„Da droht eine große Stumpfheit“, sagt die Mainzer Buchhändlerin Susanne Lux über KI-generierte Kinderbücher, die zunehmend online vertrieben werden. Susanne Lux will ihre Kundschaft auf das Qualitäts-Problem der KI-Bücher aufmerksam machen und hat sich dafür eine spezielle Aktion ausgedacht.
Von KI generierte Bestseller laufen bei Amazon häufig besonders gut
In der Mainzer Kinderbuchhandlung „Nimmerland“ gibt es ein Schaufenster, das gerade zum genauen Hinschauen auffordert: Hier zeigt Inhaberin Susanne Lux anhand von Ansichtsexemplaren, wie die KI-generierten Druckerzeugnisse eines allseits bekannten Online-Riesen aussehen. Eine Mini-Ausstellung, die ganz klar der Abschreckung dienen soll.
Geschaut hätte sie, was bei Amazon besonders gut laufe, erzählt die Buchhändlerin: „Das sind häufig Bestseller, die nicht von echten Menschen geschrieben oder illustriert wurden, sondern von KI. Wir haben die Sachen bestellt und festgestellt, wie unglaublich schlecht sie sind.“ Nun haben sie eigene Empfehlungen diesen KI-Büchern gegenübergestellt.

Auf den ersten Blick niedlich, enthält aber nur leere Formeln
Neben Kinderbüchern der renommierten Verlage Beltz & Gelberg, Oetinger oder Diogenes liegen Titel, die vor allem durch ihre überladenen und kitschigen Cover auffallen. Die meisten Illustrationen wirken wie geklont und zeigen Figuren, die aus Animationsfilmen der Pixar-Studios stammen könnten.
„Liebevolle Dinosaurier-Botschaften“, „Josi, das Vampirmädchen“ oder „Alles wird gut“ - so heißen die Bücher, hinter denen offensichtlich kein menschliches Gehirn steckt. Oftmals locken sie mit vermeintlich ermutigenden Inhalten. Für knapp 15 Euro gibt es zum Beispiel den Softcover-Band „Weil Du ein wunderbares Mädchen bist“.

„Das finden viele unheimlich niedlich“, erzählt Susanne Lux, „und natürlich ist es genau das, was man gerne für seine Tochter möchte: dass sie stark und selbstbewusst ist und sich durchsetzen kann, aber das sind nur leere Formeln, die hier drinstehen.“
KI-generierte Kinderbücher sind vergleichsweise teuer
Diesem Buch fehle alles, was gute Kinder-Literatur ausmacht, sagt Susanne Lux : Eine originelle Story, die sich nach und nach entwickelt, Identifikationsfiguren mit psychologischer Tiefe und liebevoll gestaltete Grafiken. „Da sieht man sehr schnell, dass die eben nicht von einem Illustrator oder einer Illustratorin stammen, weil es ganz unterschiedliche Stile sind, die einfach von der KI zusammengewürfelt wurden“, so Susanne Lux
Die KI-generierten Kinderbücher seien vergleichsweise teuer. Für das gleiche Geld bekomme man auch echte Verlagsbücher, die einen längeren Produktionsprozess durchlaufen und in denen kreative Arbeit von Illustratoren, Autorinnen und Lektoren steckt.
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Glatt und konventionell - das wirkt auf viele Menschen attraktiv
Die KI-Bücher wirken glatt und sehr konventionell - und gerade das scheint auf manche Menschen attraktiv zu wirken. „Wir haben extra draufgeklebt „Vorsicht, dieses Buch ist KI-generiert und deshalb bei uns unverkäuflich, es entspricht nicht unseren Qualitätskriterien", erzählt Susanne Lux.
Das Problem daran sei nämlich, dass die Bücher häufig so nett aussähen, dass die Leute sie mit an die Kasse nähmen. Sie müssten dann sagen: „Nee, das wollen wir eigentlich nicht verkaufen, das ist ganz scheußlich, haben Sie da mal reingeguckt?“
Bislang hätten sich alle Kundinnen und Kunden für die Aufklärung bedankt, sagt Susanne Lux. Viele hören in ihrem Laden zum ersten Mal von der KI-Problematik bei den Kinderbüchern.
Auch die Bildsprache ist Mainstream
Das KI-Thema treibt die Kreativen in der Kinder- und Jugendbuch-Branche schon seit längerem um. Im vergangenen November starteten sie deshalb die Kampagne "BuchBrauchtMensch".
Und auch Susanne Lux brennt das Thema unter den Nägeln: „Da droht eine große Stumpfheit, gerade was Kinder und Jugendliche betrifft, die anfangen zu lesen und einen Blick zu bekommen für Bilder, für Kunst, für Bildsprache, werden das große Scheuklappen werden? Weil sie links und rechts von dem, was diese Mainstream-Illustrationen bedeuten, nichts mehr kennen.“ Eine fürcheterliche Vorstellung ist das für Susanne Lux.
Bislang macht sich die Kinderbuchhändlerin noch keine ernsthaften Sorgen - aber, so sagt sie, man müsse das Problem im Auge behalten.
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