Seit den frühen 1980er Jahren bilden die beiden Pianisten Andreas Grau und Götz Schumacher ein Klavierduo. Als GrauSchumacher Piano Duo pflegen die beiden Deutschen ein eminent breites Repertoire, das im Barock beginnt und mit einem deutlichen Schwerpunkt auf der Musik unserer Zeit endet. Eine der letzten Großtaten war 2018 die Uraufführung von Brigitta Muntendorfs „Trilogie für zwei Flügel“ in Hannover. Jetzt ist das Werk auf CD herausgekommen, zusammen mit einer Videofassung auf Blu-ray.
Loops mit Swing
„Irgendetwas kommt, mein Freund“: Recht hat der spanische Schriftsteller Javier Salinas, dessen rezitierende Stimme hier auch erklingt, denn in Brigitta Muntendorfs „Trilogie“ für zwei Flügel passiert tatsächlich ziemlich viel und ziemlich Unterschiedliches.
Die einzelnen Klänge und Geräusche des Anfangs haben sich bereits im ersten Satz mit dem Titel „Key of Presence“ verdichtet und zu Wiederholungsschleifen geformt – hier verleiht das Klavierduo Grau/Schumacher den Loops sogar ein bisschen Swing.
Mit Spannung und Witz
Zu hören ist eine Collage von Klängen, die fortwährend neu miteinander kombiniert werden. Da sind Klänge von den präparierten Flügeln, Klänge von den mikrofonierten Körpern der Pianisten, Klänge von eingespielten Stimmen und Geräuschen, Saitenklänge aus dem Instrumentenkorpus.
Sie alle verschieben sich gegeneinander, ballen sich mal zu Klang-Gewittern, verebben dann wieder. Dem zuzuhören, ist richtig spannend und manchmal sogar lustig.
Backstage Talk mit Andreas Grau und Götz Schumacher
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Das hat etwas von Minimal Music, aber bei Brigitta Muntendorf ist die Rhythmik komplexer, was auch am komplexen Thema liegt. In ihrer „Trilogie“ beschäftigt sich die Komponistin nämlich mit dem Mit- und Gegeneinander von Präsenz und Erinnerung in der Musik. Also mit der Reibung zwischen dem realen, in der Gegenwart erzeugten Klang, seinem Verschwinden sowie seinen Resonanzen und Nachwirkungen in Wiederholungen und in Nachhall-Effekten.
Ganz besondere Hall-Effekte gibt es im zweiten Satz mit der Überschrift „KreisIncrease“, übersetzt etwa: „Steigerung des Kreisens“. Zu hören ist ein stereofones Hin und Her zwischen Gespieltem und Zugespieltem mit ausgeprägtem theatralischem Charakter. Und im dritten Satz „Key of Absence“ kommen außerdem verzerrte Grüße aus der musikalischen Vergangenheit hinzu.
Die Musik steigert und verdichtet sich. Sie kommentiert, reflektiert – und zerstört sich selbst. Wie kann so ein Stück enden? Die Pianisten produzieren im Diskant ein Nichts aus vielen kleinen, flirrenden Noten. Und enden dort, wo sie anfangs hergekommen sind: in der Stille.
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