Buchkritik

Douglas Rushkoff – Survival of the Richest

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Von Autor/in Judith Leister

In seinem durchaus unterhaltsamen Buch „Survival of the Richest“ entlarvt der Medientheoretiker Douglas Rushkoff die bizarren Fluchtphantasien der Superreichen.

Douglas Rushkoffs Buch „Survival of the Richest“ erinnert an einen dystopischen Film des schwedischen Regisseurs Ruben Östlund, der 2022 in Cannes die Goldene Palme gewann. „Triangle of Sadness“ handelt von Superreichen, die sich auf einer Luxusyacht zu Tode amüsieren, während sie direkt in ihr Verderben steuern.

Bei Rushkoff ist die Lage umgekehrt: Seine Superreichen möchten sich für eine immer wahrscheinlicher werdende globale Katastrophe absichern und suchen, um zu überleben, einen möglichst komfortablen Unterschlupf.  

Die Super-Prepper schrecken vor nichts zurück 

Alles beginnt damit, dass fünf Tech-Milliardäre, die ungenannt bleiben, Rushkoff in ein Luxusspa einladen – für ein Honorar, das einem Drittel seines Jahresgehalts entspricht.

Doch anders als erwartet wollen die Superreichen keine Anlagetipps für Zukunftstechnologien von dem Medientheoretiker und Experten für Digitalökonomie, sondern befragen Rushkoff zum Überleben nach einer möglichen Katastrophe, die sie nur „das Ereignis“ nennen.

Soll man nun nach Alaska, nach Neuseeland oder auf den Mars fliehen, wo Elon Musk, der reichste Mensch der Welt, Kolonien anlegen will? Die Super-Prepper kennen offenbar keine Skrupel, wie Rushkoff schildert:  

Die Milliardäre spielten mit dem Gedanken, die Lebensmittelvorräte mit speziellen Schlössern zu sichern, deren Kombinationen nur sie kennen. Oder sie wollten ihren Leibwächtern als Gegenleistung für deren Überleben an ihrer Seite eine Art Disziplinarhalsband anlegen. Vielleicht könnte man auch Roboter bauen, die sich als Leibwächter oder Arbeitskräfte einsetzen ließen.

Geheime Luxus-Resorts teilweise schon Realität 

Rushkoff beschreibt ausführlich, wie weit solche eskapistischen Phantasien bereits gediehen sind. Längst sind Unternehmen aus aller Welt im Geschäft. Vor ein paar Jahren machte die Seasteading-Bewegung von sich reden. Dabei wollen sogenannte Aquapreneure schwimmende Siedlungen, ja mittelfristig sogar ganze Staaten im Ozean gründen. 

Von den Fesseln des rückständigen Nationalstaats befreit, wollen die Aquapreneure eine Zivilisation errichten, die ein ultralibertäres Experiment sein wird. Sie werden rasch neue Regierungsmechanismen entwickeln und festlegen, welche (...) Zugeständnisse an den Gemeinsinn oder den Kollektivismus erforderlich sind – sofern sie überhaupt erforderlich sind. 

Spielermentalität statt utopische Gegenkultur  

Rushkoff hält jegliche Zufluchtsstätte für illusorisch, daran lässt er keinen Zweifel. Der erklärte Marxist kritisiert, dass es teilweise dieselben Akteure waren, die Anfang der 1990er Jahre noch von mehr Partizipation durch den Cyberspace träumten.  

Früher überhäuften diese Leute die Welt mit abstrus optimistischen Business-Plänen, die der Gesellschaft großartigen Nutzen versprachen. Mittlerweile haben sie den gesellschaftlichen Nutzen auf ein Videospiel reduziert. Wer gewinnt? Bezos, der ins All umzieht? Thiel, der sich in seine Anlage in Neuseeland verkriecht? Zuckerberg, der im virtuellen Metaverse Zuflucht findet?

Eine besonders bittere Pointe liegt darin, dass ausgerechnet die Tech-Unternehmer, deren neokoloniale Produktionsbedingungen ganze Kontinente ruinieren, sich dem abgehängten Rest der Menschheit nun durch Flucht entziehen wollen. Ihre Exzentrik schildert Rushkoff in seinem Buch in filmreifen Szenen, die leider Realität sind. 

Rushkoffs Analyse enthält dagegen wenig Neues. Da er viele Themen nur anreißt, wirkt die Kapitalismuskritik des ehemaligen Cyberpunks und Vertreters der Gegenkultur oberflächlich.

Es erscheint etwas naiv, wenn er am Schluss für einen – Zitat – „sanftmütigeren, offeneren und verantwortungsbewussteren Umgang miteinander“ plädiert – und klingt fast schon ein bisschen nach Kapitulation. 

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