Das Schlimme an Bildung ist ja zum Beispiel, dass man noch nicht einmal mehr unschuldig in den Himmel gucken kann, ohne dass einem Bilder einfallen, Geschichten. Der Himmel ist halt eben gerade nicht leer. Weswegen das Schöne an Bildung natürlich genau eben dieses Schlimme ist.
Der Himmel spielte bei der Anbahnung der Freundschaft zwischen dem 84-jährigen Alexander Kluge, dem vielleicht letzten deutschen Universalgelehrten, und dem 1980 geborenen New Yorker Lyriker Ben Lerner eine ziemlich zentrale Rolle. Von Lerner, der sich mal als „Patriot der Dichtkunst“ bezeichnet und trotzdem oder gerade deswegen ein Buch mit dem Titel „I hate poetry“ veröffentlicht hat, von Lerner stammt ein Gedicht mit dem Titel „The sky stops painting and turns to criticism“.
Das wollte Kluge bei einem Besuch in New York nicht unkommentiert stehen lassen, antwortete mit der Geschichte über Bombengeschwader am Himmel über Aleppo. Lerner wiederum antwortete mit einem Sonett. Ein Pingpongspiel des Geistes begann durch alle Textsorten, alle Sphären des Geistes und der Natur. Ein literarisches Gespräch, in dem Kluge weiterschreiben kann an seiner „Chronik des Zusammenhangs“. Ein Buch, das vom Schrecken und der Schönheit des Himmels handelt. Und in dem auch noch und wieder der Nachhall aufgehoben ist vom Bombardement von Halberstadt, das Kluge als 13-Jähriger im Luftschutzbunker überstand, eine Urszene seines Lebens.
21 Fotografien von Gerhard Richter, die in den Siebzigern in Venedig entstanden, kommentieren, mischen sich unter und zwischen die transatlantische Himmelsdebatte.
Zu den Autoren:
Alexander Kluge, geboren 1932 in Halberstadt, ist als Filmemacher, Schriftsteller und Medienpolitiker einer der vielseitigsten Intellektuellen in Deutschland. Sein Gesamtwerk aus literarischen und analytischen Büchern, Filmen und Fernseh-Reihen ist genre-übergreifend und vielfach preisgekrönt.
Ben Lerner, geboren 1979 in Topeka/Kansas, studierte Literatur an der Brown University in Providence/Rhode Island. Er hat drei Gedichtbände veröffentlicht und war der jüngste Finalist für einen National Book Award auf dem Gebiet der Lyrik. 2017 wählte Granta ihn unter die „21 besten US-Schriftsteller des Jahrzehnts“. Er lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Brooklyn und unterrichtet am Schreibseminar des Brooklyn College.