An der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg kämpft ein Team von Studierenden dafür, Komponistinnen stärker im Studienalltag zu verankern – unter anderem durch ein jährliches Festival: die 'Feminale'. Am 23. April hat die Feminale angefangen, Sylvia Roth hat sich das Projekt mal näher angeschaut.
Ein Studium ohne Komponistinnen
Viele Menschen tummeln sich an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg, aus allen Räumen klingt Musik: Die Feminale ist eröffnet! Ein viertägiges Festival, bei dem ausschließlich Werke von Komponistinnen gespielt werden.
Allgemein kann man sagen: Man geht durch die Hochschule, ist da vier, sechs, acht Jahre und man hat kein einziges Werk von einer Komponistin im Repertoire.
2023 hat die Feminale erstmals stattgefunden, dieses Jahr geht sie in ihre dritte Runde – mit Werken ganz verschiedener Komponistinnen aus ganz verschiedenen Epochen.
Zahlreiche Studierende nehmen am Festival teil, spielen Konzerte auf der Bühne oder helfen organisierend hinter der Bühne. Das Festival ist aber nicht alles – darüber hinaus kämpft das Feminale-Team dafür, Werke von Komponistinnen grundsätzlich stärker im Hochschulalltag zu verankern. Etwa als Teil der Prüfungsprogramme, denn dann müsse auch der Unterricht sich mit der Thematik beschäftigen, so Wesche.
Was muss sich ändern?
Für das Feminale-Team ist klar: Wenn Werke von Komponistinnen nicht in die Lehrpläne der Musikhochschulen aufgenommen werden, werden sie auch nicht weiter getragen – in Konzerthäuser, Gymnasien, Orchester, Musikschulen. Antonia Brinkers und Linda Wesche haben gemeinsam mit dem restlichen Feminale-Team einen „Wir-Wollen-Katalog“ aufgestellt:
Eine Musikhochschule soll auf den Musikbetrieb vorbereiten und ist deshalb nicht völlig autark: Bei Orchesterprobespielen etwa wird ein ganz bestimmtes Repertoire verlangt – die Instrumentalisten müssen es beherrschen, wenn sie eine der raren Stellen ergattern wollen.
Komponistinnen und Prüfungen
Prof. Dr. Jan Philipp Sprick ist Präsident der Hamburger Musikhochschule: Welche Möglichkeiten sieht er, das herkömmliche Prüfungs-Repertoire zu verändern?
Es gibt genug sehr gut geeignete Kompositionen von Frauen, die in Prüfungszusammenhängen oder auch bei Aufnahmeprüfungen gespielt werden können. [...] Ich finde das einen interessanten Prozess jetzt zu sehen, ob wir eine vergleichbare Entwicklung auch bei Komponistinnen haben.
Erste konkretere Schritte wurden dafür bereits unternommen: Gerade wird an der Hamburger Musikhochschule ein Katalog mit möglichen Prüfungswerken von Komponistinnen erstellt. Man kann sich nur wünschen, dass andere Musikhochschulen nachziehen. Und insgesamt zeigt sich: Für eine Erweiterung des Kanons wären stärkere Kooperationen im Musikbetrieb hilfreich.
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Noch kein Ende in Sicht
Vom Mittelalter bis hin zur Zeitgenössischen Musik – auch in diesem Jahr will das Feminale-Programm wieder die große Vielseitigkeit komponierender Frauen zeigen. Neben Kammermusik gibt es auch größere Formate. So sind sowohl das Hochschulorchester als auch der Kammerchor involviert und auch der Knabenchor Hamburg wird zu hören sein, erzählt Wesche.
Auch die Big Band der Hochschule macht mit und es gibt ein eigenes Lehrenden-Konzert unter dem Titel „Profs go Feminale“. Für die Finanzierung hat das Team ein paar Hamburger Stiftungen ins Boot geholt – alles in allem bringt das Festival viel Arbeit mit sich. Aufhören kommt für die Studierenden trotzdem nicht in Frage:
Wir müssen da auf jeden Fall weitergehen und weitermachen [...]. Ich finde, das sind wir ihnen schuldig. Und das gehört jetzt einfach auf die Spielpläne.
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