- Hannibal Lecter aus „Das Schweigen der Lämmer“
- Alex aus „A Clockwork Orange“
- Karl Stromberg aus „Der Spion, der mich liebte“
- Hans Beckert aus „M“
- James Moriarty aus „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“
Hören grundlegend böse Menschen und psychopathische Straftäter gerne Klassik? Oder sind es vielmehr die landläufigen Vorurteile gegenüber dieser Musik, die sich Regisseure und Regisseurinnen zu Nutze machen, um dann die Superschurken damit zu charakterisieren?
Podcast Score Snacks - Die Musik deiner Lieblingsfilme
Ein „Score“, das ist die extra für einen Film komponierte Filmmusik, die oft so eingängig ist, dass sie noch lange nach dem Kinobesuch im Ohr bleibt. SWR Kultur Musikredakteur Malte Hemmerich lässt in „Score Snacks“ die Szenen großer Kinofilme durch genau diese Musik wieder aufleben!
Hannibal Lecter liebt die Goldberg-Variationen („Das Schweigen der Lämmer“)
Dr. Hannibal Lecter, Psychologe und kannibalischer Mörder, liebt Bachs Goldberg-Variationen. Am liebsten in der kühlen und analytischen Version des kanadischen Superpianisten Glenn Gould. Eine der verstörenden Szenen in „Das Schweigen der Lämmer“ wird mit der lieblichen Arie aus den Variationswerken umrahmt. Bachs kunstvolle Musik ist der Kontrapunkt zur Grausamkeit des Kannibalen.
Lecters kultivierter Musikgeschmack passt perfekt zu seiner bürgerlichen Fassade als Kunstkenner und erfolgreicher Psychologe, sie ist aber gleichzeitig der krasse Gegensatz zu seinem wahren, psychopathischen Ich. So sieht es für uns aus, die wir von außerhalb auf seine Taten schauen.
Für den Kannibalen selbst ist die Frage nach der Klassik wohl einfacher: Dr. Lecter selbst sieht sich als ein Künstler, und feiert dementsprechend die abendländische „Hochkultur“, die mit seinen „Werken“ auf einer überzeitlichen Stufe steht.
Alex leidet in „A Clockwork Orange“ bei Beethovens Neunter
Man stelle sich einmal vor, Alex, der Protagonist aus Stanley Kubricks Skandalfilm „Uhrwerk Orange“, heute besser bekannt unter dem Originaltitel „A Clockwork Orange“, würde vor und nach seinen stimulierenden Gewalt-Exzessen die Rolling Stones hören. Der gewisse Schauer und die Abgründigkeit dieser Figur wären dahin.
Durch seine Liebe zum Wiener Meister Beethoven und ausgerechnet zu dessen 9. Sinfonie mit Brüder-Hymne am Schluss bekommt die Figur des Alex erst ihren zerrissenen Reiz.
Dieser seltsame Zwiespalt wird im Laufe des Films verstärkt und ins Absurde getrieben: Nach der experimentellen Aversionstherapie samt 9. Sinfonie im Synthie-Sound wird die von ihm so vergötterte Beethoven-Musik sein Brechmittel. Die Bedeutung und Absicht der Musik ist ins Krankhafte verdreht worden.
Wie auch der Kannibale Lecter scheint Alex seine Gewalt als Kunstform zu definieren – und sie deshalb mit ebensolcher zu untermalen!
Bond-Bösewicht Karl Stromberg hört Bach in „Der Spion, der mich liebte“
Unter den Bösewichten der James Bond-Reihe finden sich (natürlich) einige Liebhaber von klassischer Musik. Doch der wohl perfideste Nutzer dieser Musik ist Karl Stromberg, der die Welt vernichten und eine Unterwasserstadt etablieren will. Auch er benutzt den bei Schurken so beliebten Johann Sebastian Bach – als Soundtrack für seine Exekution einer Verräterin.
Ein reich gedeckter Tisch, Bachs Air und ein Fenster mit Blick auf sein Opfer, das gerade von einem Hai angefallen wird. Hier versucht Stromberg die Musik zu missbrauchen, um seinem Tun eine gerechtfertigte, verharmlosende Fassade und einen Anstrich von Stil zu geben. Gleichzeitig thront er an seinem Tisch wie der barocke Fürst mit unermesslicher Macht, und die Musik unterstützt das Bild.
Weitere Klassik-Aficionados aus dem Bond-Schurken-Universum: Hugo Drax, der in „Moonraker – Streng geheim“ sogar selbst Hand an die Tasten legt und Chopin spielt, oder, auch unvergessen, Dominic Greene, der in „Ein Quantum Trost“ die Bregenzer Seebühne bei den Festspielen besucht.
James Bond - Das indische Original
Hans Beckert pfeift Peer Gynt in „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“
Ein vor sich hin pfeifender Mensch wirkt immer irgendwie harmlos, die Assoziationen sind eher gutgelaunt und verspielt. So vertraut die kleine Elsie Beckmann in Fritz Langs Tonfilm-Monument „M“ dem Mann, der ihr pfeifend einen Ballon kauft, bevor er dann kaltblütig den Mord an ihr begeht. Sein Pfeifen wird Leitmotiv vor jedem geplanten Mord und ihm am Ende somit zum Verhängnis.
Die Melodie: „In der Halle des Bergkönigs“, der letzte Satz aus Griegs Peer-Gynt-Suite. Wirksamer Spannungsaufbau, große Entladung und eine gewisse Ruppigkeit machen das Original aus.
Ob der Mörder bewusst auf die blutrünstigen Hintergründe der norwegischen Troll-Geschichte anspielt oder einfach einen Ohrwurm hatte, ist nicht geklärt.
James Moriarty singt Schuberts „Forelle“ in „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“
„Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“ – Diese Weisheit trifft offensichtlich nicht auf Sherlock Holmes' Gegenspieler, das verbrecherische Mastermind James Moriarty, zu.
Im zweiten Teil von Guy Ritchies Sherlock-Holmes-Verfilmung erläutert er Sherlock in typischer Bösewicht-Monolog-Manier seine Liebe zu Schubert, besonders natürlich zur berühmten „Forelle“.
Die Bedeutung für die Szene ist schnell klar: Sherlock zappelt am Seil wie das Fischchen, Moriarty wähnt sich als der schlaue Angler, der sogar selbst beginnt zu singen. Auch hier wieder: Klassik als Zeichen von Macht, Wissen, Bildung und einer gewissen Überheblichkeit.