Buchkritik

Katharina Zorn und Jasna Fritzi Bauer – Else

Stand

Von Autor/in Theresa Hübner

Frankfurt am Main in den 60ern: Else, Hausfrau und Mutter, macht heimlich ihren Taxischein. Sie wird die erste Frau, die in Frankfurt Taxi fährt – heimlich. Das Künstlerpaar Jasna Fritzi Bauer und Katharina Zorn erzählt in ihrem Debütroman die Geschichte einer stillen Emanzipation. Eine Hommage an starke Frauen wie Else, die mutig ihren Weg gehen.

Frankfurt am Main in den 60ern – wilde Zeiten, denn neben Berlin ist die Stadt eine Hochburg der Studentenproteste. Else ist liebevolle Mutter zweier Töchter, verheiratet mit Willy, einem grundsoliden Kerl, der davon träumt, in höhere Kreise aufzusteigen. Und darum geht’s für die ganze Familie am Wochenende auf den Tennisplatz, wo sich Frankfurts bessere Gesellschaft trifft.

Der TV 1923 ist ein ehrenwerter Klub. Nur Männer in höheren Anstellungen, Ärzte, Juristen du ihresgleichen, sind hier Mitglieder, von Frauen erst gar nicht zu sprechen. Sie werden an der Seite der Männer geduldet, sie dürfen da sein, um ihre Männer beim Tennis zu bestaunen und auf Platz drei, hinten, wo sie keiner sieht, da dürfen sie seit Neuestem auch ab und an mal spielen.

Die Taxilizenz – Ein Stück Selbstbestimmung

Else ist eine gute Ehefrau und Mutter, sie hält ihrem Mann den Rücken frei, kümmert sich gerne um Kinder und Haushalt. Doch irgendwas fehlt ihr.

Als ihr Mann monatelang auf Geschäftsreise in Indien ist, liest Else zufällig eine Annonce in der Zeitung: da werden Taxifahrer gesucht. Männer natürlich. Aber wer sagt denn, dass Frauen das nicht können? Also macht Else heimlich ihre Taxilizenz und fährt von da an nachts durch Frankfurt. Ihr Mann, ihre Kinder, nicht mal die beste Freundin wissen davon.

Und auch die Künstlerin Katharina Zorn hatte lange keine Ahnung - sie hat den Roman „Else“ zusammen mit ihrer Frau, der Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer geschrieben. Vorbild für die literarische Else ist Katharina Zorns eigene Oma, von deren Taxifahrerkarriere die Enkelin eher durch Zufall erfuhr, Jahrzehnte später.

Katharina Zorn:
„Eher so durch einen Nebensatz beim Mittagessen und habe dann natürlich total viele Fragen gehabt und das war wahnsinnig spannend, mit ihr darüber zu sprechen. Und sie hat das so also sie hat das einfach so fallen lassen und irgendwie hat das hat keiner richtig zugehört und da ist mir dann aufgefallen, dass einfach, dass sie vielleicht auch an dieses, sage ich mal Patriarchat irgendwie gewöhnt ist, dass eben der Opa immer so im Vordergrund stand und dass sie gar nicht gesehen hat, was sie eigentlich alles vielleicht auch gemacht hat, und Spannendes erlebt hat."

Videoclips begleiten das Romangeschehen

„Else“ ist Katharina Zorns und Jasna Fritzi Bauers Debütroman. Die beiden arbeiten schon lange künstlerisch zusammen, immer multimedial. Auch der Roman hat neben der literarischen, noch eine weitere Ebene. Jedem Kapitel ist ein QR-Code vorangestellt, der zu aufwändig produzierten Videoclips im Netz führt. Sie kommentieren und begleiten das Romangeschehen. Es gibt kommentierte Videocollagen, einen Musikmix oder auch Originaltöne aus den 60ern in denen Männer erklären, warum Frauen nicht ans Steuer gehören.

So wird die Geschichte lebendig und ermöglicht den Leser:innen, Else noch näher kennenzulernen. Die Geschichte spielt über mehrere Jahrzehnte, springt auch immer wieder in die jüngere Vergangenheit, in der die schon hochbetagte mit ihrer Enkelin durch Frankreich reist. Dabei zeigt sich, wie offen und tolerant Else gegenüber ihrer Enkelin ist, die auf Frauen steht.

„Du findest die gut, oder?“ fragt Else ihre Enkelin, die irritiert über ihrer Cappuccino Tasse aufsieht.
„Ehm ja, die ist süß...oder? Sie wird dabei ein bisschen rot und sieht Else fragend an. „Ja, Emmchen, ich denke, sie ist ein hübsches Mädchen, wenn sie auch was im Kopf hat, könntet ihr euch ja mal verabreden die Tage?!“

Für Jasna Fritzi Bauer und Katharina Zorn war es wichtig, Else in verschiedenen Lebensstadien zu beschreiben. Als junge Frau, die sich still und heimlich mit dem Taxifahren emanzipiert, im mittleren, aber auch im hohen Alter, denn gerade für die gibt es, so die beiden Autorinnen, einfach viel zu wenig Raum in der Kunst. Die Autorinnen wollten Elses Leben in all seinen Facetten zeigen – von ihrer Jugend bis ins hohe Alter – und damit auch die oft vernachlässigte Rolle der Frau in der Kunst sichtbar machen.

Katharina Zorn:
„Ein ganz normales Leben, aber auch ein normales Leben hat es eben verdient, irgendwie mal noch mal betrachtet zu werden. Und dann haben wir uns damit beschäftigt. Und ich durfte eben auch noch mal rückblickend in ihr Leben eintauchen und habe meine Großmutter immer erst mal nur als Oma gesehen. Und dann habe ich gemerkt Oh mein Gott, ich, ich, ich sehe die gar nicht als Frau. Wie war sie denn als Schwester, Tochter, Mutter, ähm, eben eigenständige Frau."

Jasna Fritzi Bauer:
Wie verändert sich die die Hauptperson? Was gibt ihr die Enkelin? Was lernt sie von ihren Kindern, wenn die erwachsen werden? Ich glaube, da gibt es einfach wahnsinnig viele spannende und interessante Facetten, die man zeigen kann."

Ein Roman mit der Ehefrau schreiben – nicht immer einfach

Beim Schreiben des Buches haben Katharina Zorn und Jasna Fritzi Bauer sich aufgeteilt, Katharina Zorn hat sich naheliegenderweise aufs Biografische konzentriert, Jasna Fritzi Bauer war für den fiktionalen Anteil des Romans zuständig. Das hat sich ganz gut ergänzt sagen beide, aber mit der Partnerin zusammen an einem Roman zu arbeiten, ist auch nicht immer ganz einfach – Kritikfähigkeit hilft.

Katharina Zorn:
Wir haben uns dann abends zusammengesetzt und das war so ein bisschen unser Familienritual dann uns gegenseitig die Texte vorzulesen und dann natürlich auch zu kritisieren und deine Meinung zu teilen. Und das wurde mal so, mal so aufgenommen. Aber das ist ja auch das Schöne an der Kunst, dass man darüber auch mal streiten darf, Und am Ende hat es aber alles auf jeden Fall wahnsinnig Spaß gemacht und es war eine wahnsinnige emotionale Reise."

„Else“ erzählt ein ganz normales und gleichzeitig einzigartiges Frauenleben.

Durch die Kombination aus literarischer Erzählung und multimedialen Elementen entsteht ein lebendiges und berührendes Porträt einer starken Frau, die sich gegen gesellschaftliche Zwänge auflehnt. „Else“ ist eine schöne Hommage an Hessens erste Taxifahrerin und an alle Frauen, die ihren eigenen Weg gehen. Oder fahren.

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Autor/in
Theresa Hübner