Hexe, Furie oder Zicke: Das Patriarchat entwirft abschreckende Frauenbilder, um Frauen enge Grenzen und misogyne Ideale aufzuzwingen, sagt Autorin Rebekka Endler. Diese patriarchalen Mythen entlarvt die Journalistin in ihrem neuen Buch „Witches, Bitches, It-Girls“.
Britney Spears, Paris Hilton und Lindsay Lohan auf dem Heimweg nach einer langen Partynacht, wie immer umschwärmt von Paparazzi. Sie waren die It-Girls der 2000er-Jahre: Berühmt dafür, dass sie berühmt sind. Ausgestattet mit Chihuahuas, Glitzerhandtaschen und großen Sonnenbrillen. Angehimmelt von Mädchen auf der ganzen Welt.

Als Teenagerin sah sie diese It-Girls ständig im Fernsehen und in Magazinen. Aber ein It-Girl sein, das habe ich genauso verachtet wie mein Vater, mein Bruder, meine Mutter und alle Menschen um mich herum. Weil das hatte so was Anstößiges, weil man davon ausgegangen ist, dass sie das alles nicht verdient haben.
Ich wollte auch so schön sein. Ich wollte auch gerne so glamourös sein. Und ich hätte gerne auch diese ganzen Handtäschchen und Gürtel und keine Ahnung was alles. Das wollte ich alles auch sehr, sehr gerne haben.
It-Girls und ihre Schatten Das toxische Frauenbild der Nullerjahre und wie es uns heute noch prägt
Gefährliche Schönheitsideale, mediengemachter Ruhm und Oberflächlichkeit: Die It-Girls prägten in den Nullerjahren die Jugend. Das Frauenbild zu Beginn der 2000er war toxisch, bis ausgerechnet Social Media die gefährliche Ära beendete.
It-Girls: Bewundert und verachtet
Denn ein It-Girl wie Paris Hilton leistet ja nichts, so die Erzählung: Weder geht sie einem geregelten Beruf nach, noch ist sie Hausfrau und Mutter. Kurz: Sie erfüllt nicht die Rollen, die für eine Frau im Patriarchat vorgesehen sind. Trotzdem bekommt sie so viel Aufmerksamkeit. Warum?
Es braucht eigentlich zu jeder Zeit und in jeder Gesellschaft Schreckgespenster, die von dem Ideal abweichen, um zu sagen: „Schau die an, so nicht!“
Weibliche Schreckgespenster
Frauen als Schreckgespenster: Neben den It-Girls sind das etwa vermeintliche Hexen oder Frauen wie Pandora mit ihrer bösen Büchse. Seit Jahrhunderten erzählt uns das Patriarchat frauenfeindliche Mythen in Theaterstücken, Gemälden, Büchern und Filmen. Und das prägt bis heute unseren Blick auf Frauen, schreibt Rebekka Endler in ihrem Buch „Witches, Bitches, It-Girls“.
Die Witches, die Bitches und die It-Girls, die stehen stellvertretend für viele Formen der Stigmatisierung, die im Patriarchat die Aufgabe erfüllt, Frauen oder weiblich gelesene Personen in bestimmte Schubladen hineinzudrücken, um die Deutungshoheit über ihre Personen, ihre Körper und ihr Handeln zu bekommen und sie eben gesellschaftlich randständig zu machen.
Hexenzirkel machen dem Patriarchat Angst
Von der Hexenverfolgung im Mittelalter bis heute: Erst vergangenen Dezember wurden mehr als 180 Menschen in einem Armenviertel in Haiti massakriert, weil sie der Hexerei beschuldigt wurden. Gleichzeitig eignen sich immer mehr Frauen den patriarchalen Hexen-Mythos an, inszenieren sich als moderne Hexe auf Social Media. Ihnen ist es egal, ob sie belächelt werden, wenn sie Donald Trump mit Zaubersprüchen zu bannen versuchen.
Und ganz gleich, ob Hexenzirkel oder Frauen-Verein: Frauen, die sich für eine Sache zusammentun, machen dem Patriarchat Angst. Und was dem Patriarchat Angst macht, wird seit Jahrhunderten dämonisiert.
Dämonisierung von Frauen
Rebekka Endler erklärt: „Deswegen wurde im 19. Jahrhundert erzählt, dass Frauen, die für das Wahlrecht kämpfen und die über Pamphlete weitere Frauen weitergebildet und informiert haben, ihre Pflichten als Mutter und ihren Haushalt vernachlässigen. Sie werden einfach dämonisiert und schlecht gemacht. Als würden Frauenvereine Monster erschaffen, nur weil sie ein Stückchen mehr von politischer Teilhabe, vom Kuchen haben wollen.“
Egal, wie Frau es macht: Im Patriarchat macht sie es immer falsch. Denn die Geschichten und Bilder, wie Frauen nicht zu sein haben, haben sich in unsere Gesellschaft eingebrannt, das zeigt Rebekka Endler in ihrem gut recherchierten Sachbuch. Und sie hinterfragt auch, wie Frauen selbst von diesen Vorurteilen geprägt sind. Auch sie als Autorin.
Kritik und Selbstkritik gehören also für Rebekka Endler zusammen. Sie macht damit etwas, was das Patriarchat nie hinbekommen hat.
Rebekka Endler in SWR Kultur
Gespräch Rebekka Endler: „Der patriarchale Leistungsbegriff war tief in mir verankert“
Was sind die Ursachen des Patriarchats? Und warum ist es bis heute dominant? Männer gleich Macht, so war das schon immer, ein Blick in die Geschichte reicht.
Der Autorin Rebekka Endler ist das als Erklärung zu wenig. Deshalb untersucht sie misogyne Mythen. Ganz aktuelle wie Bitches, Nymphen und It-Girls. Und uralte wie den der Hexe. Und sie fragt, warum es immer noch Frauen gibt, die vom rettenden Märchenprinzen träumen. Oder in Mommy-Blogs Mutter-Mythen renovieren.
Wie wir (fast alle) Männermacht stabilisieren, ist nach dem „Patriarchat der Dinge“ das große Thema ihres neuen Buchs.