Tarjei Vesaas, geboren 1897 in der norwegischen Provinz Telemark, aufgewachsen auf einem Bauernhof, gestorben 1970, gilt vielen seiner Bewunderer bis heute als einer der bedeutendsten norwegischen Autoren überhaupt. Mehrfach war Vesaas für den Literatur-Nobelpreis im Gespräch, bekommen hat er ihn aber nicht. Der Guggolz Verlag hat in den vergangenen Jahren mit der Neuübersetzung herausragender Romane wie „Das Eis-Schloss“ und „Die Vögel“ dafür gesorgt, dass Vesaas auch in Deutschland zu später Bekanntheit und großer Anerkennung kam.
Nun ist mit „Frühlingsnacht“ ein weiterer, im Original 1954 publizierter Roman von Vesaas in der Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel erschienen. Er erzählt von zwei Geschwistern, dem vierzehnjährigen Hallstein und seiner älteren Schwester Sissel, die über Nacht allein zu Hause sind. Nichts Außergewöhnliches, doch der Abend nimmt eine unerwartete Wendung: Es klopft an der Tür, und draußen stehen vier Menschen, zwei Männer und zwei Frauen. Eine der beiden braucht medizinische Hilfe. Ihr Auto, so sagt einer der Männer, habe eine Panne, man müsse telefonieren. Im Auto, so stellt sich heraus, sitzt noch eine weitere Frau, die angeblich weder gehen noch sprechen kann.
Aus dieser Konstellation entwickelt Vesaas ein dunkles Kammerspiel von buchstäblich unheimlicher Qualität. Dass der Schriftsteller einen exzellenten Blick hat für die Bewusstseinslandschaften junger Menschen, zeigen alle seine Werke. „Frühlingsnacht“ ist der rätselhaft schöne Roman einer Weltverwandlung: Am nächsten Morgen ist nichts mehr, wie es einmal war.