Buchkritik

Wolfgang Benz – Exil. Geschichte einer Vertreibung 1933 -1945

Stand

Von Autor/in Eberhard Falcke

Wolfgang Benz beschreibt den schreckliche Exodus, zu dem die Nationalsozialisten Hunderttausende aus rassistischen, geistigen und politischen Gründen zwangen, in seiner Monografie „Exil“ in allen Einzelheiten.

Gibt es etwas, was das interessierte Publikum noch nicht weiß über Flucht und Exil während des Nazi-Regimes? Diese Frage drängt sich auf, wenn man das neue Buch von Wolfgang Benz mit dem Titel „Exil. Geschichte einer Vertreibung 1933 - 1945“ zur Hand nimmt.

Immerhin ist das ein bereits häufig und in vielen Facetten behandeltes Thema. Schlägt man das Buch aber auf, dann zeigt sich schnell, dass die Fälle der berühmten Emigranten, die im allgemeinen Bewusstsein präsent sind, nur einen Bruchteil des großen Exildramas ausmachen. 

Ein Gesamtbild der Vertreibung 

Natürlich kommen bei Wolfgang Benz auch die Prominenten wie Einstein, Thomas Mann oder Anna Seghers vor, aber er hat sich vorgenommen, ein vielschichtiges Gesamtbild der politischen und rassistischen Verfolgung zu bieten. In seinem Vorwort erklärt er: 

Aufgabe des Historikers ist es, mit dem Blick auf individuelle Schicksale das Drama der Austreibung, der erzwungenen Flucht, der Ausbürgerung und Ausplünderung, schließlich das Ankommen im fremden Land als Ganzes anschaulich und verständlich zu machen.

Die verschiedenen Stationen der Emigration 

Die erste Emigrationswelle gleich zu Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933 war vor allem politisch und kulturell motiviert. Die Bücherverbrennung hatte barbarisch und unmissverständlich den neuen Kurs der sogenannten „nationalen Revolution“ definiert.

Trotz ihres gemeinsamen Schicksals waren die Nazigegner im Exil jedoch nicht in der Lage, ein Bündnis des geistigen Widerstands zu bilden. Stattdessen verstrickten sich stalinhörige Kommunisten, Sozialdemokraten und Bürgerliche in unversöhnliche Kontroversen, wobei der spätere DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht zu den zahlreichen ideologischen Scharfmachern gehörte. 

Aber die bewegendsten Kapitel des Exils betreffen die rassistisch verfolgte jüdische Bevölkerung. Etwa der Hälfte, geschätzt 278.500, gelang es, Deutschland zu verlassen.

Wolfgang Benz beschreibt deren Vertreibung und Flucht in allen Aspekten und Einzelheiten: die Bürokratie der Diskriminierung, die Hoffnungen auf einen glimpflichen Verlauf, die endgültige Entmutigung durch die Reichspogromnacht, die zahllosen Schikanen, die Hürden bei der Beschaffung von Pässen und Visa.  

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Vertrieben in alle Welt 

Neben den bekannten Zielorten wie Frankreich, England, New York oder Los Angeles gab es viele andere wie Bolivien oder Shanghai, wo das Gefühl von Fremdheit und Entwurzelung noch größer war.

Besonders tragisch wirkt das häufige Scheitern der Versuche, eine neue Heimat in Palästina zu finden, weil die britische Mandatsmacht die jüdische Zuwanderung strikt einschränkte. So verwandelte sich etwa die Flucht des Münchner Verlegers Dr. Alfred Heller und seiner Frau in eine jahrelange Odyssee.  

Am 9. Dezember transportiert sie ein britisches Schiff von Haifa auf die Insel Mauritius. Dort werden die Menschen in einem britischen Polizeigefängnis interniert. Die Bedingungen sind fürchterlich: unzureichende Ernährung, ein kaum erträgliches Klima, Malariaanfälle, die Trennung nach Geschlechtern.

Wolfgang Benz bietet in seiner Monografie eine umfassende Zusammenschau der Exil-Thematik. Und trotz der sachlich-wissenschaftlichen Darstellung bleibt die erschütternde Dramatik der Geschehnisse durchweg spürbar.

Buchkritik Christiane Hoffmann - Alles, was wir nicht erinnern. Zu Fuß auf dem Fluchtweg meines Vaters

Christiane Hoffmann zeigt, wie lang und wie tief Flucht und Vertreibung mehrere Generationen prägen können.
Rezension von Barbara Dobrick.
C. H. Beck Verlag, 279 Seiten, 22 Euro
ISBN 978-3-406-78493-4

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