Prägende Melodien

Rachmaninow und die Popkultur

Stand

Von Autor/in Frieda Krukenkamp

Sergei Rachmaninows Musik galt in der Musikavantgarde des 20. Jahrhunderts als rückwärtsgewandt. Inzwischen zählen seine Klavierkonzerte längst zu den Klassikern. Und nicht nur das: Seine Melodien haben entscheidend die Popmusik und Filmwelt geprägt und inspirieren sie bis heute.

Rachmaninow im Film „Bridget Jones“

Was hat die romantische Kult-Komödie „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ mit dem russischen Komponisten Sergei Rachmaninow zu tun?  

Im Vorspann des Films sieht man Bridget Jones, wie sie ganz allein mit Zigarette und Rotwein auf ihrer Couch sitzt. Schluchzend singt sie diesen Song mit:

Eric Carmen - All by Myself (Audio)

Der Popsong „All by myself“ aus den 70ern von Eric Carmen ist eigentlich Sergei Rachmaninow zu verdanken. Und über diesen Song des US-amerikanischen Popsängers kennt fast jeder Mensch die Melodie aus dem zweiten Satz des zweiten Klavierkonzerts in c-moll.

Rachmaninoff: Piano Concerto no.2 op.18 - Anna Fedorova - Complete Live Concert - HD

Eric Carmen und das Urheberrecht

Eric Carmen war der Meinung, dass diese Melodie mehr Aufmerksamkeit verdiene. Und wie praktisch, dass er sich gratis bedienen konnte, denn in den USA waren die Rechte an Rachmaninows Musik zu diesem Zeitpunkt gemeinfrei – nur blöderweise nicht weltweit. Und so musste Carmen nachträglich 12 Prozent der erzielten Gewinne pro Land an Rachmaninows Erben zahlen. So ist das eben mit dem Urheberrecht. 

Eric Carmen hat sich sogar ein weiteres Mal bei Rachmaninow bedient und schon wieder musste er an dessen Erben zahlen. Denn „Never gonna fall in Love again“ ist strenggenommen der dritte Satz aus der Rachmaninows zweiter Sinfonie.  

Rachmaninow in der Musik von Billy Joel

Auch Billy Joel ist Rachmaninow-Fan. Und man kann zumindest eine Ähnlichkeit zur dessen zweiter Sinfonie im Song „The Longest Time“ nicht ganz leugnen:

Billy Joel - The Longest Time (Official HD Video)

Offiziell bestätigt wurde diese als Vorlage nie. Was aber deutlich wird: Rachmaninows Melodien und Harmonien sind erfolgreich und das über 100 Jahre später, für ein ganz anderes Musikgenre. 

Perfekt für Hollywood!

Auch in der Filmwelt erfüllt Rachmaninows Musik immer wieder eine Funktion. Obwohl Rachmaninow sich sicher nicht als Filmkomponist sehen wollte, prägten seine Melodien den Beginn der Hollywood-Ära.

Im 50er-Jahre-Film „Das verflixte 7. Jahr“ mit Marylin Monroe taucht zum Beispiel ebenso das zweite Klavierkonzert auf. Und welch Überraschung: es geht um epische und dahinschmelzende Romantik.

Szene aus dem Film „Das verflixte 7. Jahr“ mit Marylin Monroe
Filmszene aus „Das verflixte 7. Jahr“ mit Marylin Monroe

Rachmaninows Musik funktioniert so gut in Filmen und schnulzigen Liebesliedern, weil die Melodien eingängig sind, man kann schnell mitsingen, sie werden zu Ohrwürmern. Und wenn dann der schwelgerische Orchesterklang hinzukommt, wird haufenweise Dramatik und Melancholie transportiert – perfekt für Hollywood.

Rachmaninow und die Rockband Muse

Und das klappt zeitlos und genreübergreifend. Rachmaninow kann man heute auch weltweit auf Rockfestivals hören – nämlich dann, wenn die britische Rockband Muse auftritt. 

Wieder steckt ein Teil des zweiten Klavierkonzerts drin, hier zu Beginn. In „Space Dementia“ geht es um die Faszination für eine Person. Die ist so intensiv und stark, dass sie in Besessenheit umschlägt.  

Klassische Komponisten als Inspiration

Muse lassen sich immer wieder von klassischen Komponisten inspirieren. Auf ihren Konzerten sind virtuose Klavierpassagen ein zentraler Bestandteil. In Verbindung mit wehmütigen Texten und Matt Bellamys markantem Gesang ist Muse mit dieser Kombination seit den frühen 2000ern weltweit erfolgreich. Besonders Rachmaninow hat für Sänger Matt Bellamy eine große Bedeutung.  

Bei Rachmaninow, Liszt und Chopin gibt es ein Mysterium in der Musik – sie ist viel abstrakter und viel besser dazu in der Lage, die Vorstellungskraft anzuregen.

Im Muse-Song „Butterflies and Hurricanes“ steckt wieder ein Klavierkonzert von Rachmaninow drin. Diesmal ist es der erste Satz des dritten Klavierkonzerts.  

Ein Vorbild aus anderer Zeit

Es ist fast schon Ironie, dass Rachmaninows Musik von seinen Kollegen lange Zeit unterschätzt und belächelt wurde. In der Musikentwicklung des 20. Jahrhunderts, geprägt von Atonalität und Zwölftonmusik wirkte seine spätromantische Musik nicht mehr zeitgemäß. Der Komponist bezog sich auf eine frühere Komponisten-Generation, sein großes Vorbild war Tschaikowsky.  

Heute ist Rachmaninow für Filmkomponisten und Songwriter selbst das Vorbild aus einer anderen Zeit geworden. Und so ist es vielleicht gar nicht so überraschend, dass auch Zehntausende Menschen auf Rockkonzerten zu Sergei Rachmaninows Melodien Gänsehaut bekommen.

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