung: Frau mit Handgelenkbandage am Klavier
Erste Warnsignale beim Spielen sollten nicht ignoriert werden, sonst werden die Beschwerden schnell chronisch.

Wie sich eine Sehnenscheidenentzündung äußert

Was oft mit einem leichten Ziehen im Bereich der Handgelenke beginnt, kann sich rasch verschärfen. Rötungen, Druckempfindlichkeit und vor allem Schmerzen beim Bewegen der Hand gehören zu den typischen Symptomen. Wer diese Warnsignale ignoriert, riskiert eine Chronifizierung:

Chronischen Beschwerden dauern einfach viel länger an. Man kommt nur sehr mühsam wieder in einen Bereich, in dem das Spielen Freude macht und nicht von Schmerz begleitet ist – das ist ein langer Weg.

In besonders hartnäckigen Fällen spielt auch das Schmerzgedächtnis eine Rolle. Dann reicht allein der Gedanke ans Klavierspielen, um Schmerzen auszulösen, so Spahn.

Durch eine Sehnenscheidenentzündung kann es auch zu einer Schwellung der Sehnen kommen. Diese Schwellung löst oft ein Karpal-Tunnel-Syndrom aus.

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Risikofaktoren abseits der Musik

Pianistinnen und Pianisten müssen nicht nur beim Musizieren selbst achtsam mit ihren Händen umgehen. Auch im Alltag lauern zahlreiche potenzielle Gefahren. Dazu zählen etwa ungewohnte Drehbewegungen – wie beim wiederholten Hantieren mit einem Schraubenschlüssel – oder das Schleppen von Umzugskartons.

Selbst im Fitnessstudio oder beim Yoga kann es zu ungünstigen Bewegungen kommen, die die Sehnen zusätzlich strapazieren. Umso wichtiger ist es, dass Musikerinnen und Musiker auf den eigenen Körper Acht geben.

Claudia Spahn zufolge seien gleich zwei Drittel der Musiker von gesundheitlichen Problemen betroffen, darunter auch: Überlastungssyndrome des Handgelenks in Form von Sehnenscheidenentzündungen.

Was tun bei einer Sehnenscheidenentzündung?

Der wichtigste Punkt in der Behandlung von Sehnenscheidenentzündungen ist die Entlastung und Ruhigstellung der betroffenen Hand. Und das nicht nur in Bezug auf das Üben, sondern auch im Zusammenhang mit alltäglichen Bewegungen. Nur so kann sich die Sehne tatsächlich erholen.

Zusätzlich kann die Kühlung der betroffenen Stelle helfen – das wirkt entzündungshemmend. Oder man nimmt in akuten Fällen Schmerzmittel. Sie bringen laut Professorin Spahn allerdings nicht den gewünschten Durchbruch: „Wir machen keine wochenlangen Kuren mit hochdosiertem Ibuprofen. Das ist nicht effektiv.“

Wenn sich die Symptome trotz dieser Maßnahmen nicht bessern, ist die Musikermedizin die richtige Anlaufstelle. Dort wird genauer hingeschaut und nach Lösungen gesucht, die auf den Betroffenen zugeschnitten sind.

Die Musikermedizin-Sprechstunde

In der Musikermedizin-Sprechstunde steht am Anfang eine sorgfältige Anamnese: Welche Symptome gibt es? Wie sieht das Übeverhalten aus? Welchen Alltag hat die Person? Wenn die Schmerzen es zulassen, wird die Pianistin oder der Pianist auch direkt am Klavier beobachtet.

Pianistin beim Üben zu Hause am Klavier
Bei der Anamnese wird auch beobachtet, in welcher Körperhaltung die Pianistin oder der Pianist am Klavier sitzt und spielt – sofern es die Schmerzen zulassen.

Dabei wird besonders auf Sitz- und Körperhaltung geachtet – etwa auf die Position des Kopfes, der Arme, Beine und Hände. Anhand dieser Beobachtungen wird ein individuelles Übekonzept erstellt, das manchmal sogar nur im Minutenbereich beginnt. Die Zusammenarbeit der Musikermedizin mit Pädagoginnen und Pädagogen spielt dabei ebenso eine wichtige Rolle wie die Unterstützung durch Physio- und Ergotherapie.

Wer betroffen ist, sollte sich frühzeitig Hilfe bei diesen Anlaufpunkten holen und nicht abwarten, bis der Schmerz den Ton angibt. Denn nur so bleibt das Klavierspiel ein Quell der Freude – und nicht des Schmerzes.

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