Märsche, Fanfaren, Wagner und Schlager

So nutzten die Nationalsozialisten Musik für ihre Propaganda im Rundfunk

Stand

Von Autor/in Michael Rebhahn

Märsche, Fanfaren, Wagner und Schlager: Die Musik im Rundfunk des Nationalsozialismus kennt im Grunde nur zwei Stimmungen – bombastisch oder banal. Diese musikalischen Mittel werden gezielt für die Durchhaltepropaganda genutzt.

Die Musik, mit der sich das NS-Regime feierte, kommt monumental und pathetisch daher. So auch eine Passage aus Franz Liszts „Les Préludes“. Mit Beginn des sogenannten „Russlandfeldzuges“ im Juni 1941 wird Liszts Komposition kurzerhand zur „Russland-Fanfare“ umgewidmet.

Liszt: Les Préludes / Thielemann · Berliner Philharmoniker

Wo die Historie nichts Passendes hergibt, wird selbst komponiert. Vermutlich finden sich in der kompletten Musikgeschichte nicht so viele „Fanfaren“, wie in der Zeit zwischen 1933 bis 1945.

Schlager vom Tanz- und Unterhaltungsorchester

Im Tagesgeschäft des Rundfunks dominiert eine andere Musikfarbe. Neben den unvermeidlichen Militärmärschen soll es hier leicht und heiter sein. Das eigens dafür ins Leben gerufene Deutsche Tanz- und Unterhaltungsorchester spielt Schlager, die dezent „angeswingt“ sind – trotz offiziellem Jazzverbot.

Eine der beliebtesten Radiosendungen ist das „Wunschkonzert für die Wehrmacht“. Hier konnten Soldaten per Feldpost Musikwünsche äußern.

Die launig präsentierte Musik sollte die Anmutung erzeugen, dass der Krieg mit einem netten Liedchen viel leichter von Hand geht. Selbst das Sterben an der Front wird mit rührseligen Schlagern bedacht.

Klatschende Wehrmacht- und SS-Soldaten im Zuschauerraum beim Wunschkonzert der Wehrmacht.
Unterhaltsame Schlager und gute Laune für die Soldaten. Das „Wunschkonzert für die Wehrmacht“ soll Erleichterung vom Kriegsgeschehen bieten.

Die Kriegsrealität holt die Radios ein

Je weiter der Krieg voranschreitet, desto mehr scheint diese Flucht ins Triviale unangebracht. Im Mai 1941 wird das „Wunschkonzert“ eingestellt.

Die Realität des Kriegs wird auch im Radio immer greifbarer. Luftlagemeldungen und ein deutlich reduziertes Programmangebot sprechen von den Bombardements und dem Vorrücken der Alliierten.

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26.1.1942 So entstand "Lili Marleen": Verschollenes Interview mit Lale Andersen aufgetaucht

26.1.1942 | Im Jahr 1939 hat Lale Andersen dieses Soldatenlied gesungen: Lili Marleen. Es wurde ein Mllionenseller und in viele Sprachen übersetzt.
Hier nun etwas Ungewöhnliches im Archivradio: Wir machen einen doppelten Zeitsprung, denn es gibt ein Interview von Lale Andersen vom 26. Januar 1942, in dem sie die Entstehung des Lieds erzählt. Das ist aber nie gesendet worden, sondern gehörte zum Bestand des Freiburger Instituts für Rundfunkwissenschaft.
Erst mehr als 40 Jahre später wurde die Aufnahme gefunden und geriet in die Hände von Stephan Krass, damals Kulturredakteur im Südwestfunk. Stephan Krass wollte die Aufnahme veröffentlichen und erzählte – ähnlich wie im Archivradio – vorher die Geschichte. Ob und wann sein Beitrag gesendet wurde, ist unklar, er wurde nicht archiviert. Aber er hat ihn aufbewahrt. Inzwischen ist er längst im Ruhestand und als er kürzlich bei sich aufräumte, fand er die Aufnahmen wieder.
Stephan Krass erinnert sich: „Für mich war dieses Interview mit Lale Andersen eher ein Zufallsfund. Ich war damals auf der Suche nach erhaltenen Archivbeständen des Freiburger Rundfunkinstituts, weil ich dessen Rolle in der Rundfunkpolitik der Nationalsozialisten beleuchten wollte. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich damals eine Gesprächsrunde zu dem Thema im "Forum im Zweiten" zusammengestellt und moderiert. Die Witwe von Prof. Roedemeyer lebte jedenfalls noch in Freiburg und ich habe sie interviewt. Einer der Teilnehmer war Arnulf Kutsch. Er hatte gerade über das Thema "Rundfunkwissenschaft im Dritten Reich. Geschichte des Instituts für Rundfunkwissenschaft der Universität Freiburg" promoviert.
Die Platte mit dem Lale-Andersen-Interview hat mir ein Winzer in Bickensohl übergeben. In den Kirchturm von Bickensohl im Kaiserstuhl waren ja mehrere Dokumente aus dem Archiv des Rundfunkinstituts ausgelagert worden. Irgendwie muss Lale Andersen dann den Weg zum Winzer gefunden haben. Nun ist sie jedenfalls im Archivradio angekommen, und da wird sie überleben.“
Das also ist die Geschichte einer Aufnahme, die zuerst 40 Jahre verschollen war, dann kurz auftauchte, dann weitere 40 Jahre verschütt ging und die Stephan Krass jetzt dem Archivradio zur Verfügung gestellt hat. Deshalb hören wir zunächst Stephan Krass, wie er in den 1980er-Jahren die Geschichte einer Aufnahme von 1942 erzählt – und dann das historische Interview mit Lale Andersen.
Danke an Christian Collet für den wertvollen Tipp!

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Michael Rebhahn